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AUGSBURG/NEUSÄß
Wie aus Erregung ein Ärgernis wird
Titania Erlebnisbad, Neusäß       -  Der Stein des Anstoßes: Im Titania-Bad in Neusäß soll ein Pärchen Sex gehabt haben. War das Erregung öffentlichen Ärgernisses, war die Frage im Berufungsprozess.
Foto: Marcus Merk | Der Stein des Anstoßes: Im Titania-Bad in Neusäß soll ein Pärchen Sex gehabt haben. War das Erregung öffentlichen Ärgernisses, war die Frage im Berufungsprozess.
reda
 |  aktualisiert: 15.12.2015 11:44 Uhr

Schwer zu sagen, was die schlimmere Strafe für die beiden jungen Leute ist. Die Arreststrafen, die sie demnächst absitzen müssen, oder das öffentliche Vorführen peinlicher Beweisvideos, die am Mittwochnachmittag der Vorsitzende Richter Lenart Hoesch starten lässt. Zu sehen sind da die beiden Angeklagten, wie sie am zweiten Weihnachtsfeiertag 2014 in der Erlebnisgrotte des Titania-Bads in Neusäß – sagen wir es technisch – sexuelle Handlungen ausüben. Ob es zu einem „echten“ Geschlechtsverkehr gekommen ist, bleibt ungeklärt.

Die Filme stammen von Unterwasserkameras im Bad. Sie haben das festgehalten, was innerhalb von nur zwei Monaten zum zweiten Mal die Augsburger Justiz beschäftigt hat: War der Sex zwischen dem 18-jährigen Burschen und dem 19-jährigen Mädchen die Erregung eines öffentlichen Ärgernisses und somit eine Straftat?

Dieses Mal hat das Paar Rechtsanwälte zur Seite. Doch genützt hat es am Ende nichts. Das Landgericht verwirft die Berufung. Der junge Mann muss also zwei Wochen in Jugendarrest, die junge Frau zwei Wochenenden lang. Die Differenz ist dadurch zu erklären, dass der 18-Jährige eine Vorstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr hat und im Gegensatz zu seiner Freundin wenig Perspektiven für ein geregeltes Leben.

Er war am Abend des 26. Dezember 2014 auch der patzigere und aggressivere, als zwei Bademeister das Paar beobachtet hatten und aus der Grotte holten. Die beiden waren mit einem Kumpel am Nachmittag in das Spaßbad gegangen. Sie tranken ordentlich Alkohol. Ein Test ergab 1,4 Promille bei ihm und 1,1 bei ihr. Zwei Flaschen Whiskey wurden gefunden, zudem hatte sich die Badeaufsicht schon zuvor gewundert, dass Kinder ihnen kleine Likörfläschchen brachten, die sie aus den Becken gefischt hatten. Die Lösung des Rätsels sollte nicht lange auf sich warten lassen.

Etwa eineinhalb Stunden, bevor das Bad schloss, fiel einem Bademeister auf der Videoüberwachung auf, dass ein junges Paar in der sogenannten Erlebnisgrotte heftige sexuelle Aktivitäten entfaltete. Die Hose des jungen Mannes hing teils bis über die Knie herunter. Der Bademeister rief einen Kollegen zur Hilfe. Doch der junge Bursche zeigte sich uneinsichtig und stritt Geschlechtsverkehr ab. Es gab lautstarke Diskussionen. Am Ende wurden die jungen Leute rausgeschmissen und die Polizei verständigt.

Das Amtsgericht verhängte im Juni die Arreststrafen. Doch das Paar akzeptierte das Urteil nicht. Nun, in der Berufung, zeigte sich, dass der Fall juristisch gar nicht so einfach ist. Zwei Knackpunkte haben die Verteidiger ausgemacht, sie sagen das auch in den Plädoyers. Erstens: Ist überhaupt jemandem ein „Ärgernis“ entstanden? Die Bademeister sagen unterschiedlich aus. Einer fühlte sich gestört. Der andere sagt: „Ich sehe sowas jeden Tag, das macht mir nichts aus.“ Zudem soll sich ein Badegast beschwert haben, der aber nicht namentlich bekannt ist.

Und zweitens: Wollte das junge Paar bewusst jemanden stören? Im Gesetz steht, dass die sexuelle Handlung „absichtlich oder wissentlich“ geschehen müsse. Die Verteidiger argumentieren, dass ihre Mandanten gar nichts von den Überwachungskameras gewusst hätten. Die Information darüber sei nur klein am Eingang ausgehängt. Einen Vorsatz habe es nicht gegeben.

Am Ende bringt das alles nichts. Die Jugendkammer hält das junge Paar, dessen Fall bundesweit für Wirbel sorgte, dennoch für schuldig.

 
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