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WÜRZBURG/UFFENHEIM
War der Mord mit dem Ast doch ein Unfall?
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:40 Uhr

Sieben Jahre nach dem Urteil im Astmord-Fall kommen Zweifel auf: Verdient Stefan E. wirklich lebenslänglich? Neue Erkenntnisse stützen die These, die der Verurteilte immer vertrat: Dass nicht er, sondern ein herabfallender Ast die Frau erschlug. Bekommt Stefan E. vor Gericht eine zweite Chance?

Überraschend war vor Kurzem bekannt geworden, dass die Würzburger Anwälte Jan Paulsen und Norman Jacob junior eine Wiederaufnahme des rechtlich abgeschlossenen Falles beantragt haben. Dabei war für das Landgericht Nürnberg der Fall 2010 klar: Der 24-jährige Knecht Stefan E. hatte gehofft, den Hof seiner Bäuerin Gerlinde G. bei Geckenheim, einem Ortsteil von Weigenheim (Lkr. Neustadt-Aisch/ Bad Windsheim) übernehmen zu können. Sie hatte ihm das in Aussicht gestellt, es sich am Ende aber wohl anders überlegt. Das Gericht sah darin ein starkes Motiv, warum E. sie im Wald erschlagen haben soll. Anschließend fälschte er die Unterschrift der Getöteten, um doch an den Hof zu kommen.

Zu Unrecht im Gefängnis?

Die Fälschung gab der Angeklagte zu, den Mord bestreitet Stefan E. bis heute. Nicht nur seine Mutter glaubte an seine Unschuld. Auch seinen Verteidiger Norman Jacob aus Würzburg ließ der Fall nicht ruhen. „Der Mann sitzt zu Unrecht im Gefängnis“, sagte er noch Jahre später.

Mutter und Anwalt beauftragten Wissenschaftler mit einer Überprüfung, die sich über mehrere Jahre hinzog. Langwierige Versuche und sorgfältige wissenschaftliche Untersuchungen von Leiche, Tatort und Bäumen erfolgten.

Nachdem die Fakten dem Gericht seit einigen Wochen vorliegen, gewährten die Anwälte der Redaktion Einblicke in ihr neues Beweismaterial. Versuche weckten Zweifel daran, ob der 63 Kilogramm schwere Stefan E. überhaupt die Kraft gehabt hätte, mit einem 30 Kilo schweren Ast auf den Schädel der Frau zu schlagen. Entscheidender ist, dass ein Rechtsmediziner anhand der Fotos feststellte, „dass eine Abscherung der Kopfhaut, wie sie bei der Obduktion festgestellt wurde, durch einen Schlag von hinten mit einem Ast nicht erfolgen kann“. Genau das hatte das Nürnberger Gericht in seinem Urteil aber angenommen.

Blutspuren an ganz anderer Stelle

Ein weiterer Gutachter wies 2014 – also fünf Jahre nach dem Vorfall – im Waldboden massive Blutspuren nach, aber an einer anderen Stelle, als das Gericht glaubte. Die Kripo hatte möglicherweise den falschen Tatort angegeben. Von einem „fehlerhaft durchgeführten Ersten Angriff durch die Ermittlungsbehörden am 09.01.2009“ ist in dem Wiederaufnahmeantrag die Rede. Der neue Tatort mit der Blutspur würde nicht nur zum Verletzungsmuster an Gesicht und Hinterkopf der Getöteten passen, sondern zu den Aussagen des Verurteilten: Dort stehen Birken, in deren Kronen sich herabfallende Äste der gefällten Eiche durchaus verfangen haben können.

Nach Überzeugung eines Gutachters „wurde der Tod der Verstorbenen durch einen umstürzenden Birkenstamm verursacht“, schreibt er. Das lasse sich „an Hand neuer Spuren und den bereits vorhandenen aber übersehenen Beweismitteln nachweisen. Allein schon die Möglichkeit, dass auch die umgestürzten Birken unfallursächlich sein könnten, hat das Landgericht verkannt.“

„Die Fakten legen nahe, dass unser Mandant unschuldig ist“, sagt Paulsen in Würzburg. „Unser Ziel ist eine Wiederaufnahme mit einem Freispruch“, ergänzt Norman Jacob junior nach Präsentation der Fakten.

 
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