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MÜNCHEN
Vor Gericht das Gesicht zeigen
Burka       -  Vollverschleierte Frauen bei einer Kundgebung in Offenbach
Foto: Boris Roessler, dpa | Vollverschleierte Frauen bei einer Kundgebung in Offenbach
Uli Bachmeier
Uli Bachmeier
 |  aktualisiert: 30.06.2016 04:13 Uhr

Das von der Staatsregierung geforderte Verbot jeder Art von Gesichtsverschleierung im Gerichtssaal ist kein erster Schritt hin zu einem generellen Burka-Verbot. Das beteuerten Bayerns Justizminister Winfried Bausback und Staatskanzleichef Marcel Huber (beide CSU) am Dienstag mehrfach.

„Es geht nicht um persönliche oder religiöse Überzeugungen. Es geht uns ausschließlich um die ordnungsgemäße Durchführung von Gerichtsverfahren“, betonte der Staatskanzleichef nach der Sitzung des Kabinetts in München.

Ganz so abwegig waren die Mutmaßungen freilich nicht, dass die CSU weitergehende Regelungen im Sinn hat. Die Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot vollständiger Verschleierung hat die Partei erst vergangenen November auf einem Parteitag beschlossen. Doch sie ist, wie Bausback und Huber versicherten, am Dienstag nicht Gegenstand der Kabinettssitzung gewesen. Es ging lediglich um die Regeln, die in bundesdeutschen Gerichtssälen gelten sollen.

Auslöser der Gesetzesinitiative der Staatsregierung war ein Fall in München. Vor dem dortigen Amtsgericht hatte sich eine Muslima geweigert, ihren Nikab, einen Gesichtsschleier, abzulegen. Nach einigem Hin und Her akzeptierte der Richter schließlich den Wunsch der Frau. Sie durfte in kompletter Verhüllung aussagen, lediglich ihre Augen waren zu sehen. In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht wurde es ihr dann allerdings nicht mehr gestattet, ihr Gesicht vor den anderen Verfahrensbeteiligten zu verhüllen. Es blieb lediglich dem Publikum im Gerichtssaal verborgen.

Der offenbar bestehenden Rechtsunsicherheit, wie in solchen Fällen zu verfahren sei, will die Staatsregierung nun ein Ende bereiten.

Über eine Bundesratsinitiative soll der Gesetzgeber aufgefordert werden, ein Verbot der Verschleierung des Gesichts im Gerichtssaal gesetzlich festzuschreiben. Dies sei aber, so betonte Huber, ausdrücklich kein Burka-Verbot. Es soll genauso für jede andere Art der Verhüllung des Gesichts gelten.

Bausback erklärte: „Für mich steht außer Frage: Wer etwa als Zeuge vor Gericht geladen ist, soll dem Richter bei seiner Aussage in aller Regel auch sein Gesicht zeigen müssen, damit der Richter entscheiden kann, ob er dem Zeugen glaubt oder nicht.“ Nach Auffassung des Justizministers „kommt es nicht nur darauf an, was ein Zeuge sagt, sondern auch wie er es sagt: Wird der Zeuge rot im Gesicht? Zuckt der Zeuge bei einer Frage zusammen? Hat er Schweißperlen auf der Stirn?“ All dies könne wichtig sein, um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen, sagte Bausback.

Eine rechtliche Regelung ist nach Ansicht der Staatsregierung notwendig, weil es bisher keine spezielle Kleidordnung für Angeklagte, Zeugen oder Beteiligte in Zivilverfahren gibt. Lediglich Richter, Staats- und Rechtsanwälte müssen Roben tragen.

Was er im Gerichtssaal gestattet, liegt im Ermessen des Richters. Er hätte zwar, so Bausback, schon nach geltendem Recht die Möglichkeit, die Abnahme eines Gesichtsschleiers im Einzelfall anzuordnen. Ihm gehe es aber darum, für die Gerichte wie für die Betroffenen Gewissheit herzustellen. Bausback sagte: „Es geht hier um eine für den Rechtsstaat ganz wesentliche Frage, der der demokratisch legitimierte Gesetzgeber nicht ausweichen sollte.“ Deshalb brauche es eine „klare und handhabbare Regelung“.

 
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  • uwe.luz@t-online.de
    Nach der ständigen Rechtsprechung der Strafsenate beim Bundesgerichtshof müssen Gerichte die Regeln der Glaubwürdigkeits- und Beweislehre beachten, weil sie sonst die Überzeugungsbildung, die für jedes gerichtliche Urteil (auch in Zivilsachen) erforderlich ist, im Urteil nicht belastbar begründen können. Dazu muss man als Richter/in das konkrete Verhalten des Zeugen/der Zeugin bei seiner/ihrer Einvernahme berücksichtigen, weil sich auch daraus anhand von wissenschaftlich fundierten Glaubhaftigkeitskriterien wesentliche Rückschlüsse ergeben können. Der Rechtsstaat ist hierauf angewiesen. Dass nach einer jüngst durchgeführten, repräsentativen Umfrage 48 % der in Deutschland lebenden Türken den Koran vor das Grundgesetz stellen, darf insoweit kein Kriterium sein. Der Vorstoß der Bayerischen Staatsregierung ist daher kein Populismus, sondern eine Initiative zur Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien. Wenn wir auf den Rechtsstaat nicht mehr vertrauen können, geht es bachab!
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  • tagblatt_leser
    Es ist aber auch zu beachten, dass in anderen Bereichen unseres Rechtsstaats Gegenübersitzende ihr "Gesicht zeigen" müssen.

    Ich denke nur an die Betriebs- und Steuerfahndungsprüfungen der Finanzverwaltung. Jeder erfahrene Prüfer hat einen Blick dafür, ob die Äußerungen des/der Steuerpflichtigen "zutreffend" sein können. Damit ich nicht missverstanden werde: es ist nicht die Aufgabe der Prüfungsdienste, den/die Steuerpflichtigen von vornherein zu "kriminalisieren". Es gehört aber zu einer "normalen" Ermittlungstätigkeit, sich mit den Angaben der Gegenseite auseinander zu setzen.
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  • SigismundRuestig
    Nur ganz Bayern? Nein, ganz Deutschland!
    Kann man den Spalter und AfD-"Promotor" noch ernst nehmen? Die Wähler tun das nicht mehr und laufen in Scharen davon!
    Keiner kann Populismus besser als die CSU mit ihren Alpenpopulisten (gestern: Stoiber, heute: Seehofer, morgen: Söder? Oder doch wieder Seehofer?)!

    "Wenn erklingt: wer betrügt, der fliegt,
    tipp ich resigniert: Populismus siegt."

    http://youtu.be/sBom50KrkBk
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