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MÜNCHEN
Warum Markus Söder nachgeben muss
GERMANY-POLITICS-PARTY-CSU       -  Ministerpräsident Markus Söder: Die CSU-Basis folgt ihm nicht immer uneingeschränkt.Christof Stache, afp
Foto: Foto: | Ministerpräsident Markus Söder: Die CSU-Basis folgt ihm nicht immer uneingeschränkt.Christof Stache, afp
Uli Bachmeier
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 19.10.2020 10:38 Uhr

Ob Augsburgs Landrat Martin Sailer wohl geahnt hat, dass es da vorne in der ersten Reihe ziemlich ungemütlich werden kann? Noch am Freitag hatte er zum Auftakt des CSU-Parteitags unserer Zeitung verraten, dass er seiner Wahl zu einem der fünf stellvertretenden CSU-Vorsitzenden „mit gemischten Gefühlen“ entgegen sieht und am liebsten in den Reihen seiner Schwaben sitzen bleiben würde. Am Samstag – Sailer hatte bei der Wahl respektable 83,9 Prozent erhalten – blieb ihm nichts anderes mehr übrig. Er musste sich in der Münchner Olympiahalle ganz vorne bei den CSU-Granden um Parteichef Markus Söder einreihen. Und hier sollte es gleich richtig rund gehen.

Kaum hat Generalsekretär Markus Blume vorgetragen, wie sich die Reformkommission der CSU den „Aufbruch in eine neue Zeit“ vorstellt, bricht eine Welle der Empörung über die Parteiführung herein.

Monatelang war über die Parteireform und speziell über die Erweiterung der Frauenquote auf die Kreisvorstände diskutiert worden. Der schließlich ausgehandelte Kompromiss, der auch einen Quotenplatz für jüngere Parteimitglieder in allen Gremien vorsieht, schien in trockenen Tüchern. Doch große Teile der Basis wollen da nicht mit.

„Man muss den Grünen nicht jeden Schmarrn nachmachen“, schimpft Robert Simm (Kreisverband Dachau). „Man kann nicht die Grünen als Bevormundungspartei geißeln und dann eine Frauenquote einführen“, sagt Holm Putzke (Kreisverband Passau).

„Mit all diesen Vorschlägen hechelt der Vorstand hinter den Grünen her“, sagt Manfred Krautkrämer (Kreisverband Günzburg) und fragt auch gleich noch, wohin das alles am Ende führen soll: Männerquote? Seniorenquote? Eine Quote für das dritte Geschlecht? „Da sehen wir doch den ganzen Unsinn, der mit dieser Quotenregelung erreicht wird.“ Jede dieser Wortmeldungen wird laut bejubelt – besonders von den Vertretern der Jungen Union.

Die Sorge, die CSU lasse sich vom „grünen Zeitgeist“ treiben, ist ein Aspekt der heftig vorgetragenen Kritik. Tosenden Applaus gibt es aber auch für die jungen Frauen, die sich selbstbewusst gegen jede Quote stellen. Wiebke Hönicke zum Beispiel, Vize-Chefin der JU in Oberbayern, wird schon beklatscht, als sie sich als „Offizier bei der Bundeswehr“ vorstellt. Sie endet mit dem leidenschaftlichen Appell: „Bitte, machen Sie mich nicht zu einer Quotenfrau!“ Der Saal tobt.

Dass der Parteiführung um Söder ein Debakel droht, steht in diesem Moment bereits fest. Der Antrag, in geheimer Abstimmung über die Quote zu entscheiden, ist mit klarer Mehrheit angenommen worden. In den Reihen des Vorstands wird, während die Debatte immer hitziger wird, fieberhaft nach einer Lösung gesucht. Zurückziehen? Vertagen? Durchziehen? Es herrscht erst einmal Ratlosigkeit.

Parallel dazu versuchen etablierte Frauen und Männer in der Debatte das Ruder herumzureißen. „Die Frage ist, welches Signal senden wir heute von diesem Parteitag aus“, warnt Finanzminister Albert Füracker. Generalsekretär Blume wird noch deutlicher: „Es ist eine Existenzfrage, wie wir mit dem Thema umgehen.“ Landtagspräsidentin Ilse Aigner und ihre Vorgängerin Barbara Stamm werfen sich in die Redeschlacht, werben für die Quote und für den Zusammenhalt in der Partei. „Darum bitte ich ganz herzlich“, sagt Aigner. Doch das kommt nicht überall gut an. Laurenz Kiefer, JU-Chef im Kreisverband München-Mitte, macht noch eine Spur schärfer Front gegen das Establishment. Es sei, so ruft er in den Saal, „der Wahnsinn“, wie vom Parteivorstand in die Debatte eingegriffen werde. Dass er dabei auch noch von „diesen Typen“ spricht, sollte ihm später eine Rüge von Parteichef Söder einbringen.

Jung gegen Alt, Männer gegen Frauen, „Unten“ gegen „Oben“, Konservative gegen Modernisierer – wo genau die Frontlinien in der CSU verlaufen und wie die Kräfteverhältnisse unter den Delegierten sind, lässt sich zu diesem Zeitpunkt nur schwer einschätzen.

Offenkundig aber ist, dass die Partei an diesem Tag nicht davor zurückschrecken wird, ihrem gerade erst mit einem überzeugenden Ergebnis wiedergewählten Vorsitzen Söder eine erste Niederlage zu verpassen.

Die Rettung kommt in Gestalt der Landesvorsitzenden der Frauen-Union Ulrike Scharf. Sie trägt vor, was am Vorstandstisch unter der Regie Söders schließlich ausgehandelt worden ist. Statt der verpflichtenden soll es nur eine freiwillige Frauenquote in den Kreisvorständen geben, aus der Muss- soll eine Soll-Bestimmung werden. Das soll analog auch für den Quotenplatz der Jüngeren gelten.

Nun greift auch Parteichef Söder in die Debatte ein. Er erinnert daran, dass die CSU bei jungen Frauen zuletzt „verheerend“ abgeschnitten habe.

Wer daraus keine Konsequenzen ziehe, werde erleben, „dass uns sowohl der Nachwuchs als auch die Akzeptanz fehlen wird.“ Er hätte sich, so Söder, „mehr vorstellen können“. Aber er wolle auch, dass der Parteitag „nicht mit unversöhnlichen Positionen“ auseinander gehe. „Packen wir die Brechstange ein, packen wir die anderen Kriegsgeräte ein“, sagt Söder.

Erst als er nachgibt, folgt ihm die CSU. Der Leitantrag zur Parteireform, der noch 74 weitere Punkte umfasst, wird mit der entschärften Frauenquote mit klarer Mehrheit beschlossen. Dann kommt noch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Aber ihr Auftritt ist an diesem Tag fast eine Nebensache.

 
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  • Arcus
    Die CSU kommt nicht von ihrem Status einer rückwärtsgewandten Partei weg. Selbst die Minireform von Söder wird abgelehn. Söder erleidet schon wieder eine Schlappe bei der Modernisierung seiner Partei.
    Parteispitze ist das Spiegelbild eines zerstrittenen Haufens. Söder, Dobrindt, Scheuer...na wenn das mal nicht der Beweis für das "Bestenprinzip" ist. lol.
    Wo war Seehofer? Die CSU Uneinigkeit auf breiter Front. Söder hat da durchaus auch einen gewichtigen ANteil.
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