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NÜRNBERG
Was tun, wenn statt CSU man in Bayern CDU wählen will?
Vor der Bundestagswahl: Das Ehepaar Roth aus Nürnberg will für die Merkel-CDU und nicht für die Seehofer-CSU abstimmen. Deshalb zieht das Anwaltsehepaar vor das Bundesverfassungsgericht.
Christine und Rainer Roth aus Nürnberg haben kein Faible für die Seehofer-CSU. Das Recht, in Bayern CDU zu wählen, wollen sie sich vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten.
Foto: Nikolas Pelke | Christine und Rainer Roth aus Nürnberg haben kein Faible für die Seehofer-CSU. Das Recht, in Bayern CDU zu wählen, wollen sie sich vor dem Bundesverfassungsgericht erstreiten.
Nikolas Pelke
 |  aktualisiert: 27.03.2017 03:45 Uhr

Christine und Rainer Roth finden Merkel gut. Gegen den Strich geht dem Anwaltsehepaar aus Nürnberg, dass sie in Bayern nicht die CDU wählen können. „Das Problem habe ich schon immer. Mir konnte noch niemand schlüssig beantworten, warum man in Bayern nicht die CDU wählen kann“, erzählt der 55-jährige Fachanwalt für Verwaltungsrecht. „An einem Abend haben wir uns gesagt: Entweder jetzt aufstehen oder für immer schweigen“, erinnert sich Christine Roth, Fachanwältin für Arbeitsrecht, in der gemeinsamen Kanzlei an den Tag der Entscheidung zurück, mit einer Verfassungsbeschwerde nach Karlsruhe zu gehen.

Direkt vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, das wussten die erfahrenen Juristen, geht nicht. Deshalb sind die beiden „über die Dörfer“ gezogen und haben sich mit einer Klage an den Bundeswahlleiter in Wiesbaden gewandt. „Wir haben den Umweg über das Verwaltungsrecht gewählt. Der Bundeswahlleiter ist der höchste Repräsentant bei der Bundestagswahl“, erklärt Rainer Roth und fügt gleich hinzu, dass ihm klar gewesen sei, dass auch dieses Manöver nicht der Königsweg ist. „Die Verhandlung war super. Wir hatten ein ganz offenes Rechtsgespräch in Wiesbaden. Der Richter hat gesagt, dass er uns verstehen kann“, erinnert sich Christine Roth an den kleinen Ausflug nach Hessen mit den Akten im Kofferraum.

„Roth gegen CSU“ liegt in Kassel

Nun liegt der Fall „Roth gegen CSU“ vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Weil bis zum entscheidenden Urnengang am 24. September wohl kein Urteil gesprochen wird, haben sich die Roths im Hinblick auf die gebotene Eile nach Karlsruhe an das Bundesverfassungsgericht gewandt. Eine Verfassungsbeschwerde, erklärt Rainer Roth, setze normalerweise voraus, dass alle anderen Rechtsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. In ihrem Fall sei dies nicht der Fall, gibt Roth unumwunden zu. Das Juristenpaar begründet den Gang vor das allerhöchste Gericht damit, dass wohl viele Bayern lieber Merkel anstatt Seehofer wählen würden. Mit der Begründung der Dringlichkeit haben die beiden trotz fehlender „Rechtswegerschöpfung“, wie es juristisch so schon heißt, die Verfassungsbeschwerde erhoben, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch vor der Bundestagswahl 2017 zu ermöglichen. Die Erfolgsaussichten sind gering. Auf maximal zwei Prozent schätzen die beiden Merkel-Fans aus Franken die Gewinnchancen.

Als juristische Träumer oder politische Phantasten verstehen sich die Roths deshalb nicht. Ihnen geht es auch nicht nur ums Prinzip. Ihnen geht es um mehr. Um den Erhalt der Demokratie. Um die Wahrung des Anstandes in einer Republik, die sie von Despoten im Ausland und Populisten im Inland bedroht sehen.

Von der SPD zum Merkel-Fan

„Wir möchten uns weder von der AfD im Inland noch von den Autokraten im Ausland in die Enge treiben lassen“, betonen beide unisono. Die Mitte der Gesellschaft müsse sich engagieren, um das weltoffene Deutschland zu bewahren. Rainer Roth war früher in der SPD. Bis der rote Innenminister Otto Schily nach den Anschlägen am 11. September 2001 auf „Law and Order“ setzte und potenzielle Gefährder ohne anständigen Prozess hinter Schloss und Riegel stecken wollte. Rainer Roth gab daraufhin sein Parteibuch zurück. Heute ist er Merkel-Fan.

Christine Roth hatte mit der CSU noch nie viel am Hut. Die gebürtige Regensburgerin sieht heute noch „rot“, wenn sie an Franz-Josef Strauß, die bajuwarische Galionsfigur der Schwarzen, denkt. „Vor der Flüchtlingssituation war es für mich undenkbar, dass ich Merkel wähle.“ Seitdem die „eiserne Kanzlerin“ ein Herz bewiesen habe, schwärmen beide in holder Eintracht von Merkel und ihrem unaufgeregten Führungsstil.

Beim Thema „Seehofer“ verdrehen sie dagegen die Augen. Der Mann habe keine Umgangsformen, finden beide. Zum „Fremdschämen“ sei das Verhalten des CSU-Chefs gegenüber Merkel gewesen. „Wir dürfen die politische Arena nicht nur den Wutbürgern am linken und rechten Rand überlassen. Die schweigende Mehrheit muss aktiv werden, um unser Wertesystem zu schützen“, sind sich Christine und Rainer Roth sicher.

Und wenn die Klage kein Erfolg hat? „Die CSU wählen wir nicht. Da fällt uns in der Wahlkabine eher der Stift aus der Hand“, sagen beide und berichten von vielen tollen Zuschriften, die ihnen und ihrer Initiative „Bayern wollen Merkel wählen“ schon den Rücken gestärkt haben. „Die Politisierung der politischen Mitte findet statt“, ist sich das Paar aus Nürnberg sicher.

 
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Kommentare
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  • uwe.luz@t-online.de
    ... wenn man auch umziehen kann. Wer so leben möchte, wie es die Merkel-CDU möchte, muss eben das Bundesland wechseln. Es herrscht Freizügigkeit. Bei allem CSU-Filz: Es gibt kein Bundesland, das liebenswerter ist, als Bayern. Und daran hat – Das wird niemand seriös bestreiten können – die CSU einen maßgeblichen Anteil. Wer eine Partei der Beliebigkeit wählen möchte, möge ihn ein beliebiges anderes Bundesland wechseln.
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