In Bayern gibt es immer weniger Landärzte. Und die prekäre Lage wird sich zuspitzen: Über ein Drittel der 9300 Hausärzte in Bayern ist über 60 Jahre alt und wird bald aus dem Beruf ausscheiden. Um dem entgegenzuwirken, will die bayerische Staatsregierung eine Landarztquote einführen: 5,8 Prozent aller Studienplätze pro Wintersemester an bayerischen Universitäten sollen künftig an Studierende gehen, die vorab Interesse am Landarztberuf bekunden.
Bei diesen Bewerbern soll dann die Abiturnote nicht als Auswahlkriterium gelten, da sie „zwar einen Indikator für den Studienerfolg, aber keinen Garanten für eine gute Ärztin oder einen guten Arzt darstellt“, heißt es im Gesetzesentwurf, über den der Gesundheitsausschuss im Landtag demnächst beraten soll. Gelten soll die neue Regelung ab dem Wintersemester 2020/2021.
Vertragsstrafe in Höhe von 250.000 Euro
Anstatt der Note werde dann beispielsweise eine abgeschlossene Ausbildung in einem Gesundheitsberuf, entsprechendes ehrenamtliches Engagement und das Ergebnis des Medizinertests entscheidend sein. Im Gegenzug verpflichtet sich der Studienanfänger, nach dem Studium zehn Jahre als Hausarzt in Gebieten, in denen Bedarf besteht, tätig zu sein. „Wer sich nicht daran hält, muss mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 250.000 Euro rechnen“, erklärt Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Doch an den Plänen gibt es Kritik. Das Medizinstudium dauere bei Regelstudienzeit zwölf Semester, also sechs Jahre, danach folgen sechs Jahre Facharztausbildung. „Junge Menschen im Alter von 17 oder 18 Jahren sollen sich, inklusive Studium, auf 20 Jahre festlegen, und das in einer Zeit, in der wir in jedem anderen Beruf Flexibilität fordern“, moniert die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Christina Haubrich.
Bei der falschen Zielgruppe angesetzt
Ein Punkt, der auch Matthias Kaufmann stört. Der 28-Jährige ist im Vorstand der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (BVMD) und studiert an der Universität Erlangen-Nürnberg: „Umfragen unter Studierenden haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass viele sich erst am Ende des Studiums auf ein Fachgebiet festlegen.“ Entscheidend sei dabei auch das praktische Jahr im elften und zwölften Semester. Die Quote setzt nach Kaufmanns Ansicht also bei Abiturienten „bei der falschen Zielgruppe an“.
Jakob Berger, schwäbischer Vorsitzender des Hausärzteverbandes, sieht das anders: „Ich denke, dass bei dieser Quote diejenigen zum Zug kommen, die schon eine medizinische Ausbildung gemacht haben und reifer sind.“ Dass bei der Auswahl die Abiturnote vernachlässigt wird, sieht er positiv: „Sie sagt gar nichts aus.“ Ein guter Arzt müsse vor allem sozial kompetent sein.
Neue Regeln für die Zulassung zum Medizinstudium
Dass die Note in Zukunft geringer gewichtet werden soll, bezeichnete Ministerin Huml als „Paradigmenwechsel“. Eine Aussage, die Matthias Kaufmann von der BVMD wundert: „Erst vor einem Jahr wurde die Zulassung zum Medizinstudium neu geregelt. Damals betrug die Auswahlquote nach Abitur 20 Prozent – und Bayern wollte auf 40 Prozent erhöhen, die anderen Bundesländer waren dagegen.“ Am Ende traf man sich in der Mitte bei 30 Prozent. Dass die Regierung die Quote darstellt, als wolle man Abiturienten mit schlechteren Noten begünstigen, sei „nicht anständig“.
Familienfreundliche Strukturen anbieten
Was aber kann man sonst tun, um die Tätigkeit des Landarztes attraktiver zu machen? „Hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten: Weit oben steht die Schaffung von Strukturen, die jungen Kolleginnen und Kollegen nach ihrer Weiterbildung zunächst eine angestellte Tätigkeit in einem Praxisteam erlauben“, erklärt Professorin Martina Kadmon. Sie ist Gründungsdekanin der medizinischen Fakultät in Augsburg. Ihrer Ansicht nach könnten unter anderem auch familienfreundliche Strukturen und Double-Career-Optionen einen Anreiz für Medizinstudenten darstellen. Letztere garantieren, dass auch der Partner in der jeweiligen Region einen Job bekommt. Matthias Kaufmann von der BVMD hält auch ein Rotationssystem, bei dem Ärzte aus der Stadt für eine Weile auf dem Land arbeiten, für sinnvoll. Und natürlich: „Finanzielle Anreize.“
Wer nach den zehn Jahren feststellen sollte, dass ihm die Arbeit auf dem Land nicht gefällt, könne sich umorientieren, betont Jakob Berger. „Man kann im Gesundheitsamt, als Betriebs- oder Schiffsarzt arbeiten, es gibt so viele Möglichkeiten.“ Aber: „Meiner Erfahrung nach gefällt den Allgemeinärzten auf dem Land die Arbeit – und sie bleiben.“