Immer wieder müssen Flugzeuge Treibstoff ablassen, um in kritischen Situationen ihr Gewicht zu verringern und landen zu können. 28 Fälle dieser Art wurden in Bayern seit 2012 gemeldet. Und dabei wird tonnenweise Kerosin in die Luft gepumpt.
Allein in den Jahren 2015 und 2016 wurden 410,5 Tonnen Treibstoff über dem Freistaat abgelassen – mehr als in jedem anderen Bundesland. Bezieht man die Zahlen auf die vergangenen fünf Jahre, liegt Bayern auf Platz zwei – hinter Rheinland-Pfalz. Diese Zahlen hat die Bayerische Staatsregierung auf Anfrage von SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher herausgegeben. Und Rinderspacher ist der Meinung, dass sich bei diesem Thema einiges verändern muss.
Ablassen von Kerosin nur im Notfall gestattet
Die technische Möglichkeit, Kerosin abzulassen, haben nur vierstrahlige Langstreckenflugzeuge, erklärt Markus Wahl, Sprecher der Vereinigung Cockpit. Gestattet ist sie nur im Notfall – wenn ein Flugzeug nach dem Start in Schwierigkeiten gerät und landen muss oder wenn ein Passagier einen Herzinfarkt hat. Den „Treibstoffschnellablass“ muss der Pilot bei der Flugsicherung anmelden. Diese weist ihm ein großflächiges Gebiet zu, über dem er das tun kann. „Das sind Ausnahmen“, erklärt Wahl. Fälle, die im Laufe einer 30-jährigen Pilotenlaufbahn „vielleicht fünf oder sechs Mal vorkommen“.
Warum es gerade über Bayern so viele Fälle gibt, in denen Kerosin abgelassen wurde? Sandra Teleski, Sprecherin der Deutschen Flugsicherung (DFS), erklärt das mit den beiden großen Großflughäfen in München und Frankfurt, wo viele Langstreckenmaschinen landen. Bestimmte Regionen im Freistaat, über denen der Treibstoff abgelassen werde, gebe es nicht. Die Flugsicherung schickt die Piloten in Gegenden, die dünn besiedelt sind und in denen wenig Flugverkehr herrscht.
Welche Folgen für Mensch und Umwelt?
Doch was bedeutet es, wenn Treibstoff in einer Höhe von 1800 Metern in der Luft landet? Welche Folgen hat das Kerosin für Mensch und Umwelt? Die Staatsregierung betont, dass „keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die bayerische Bevölkerung“ bekannt seien.
Die Bundesregierung kommt in ihrem Papier zu dem Schluss, dass „das Kerosin mit Hochleistungspumpen in kleinste Tröpfchen verwirbelt und von den Turbulenzen hinter dem Flugzeug zu einem feinen Nebel verteilt wird“. Der „weitaus größte Teil des Nebels“ verdunste in höheren Luftschichten und verbleibe in der Atmosphäre. Rein rechnerisch dürften demnach acht Prozent der insgesamt abgelassenen Kerosinmenge den Erdboden erreichen. Kritiker verweisen allerdings darauf, dass durchaus feinste Kerosintröpfchen den Boden erreichen können – etwa, wenn die Flugzeuge niedriger fliegen oder es stark regnet. Wie man weiß, sind Mineralölkohlenwasserstoffe im Kerosin - zumindest hoch konzentriert - giftig.
Studie über gesundheitliche Risiken überfällig
Eine Untersuchung des Tüv Rheinland hält die Kerosinbelastung am Boden dagegen für vernachlässigbar. Die Studie stammt allerdings aus dem Jahr 1997. Der bayerischen SPD reichen diese Informationen nicht. Fraktionschef Rinderspacher fordert daher ein „transparentes Informationsmanagement des zivilen und militärischen Luftverkehrs und ein Messnetz, das funktioniert“. Zudem sei eine Studie über die gesundheitlichen Risiken überfällig, da es keine validen Daten über die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt gebe.
Zu diesem Schluss sind auch die Umweltminister der Länder gekommen. Anfang Mai haben sie auf ihrer Konferenz ein neues Gutachten zum Thema beschlossen. Die Ergebnisse sollen Ende 2018 vorliegen. Der Anstoß dafür kam aus Mainz. Denn in der Pfalz ist der Kerosinregen seit Jahren ein viel diskutiertes Thema. Dort macht man vor allem den militärischen Flugverkehr für das Problem verantwortlich.