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BERLIN/WÜRZBURG
Weniger Gründer in Mainfranken
Weniger Gründer in Mainfranken
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 23.12.2015 12:20 Uhr

In Deutschland gibt es immer weniger Gründer: Der Trend zur Selbstständigkeit kam bereits 2007 zum Stillstand. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in einer aktuellen Studie. Seit 2012 nimmt die Zahl der Selbstständigen sogar ab. Die Entwicklung ist fast ausschließlich auf den Rückgang bei den sogenannten Solo-Selbstständigen – Unternehmer ohne Beschäftigte – zurückzuführen, die in den Jahren zuvor bereits für den Anstieg der Gründungen verantwortlich gewesen waren.

Dagegen expandierte die Zahl der abhängig Beschäftigten in fast allen Wirtschaftszweigen kräftig. „Der Trend hin zur Selbstständigkeit, der als wichtiges Element eines Strukturwandels auf dem Arbeitsmarkt angesehen wurde, scheint gebrochen zu sein“, erklärt der DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke.

Die Trendwende ist auch in Mainfranken über alle Branchen und fast alle Altersgruppen zu beobachten, lediglich bei den Älteren ist die Zahl der Selbstständigen zuletzt noch gestiegen. Das zeigt der „Gründeratlas Mainfranken 2015“, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt einmal im Jahr herausgibt. Sascha Genders, Bereichsleiter Standortpolitik sowie Existenzgründung und Unternehmensförderung bei der IHK, sieht für diese Entwicklung drei wesentliche Faktoren: „Durch den demografischen Wandel gibt es weniger potenzielle Gründer, bei guter Konjunktur ist der Schritt, ins Risiko zu gehen, geringer, und Änderungen bei staatlichen Förderungen wie dem Gründungszuschuss tun ihr Übriges.“

In den 1990er Jahren hatte die selbstständige Beschäftigung in Deutschland geboomt – nicht zuletzt wegen zahlreicher Existenzgründungen in Ostdeutschland. Das verstärkte sich nach der Jahrtausendwende, auch weil Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit im Rahmen der Hartz-Reformen gefördert wurden – Stichwort „Ich-AG“.

Daraus resultierte der kräftige Anstieg bei den Solo-Selbstständigen, von denen allerdings ein erheblicher Teil nur ein geringes Einkommen erzielte. Etwa ein Viertel aller Selbstständigen habe – so die DIW-Studie – einen Bruttostundenlohn, der unter dem Mindestlohn für Arbeitnehmer von 8,50 Euro liegt.

Bis 2007 entwickelte sich die selbstständige Beschäftigung besser als die abhängige. Danach stagnierte die Zahl der Selbstständigen, und seit 2012 geht sie zurück, während die Zahl der Arbeitnehmer expandiert. „Bei der Altersgruppe 55 plus können wir einen leichten Anstieg verzeichnen“, erklärt Genders. „Viele Ältere verfügen über genügend Eigenkapital und verwirklichen mit der Selbstständigkeit, wovon sie schon immer geträumt haben.“ Auch Frauen wagen den Sprung in die Selbstständigkeit: „Im Jahr 2013 waren 28,2 Prozent der Gründer weiblich.“

Dennoch gibt es in nahezu allen Wirtschaftszweigen weniger Selbstständige. Besonders stark war der Rückgang in Mainfranken 2014 in Handel und Gastronomie. Auch in der Landwirtschaft geben immer mehr bäuerliche Betriebe auf. Zuwächse gab es im Dienstleistungsbereich und in der Beratung, wie zum Beispiel IT-Dienstleister, Software-Entwickler oder -Programmierer, Ingenieurdienstleister oder Buchhalter. Im Baugewerbe war aufgrund der guten Baukonjunktur sogar ein kräftigerer Anstieg der Selbstständigkeit zu verzeichnen.

Die gute Arbeitsmarktlage schlägt sich auch auf das Gründungsverhalten im Handwerk nieder. „Es gibt im Handwerk weniger Gründer. Wer sich allerdings selbstständig macht, ist sehr gut vorbereitet und informiert“, erklärt Michael Pfister, Berater der Handwerkskammer für Unterfranken. „Ein Wirtschaftsraum wie Mainfranken lebt ein Stück weit von jungen und neuen Unternehmen“, erläutert Genders. Gründer seien wichtig für die Wirtschaft.

 
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  • uwe.luz@t-online.de
    Solange unser Staat diejenigen, die das Risiko der Selbstständigkeit auf sich nehmen, mit unverhältnismäßig hohen Steuern, abartigen Dokumentationspflichten und zahllosen Bestimmungen terrorisiert (wer eine Wasserleitung liefert und einbaut, muss über 3200 Bestimmungen beachten) braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass kein Interesse an einer Selbständigkeit besteht. Und diejenigen, die es trotzdem wagen und dann unverschämterweise auch noch erfolgreich sind, sehen sich angesichts dieses Erfolges dem Neid, angefacht von der LINKE und den Gewerkschaften, ausgesetzt. Dass dieser Erfolg mit einer 60-Stundenwoche erkauft ist, ist denen nämlich egal. Kapitalist ist Kapitalist. Und ruckzuck findet sich dann auch der erfolgreiche Selbständige im Dunkeldeutschland wieder. Dann doch lieber 35-Stunden Woche und Lohnsteuerkarte – oder?
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  • Lebenhan1965
    hängt auch immer mit der Lage am Arbeitsmarkt zusammen.
    Ist das Angebot an attraktiven Arbeitsplätzen gut, ist die Gründungsquote einfach schlechter.
    In schwierigen Zeiten am Arbeitsmarkt gibt es auch viele "Notgründungen", von denen aber in der Regel durchaus einige erfolgreiche Unternehmen übrig bleiben.
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