Günter Wolf ist untrennbar verbunden mit dem Höhenflug der Würzburger Wasserballer in den 70er Jahren, als der SV 05 fünfmal deutscher Meister wurde. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München (Vierter) und 1976 in Montreal (Sechster) war Wolf eine der Stützen der deutschen Nationalmannschaft, für die er insgesamt 131 Einsätze absolvierte. Nach seiner Karriere war er von 1983 bis 1998 Trainer der Bundesliga-Mannschaft. Seit 1976 ist Günter Wolf am Johann-Schöner-Gymnasium Lehrer für Physik und Mathematik. Der 63-jährige Studiendirektor ist verheiratet und hat vier Kinder, er lebt in Hettstadt (Lkr. Würzburg). Noch heute spielt Günter Wolf Wasserball – und zwar in einer Traditionsmannschaft aus ehemaligen Nationalspielern, die regelmäßig an internationalen Masters-Turnieren teilnimmt. Im Interview spricht er über seine Erlebnisse bei den Olympischen Spielen vor 40 Jahren in München, über das Attentat und sportliche Werte: „Trotz aller Skandale um Doping oder Machenschaften im IOC würde ich die Idee von Olympia niemals aufgeben wollen.“
Günter Wolf: Was mir sofort in Erinnerung kommt, ist diese Begeisterung, mit der ganz München diese Olympischen Spiele gelebt hat. Du musstest nur deinen Trainingskittel anhaben, schon wurdest du von wildfremden Menschen zu einem Bier eingeladen. Es war eine ganz wunderbare Stimmung in der Stadt.
Wolf: Ja, der Spirit in der Stadt war unschlagbar. Olympia war etwas ganz Besonderes, eine Region stand voll dahinter. Schon vier Jahre später in Montreal war das ganz anders, viel nüchterner.
Wolf: Es ist schon so, dass du in den Wochen davor nur noch an den Sport denkst. Du konzentrierst dich ausschließlich aufs Spiel. Allerdings hatten wir das Glück, dass unser Turnier bereits in der ersten Woche stattfand, so hatten wir Zeit, den Rest der Spiele wirklich zu genießen. Es war ein irres Gefühl nach unserem letzten Spiel, eine Last fiel ab, ich war wie befreit.
Wolf: Ich war damals in der Endphase meines Studiums, aber Olympia war mein großer Traum. Wir wurden 1971 für acht Monate freigestellt. Spieler mit Beruf und Familie bekamen einen Verdienstausfall, ich als Student erhielt den BAföG-Höchstsatz von damals rund 500 Mark. Finanziert wurde das über die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Das war schon ein Sprung über den Schatten der bisherigen Sportförderung und nur möglich, weil Olympia im eigenen Land stattfand. Ich war praktisch ein Jahr Profi, trainiert wurde, aufgeteilt in zwei Zentren, in Würzburg und Hamm.
Wolf: Nie. Im Gegenteil: Es hat sich gelohnt. So etwas muss man als Sportler auch mal machen, wenn man ein großes Ziel hat. Ich bin kaum ein Jahr später mit dem Studium fertig geworden, mein Gott, davon ging die Welt nicht unter.
Wolf: Ja, absolut. Ich fühle mich dazugehörig und ich freue mich, wenn junge Sportlerinnen wie meine ehemalige Schülerin Fabienne Kohlmann es als Läuferin jetzt nach London geschafft hat. Trotz aller Skandale um Doping oder Machenschaften im IOC würde ich die Idee von Olympia niemals aufgeben wollen. Nichts ist so völkerverbindend wie der Sport. Wo kommen sonst so viele Menschen in friedlicher Absicht zusammen? Überspitzt ausgedrückt: Sport lässt sie einen geordneten Kampf führen. Mannschaftssportarten wie Wasserball sind ja nichts anderes als eine durch Regeln geordnete Rauferei.
Wolf: Ja, dezente Erwartungen in diese Richtung wurden in Mannschaftssitzungen an uns herangetragen. Das war aber eher so nach dem Motto: 'Deutschland steht im Schaufenster, also betragt euch!'
Wolf: Ja. Schlagartig war die schöne Stimmung vorbei. Nach unserem Turnier haben wir Wasserballer die Nächte zum Tag gemacht. Am Tag es Attentats bin ich also irgendwann morgens ins Olympische Dorf zurückgekommen und war erstaunt über das Polizeiaufgebot. Ich dachte, es hätte vielleicht jemand randaliert, denn es gab keine richtige Absperrung. Sowieso waren die Kontrollen lax. Ich kann mich erinnern, wie die Freundin eines Schwimmers mit dessen Akkreditierung munter in das Dorf spaziert ist. Bis zu einem gewissen Grad war diese Freiheit ja auch gewollt: Nach den Nazi-Spielen von Berlin 1936 sollten es diesmal heitere und freie Spiele sein. Als ich das Ausmaß des Attentats mitbekommen habe, war ich natürlich schockiert.
Wolf: Ja. Das IOC wollte damit auch demonstrieren, dass die Terroristen keine Macht über die Spiele haben, und das war auch ganz im Sinne der Israelis. Ich denke, damit hatten sie recht. Aber die Euphorie war natürlich weg. Ehrlich gesagt hätte ich mir schwer getan, wenn wir nach dem Anschlag noch hätten Wasserball spielen müssen. Auch war ja schon die Angst da, dass noch etwas passieren könnte. Ich habe im Dorf den Ringer Wilfried Dietrich getroffen, den 'Kran von Schifferstadt'. Er ist aus diesen Gründen vorzeitig abgereist.
Wolf: Die Rückkehr nach Würzburg war wie die Reise in ein anderes Leben. Ich habe mich wieder in das Studium gestürzt und Tag und Nacht gelernt. Ich fand es gut, wieder etwas für den Kopf zu machen. Das hatte mir gefehlt. Wasserball-Profi etwa in Italien zu werden, wo es gutes Geld zu verdienen gab, war nie eine wirkliche Option für mich.
Wolf: Sport ist tatsächlich ein Lehrer. Er lehrt dich, dass ständiges Üben sehr wichtig ist. Wenn du in einem Bereich gut bist, wirst du bei bayerischen Meisterschaften mitmachen. Wenn du weiter trainierst, wirst du es zu deutschen Meisterschaften schaffen. Aber dann bist du international noch immer nichts. Um es ganz nach oben zu schaffen, braucht es Ehrgeiz, Willen, Leidenschaft und keine Angst vor großen Namen. Angst bringt dich nicht weiter. Wichtig ist auch ein gewisses Maß an Selbstreflexion: Fehler zu erkennen, zu analysieren und im Training an den Schwächen zu arbeiten, das ist elementar. Vor allem Mannschaftssport lehrt dich aber auch, wie du in einer Menschengruppe teils unter schwierigen Bedingungen zurechtkommst. Bist du in der Niederlage eine Stütze oder musst du gestützt werden? Übernimmst du Verantwortung, wenn es darauf ankommt oder drückst du dich? All das erfährst du im Sport.
Wolf: Wir sprechen von Leistungssport. Aber es macht zufrieden, wenn du eine deiner Fähigkeiten nach und nach so weit steigerst, dass du irgendwann sagen kannst: 'Es gibt auf der Welt nicht viele, die besser sind.' Das gilt im Übrigen nicht nur für den Sport, sondern auch für andere Bereiche wie etwa Kunst oder die Wissenschaft.
Wolf: Natürlich, sehr sogar, auch wenn ich mit den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht zufrieden war. Was die machen, ist lächerlich. Die ARD sollte beispielsweise die Sportschau in Fußballschau umbenennen, denn etwas anderes ist sie nicht. Das soll jedoch in keiner Weise eine Kritik am Fußball sein, sondern nur daran, dass von den Sendern die bunte Vielfalt des Sports nicht mehr abgebildet wird. Der Informationsauftrag wird nicht ernst genommen.
Wolf: Ja, doch, das würde ich sagen. Das emotionalste Ereignis meiner Karriere war allerdings die erste deutsche Meisterschaft im Wasserball mit dem SV 05 Würzburg im Jahr 1970.
Mainfranken bei Olympia 1972
SCHWIMMEN
Dusan Grozaj: Der gebürtige Slowake startete für den SV 05 Würzburg, er wurde 13. über 1500 m Freistil. 1984 wurde Grozaj im Alter von nur 34 Jahren tot aufgefunden.
Andreas Hellmann (60): Während seines Medizinstudiums schwamm er für den SV 05. Bei Olympia startete er über 100 m Brust. Der mehrfache deutsche Meister ist Lungenfacharzt und lebt in Augsburg.
Kersten Meier: Er war Mitglied der 4-x-100-m-Freistilstaffel und schwamm für den SV 05. Im Jahre 2001 beging der Unternehmensberater in Düsseldorf im Alter von 47 Jahren Suizid.
Peter Rosenkranz (59): Der Nullfünfer startete in München über 400 m und 1500 m Freistil. Heute lebt er als Apotheker in Bensheim zwischen Mannheim und Darmstadt.
Barbara Schwarzfeldt: Sie kam aus Krefeld und schwamm in den 70er Jahren für den SV 05. Bei Olympia '72 startete sie als 15-Jährige über 800 m Freistil. Danach verliert sich ihre Spur, Trainer und ehemalige Teamkollegen haben keinen Kontakt mehr.
Reinhart Siewert (74): Der Nullfünfer war selbst ein glänzender Schwimmer, als Trainer betreute er Athleten bei drei Olympischen Spielen (1968, 1972 und 1976) und machte später beruflich beim Würzburger Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer Karriere, bei dem er bis zum Vorstandsvorsitzenden aufstieg.
WASSERBALL
Gerd Olbert (63): Der gebürtige Mannheimer spielte von 1969 bis 1974 für den SV 05 Würzburg als Torhüter. Er absolvierte 100 Länderspiele. Beruflich arbeitete er bis 2009 in Lörrach als Bankdirektor.
Kurt Schuhmann (64): Nach 1968 waren München die zweiten Olympischen Spiele des Würzburgers und 100-fachen Nationalspielers. Er arbeitet als Geschäftsführer des Funkhauses Würzburg und ist Vizepräsident des SV 05. Günter Wolf (63): siehe Interview.
FECHTEN
Katrin Rutz-Gießelmann (Jahrgang 1948): Die Tauberbischofsheimerin erreichte in München mit der deutschen Frauenflorett-Mannschaft den fünften Platz und kam vier Jahre später bei den Spielen in Montreal mit dem Team auf den vierten Rang. Ihren größten sportlichen Erfolg verbuchte sie 1977 bei den Weltmeisterschaften in Buenos Aires mit der Silbermedaille im Mannschaftswettbewerb.
Jürgen Hehn: Der Sportler wurde 1944 in Lauda geboren und ist dem Fecht-Club Tauberbischofsheim auch heute noch als Arzt eng verbunden. Nach der Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 feierte er seinen größten Einzelerfolg bei Olympia 1976 in Montreal mit der Silbermedaille: Im Finale musste er sich nur seinem Vereinskameraden Alexander Pusch beugen.
Reinhold Behr: Der 1948 in Tauberbischofsheim geborene Fechter schied bei seinen ersten Olympischen Spielen 1972 im Achtelfinale aus. 1976 in Montreal gewann er mit dem Team die Silbermedaille. Reinhold Behr ist heute am Johannes-Butzbach-Gymnasium in Miltenberg als Lehrer tätig und hat auch als Senioren-Fechter zahlreiche Titel gewonnen. Harald Hein: Der 1950 in Tauberbischofsheim geborene Fechter stand nach München bei den Spielen 1976 in Montreal mit seinen Vereinskameraden Matthias Behr und Thomas Bach in jener deutschen Florett-Equipe, die Gold gewann. Nach längerer Krankheit starb er am 20. Mai 2008 in seiner Heimatstadt.
HANDBALL
Josef Karrer (73): Der Großwallstadter war Mitglied des deutschen Hallenhandballteams, das nach einer verpatzten Zwischenrunde Sechster wurde. Karrer hatte den Status eines Feldhandball-Idols. Im Freien holte er sich mit dem deutschen Team 1966 den Weltmeistertitel in einer einst populären und heute fast von der Bildfläche verschwundenen Sportart.
MILITARY (heute: Vielseitigkeitsreiten)
Kurt Mergler (78): Der Sulzheimer nahm 1972 als Ersatzreiter mit der Military-Mannschaft an der Olympia teil. Mit der Mannschaft wurde er Europameister 1973 in Kiew. Mergler lebt mit seiner Frau Ingrid auf einem Hof in Sulzheim im Landkreis Schweinfurt.
RINGEN
Gerhard Weißenberger (60): Der Kleinostheimer wurde 1972 bei seiner ersten Olympiateilnahme nach zwei Siegen Achter im Federgewicht im freien Stil. Der vielfache deutsche Meister war Trainer des Bundesligisten AC Bavaria Goldbach wurde mit diesem Team mehrfach deutscher Mannschaftsmeister und fungiert heute als hessischer Landestrainer.
BOGENSCHIESSEN
Siegfried Ortmann (75): Der für die Königlich Privaten Freihandschützen Bad Kissingen startende Bogenschütze beendete den olympischen Wettkampf 1972 auf Rang 14.