Schliersee präsentiert sich trüb am Dienstag um die Mittagszeit: Kühle elf Grad und immer wieder Regen: Am Vorzeigehotel Schlierseer Hof sind die Sonnenschirme zusammengeklappt und die Terrasse leer – wie das eben so ist nach einer Sturmnacht. Dabei ist das eigentliche Unwetter über das Hotel schon am Sonntag hereingebrochen.
Klare Mehrheit gegen Hotel-Neubau in Schliersee
In einem Bürgerentscheid hatte sich eine klare Mehrheit gegen einen Neubau des Hotels, das direkt am See liegt, ausgesprochen. 2115 zu 1656 lautete das Ergebnis und damit war klar: Die Initiatoren der Bürgerinitiative Schlierseer Hof hatten unter dem Motto „Schliersees Schönheit bewahren – kein Megahotel am See“ den Bürgerentscheid in dem 7000-Einwohner-Ort gewonnen. Man sei mit einer Sanierung einverstanden, so die Bürgerinitiative. Man wolle aber keinen Neubau, der das Ortsbild präge und womöglich weitere Investoren anlocke. Das 55-Millionen-Euro-Projekt ist damit versenkt.
In München spricht die für Tourismus zuständige Ministerin Michaela Kaniber (CSU) gegenüber unserer Redaktion von einem „schwierigen Signal für die Branche, weit über den Ort hinaus“. Kaniber: „Gerade in grenznahen Urlaubsregionen braucht es Investitionen in die touristische Wettbewerbsfähigkeit.“ Im Premium-Segment gebe es einen harten Wettbewerb, weil die Ansprüche der Gäste steigen. Gegner von touristischen Großprojekten sollten bedenken, dass vieles in ihren Orten nur möglich sei, weil es den Fremdenverkehr gebe. Ob Wirtschaft oder Wanderweg, Schwimmbad oder Bushaltestelle, vieles lasse sich nur mithilfe des Fremdenverkehrs erhalten.
Viele Arbeitsplätze hängen am Fremdenverkehr
In guten Jahren bringen die Gäste knapp 50 Milliarden Euro Umsatz nach Bayern, mehr als eine halbe Million Jobs hängt am Fremdenverkehr. Fast die Hälfte der mehr als 40 Millionen Gäste im Jahr fährt nach den Zahlen des Ministeriums nach Oberbayern, Schwaben und das Allgäu liegen mit 15 Prozent auf Platz zwei. Von der Coronadelle erholte sich die Branche vergangenes Jahr gut, in diesem Jahr werden ähnliche Zahlen erwartet.
Kaniber sieht die Zukunft in einem Premium-Tourismus, der Einheimischen wie Fremden nutzt und hochwertige Angebote mit der Bewahrung der Natur verbindet. „Wenn sich Gäste und Einheimische wohlfühlen, bringt Tourismus auch für beide Seiten einen echten Mehrwert.“ In der Praxis können die Interessen aber hart aufeinanderprallen, wie nicht nur das Beispiel Schliersee zeigt. Am Chiemsee gibt es Widerstand gegen ein Hotelprojekt im Landschaftsschutzgebiet, in Oberstaufen im Allgäu schlägt ein Bauvorhaben auf dem Schlossberg hohe Wellen. Dort soll die Hotelkette „Marriott“ anstelle einer früheren Krebsklinik ein Haus betreiben, dessen Dimensionen die Einheimischen auf die Barrikaden trieb. Inzwischen sind die Pläne reduziert, endgültig genehmigt ist der Bau aber bisher nicht.
Der Trend gehe zu größeren Hotels
In den Augen von Bernhard Joachim, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Allgäu/Bayerisch-Schwaben, ist der Trend zu größeren Hotels kaum aufzuhalten. Die Häuser bräuchten eine gewisse Größe, um wirtschaftlich zu sein. Hinzu kommen die Ansprüche der Gäste: größere Zimmer, Wellness, Badelandschaften. Joachim: „Das erwartet der Gast, aber das braucht Platz.“ Die Hotels müssten investieren, um das ganze Jahr über attraktiv zu sein und mit Fernreisezielen mithalten zu können.
Dass im Allgäu dieser Winter trotz eher mäßiger Wintersportbedingungen noch ordentlich gelaufen sei, ist laut Joachim ein Verdienst der guten Angebote auch abseits der Piste. Inzwischen seien im Winter unter den Übernachtungsgästen nur noch 30 Prozent Skifahrer. 60 Prozent der Gäste kommen inzwischen ohnehin im Sommer ins Allgäu und die Branche ist für die nächsten Monate wieder sehr optimistisch. Dass das Allgäu oder Oberbayern mehr Übernachtungsgäste haben, als ihnen guttut, glaubt Joachim nicht. „Wir leben an den Alpen und nicht in den Alpen und haben deshalb einen sehr hohen Anteil an Tagesgästen.“ Im Winter seien an den Liften bis zu 70 Prozent der Kundschaft nur für einen Tag in die Berge gefahren.
Diese Probleme bereitet der Tourismus in Bayern
Auch Ministerin Kaniber sieht nur punktuelle Probleme: „Was wir erleben, ist eine Überlastung an wenigen touristischen Hotspots wie Neuschwanstein oder dem Königssee. Aber auch hier nur an einigen Tagen in der jeweiligen Hochsaison.“ Dass es da zu Frust komme, sei klar. Aber mit einer digitalen Besucherlenkung, die insbesondere frühzeitig auf überfüllte Parkplätze und Anfahrtswege hinweist, könne man gegensteuern.
Für den Tourismus-Hotspot Schliersee gibt es derartige Angebote bereits. Ob es den Schlierseer Hof dagegen weiter geben wird, ist ungewiss. Eine Sanierung rechne sich nicht und werde deshalb von der Bank nicht finanziert, sagte Hotelier Marcel de Alwis schon vor dem Entscheid. Bei einer Niederlage sehe er keine Perspektive für den weiteren Betrieb.