Oft sind es die kleinen Dinge, die auf größere Unterschiede der politischen Praxis hinweisen. Bei der Brüssel-Reise des SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Bayern, Christian Ude, ist es unter anderem das gedruckte Programm. Während zum Beispiel die Staatskanzlei bei Delegationsreisen stets kleine gebundene Heftchen mit allen Programmpunkten, Adressen und Teilnehmern verteilt, begnügt sich Ude mit einem Blatt Papier. Dieses Papier aber hat es in sich.
Anders als Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) dies für gewöhnlich macht, ließ sein Herausforderer darauf im Detail festhalten, worüber er mit den Herren der EU-Kommission in Brüssel zu sprechen beabsichtigt. „Ich kenne das von meinen vielen Treffen mit Generalkonsulen“, sagt Ude, „wenn Sie da die Themen nicht konkret benennen, ist hinterher nur von einer erfreulichen Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen die Rede“. Das ist ihm, wie er sagt, nicht genug.
Nach einem Gespräch mit EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia bekräftigte Ude zunächst seine harsche Kritik an der Rolle des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU) im Streit um den Verkauf der Landesbankanteile an der Wohnungsgesellschaft GBW. Während seiner zweitägigen Brüssel-Reise sollte dies allerdings Udes einzige Frontalattacke auf den politischen Gegner bleiben. In vielen anderen Themen sieht sich der Sozialdemokrat, Münchner Oberbürgermeister und deutsche Städtetagspräsident ganz auf einer Linie mit der CSU – zum Beispiel bei der Abwehr von Privatisierungen in der Trinkwasserversorgung, beim Schutz der deutschen Sparkassen vor einer zu starken Reglementierung durch die EU oder bei dem Bemühen, das Fördergefälle zwischen einzelnen Regionen zu mildern. Letzteres, so Ude, sei insbesondere an der bayerisch-tschechischen Grenze ein Problem, wo tschechische Höchstfördergebiete an bayerische Landkreise grenzen, die keinen Pfennig aus Brüssel bekommen.
Über hochrangige Gesprächspartner kann sich Ude in Brüssel nicht beklagen. Bei der Kommission trifft er innerhalb eines Tages neben Almunia auch Regionalkommissar Johannes Hahn und Martin Häusler, den Kabinettschef von Agrarkommissar Dacian Ciolos, und seinen SPD-Genossen Martin Schulz, den Präsidenten des Europäischen Parlaments. Recht viel mehr könnte auch ein amtierender Ministerpräsident nicht erwarten. Dennoch lassen sich Unterschiede zu offiziellen Staatsbesuchen beobachten. Ude ist ohne Dienstwagen und Fahrer unterwegs, er nutzt Taxis oder geht zu Fuß. Seine Begründung: „Wir sind hier als Vertreter der Bürgergesellschaft. Wir gehören nicht zur Münchner Blaulichttruppe.“ Und in der Bayerischen Vertretung widersteht er der Versuchung, sich im Dienstzimmer des Ministerpräsidenten in Gegenwart von Fotografen schon mal probeweise an den Schreibtisch zu setzen. So etwas mache er nicht, sagt Ude.