Der bekannte und erfahrene Allgäuer Bergsteiger Luis Stitzinger galt seit vergangenen Donnerstag im Himalaya als vermisst. Am Dienstagabend deutscher Zeit wurde bekannt, dass ein Sherpa-Suchtrupp die Leiche des Füsseners auf rund 8400 Metern Höhe gefunden hat. Seine Ehefrau, die bekannte Bergsteigerin Alix von Melle, verabschiedet sich jetzt in einem persönlichen Post auf Instagram und Facebook von ihrem Mann: "Lieber Luis, die Berge waren Dein und unser Leben. Der Kangchendzönga Dein ganz großer Lebenstraum, den Du Dir noch so gerne erfüllen wolltest", schreibt sie. "Deine Augen haben vor Begeisterung geglänzt, wenn Du von ihm gesprochen hast."
25 Jahre lang waren Alix von Melle und der Allgäuer Extrembergsteiger ein Paar. Diese Jahre seien die besten ihres Lebens gewesen, schreibt seine Frau, die ursprünglich aus Hamburg stammt. "In tiefer Liebe, Dankbarkeit und unendlicher Trauer" nimmt sie Abschied von ihrem Partner, mit dem sie so viele Berge bewältigte, und schließt mit den Worten: "Wir hatten doch noch so viele Träume, die wir uns erfüllen wollten…"
Auch unter Bergsteigerinnen und Bergsteigern im Allgäu ist die Fassungslosigkeit groß - wie unter allen Menschen, die den in Füssen sein Leben lang verwurzelten Luis Stitzinger kannten.
Die Leiche des Bergsteigers werde nun nach unten gebracht, hieß es am Dienstag von Stitzingers Expeditionsveranstalter, den der gut informierte Blog Abenteuer Berg zitiert. Der Füssener Extremsportler war zuletzt am dritthöchsten Berg der Welt, dem Kangchendzönga an der Grenze zwischen Indien und Nepal, unterwegs und galt seit Donnerstag als vermisst. Das Sherpa-Team suchte seit Montag nach Stitzinger. Zuvor hatten die bergerfahrenen Einheimischen wegen des schlechten Wetters tagelang nicht mit dem Aufstieg beginnen können.
Der Szene-Blog Abenteuer Bergberichtete, dass der Allgäuer den Gipfel des 8586 Meter hohen Berges am Donnerstag gegen 17 Uhr erreichte. Der 54-Jährige stieg demnach ohne Flaschensauerstoff auf und hatte seine Ski dabei, weil er plante, den Berg soweit möglich hinunterzufahren. Den letzten Kontakt zum Basislager habe es um 21 Uhr gegeben, wie der Blog unter Berufung auf Stitzingers Ehefrau berichtete. Stitzinger wurde zuletzt auf rund 8500 Metern von einem einheimischen Bergsteiger gesehen. Sein GPS-Gerät habe schon während des Aufstiegs aufgehört, Signale zu senden, erklärte ein Mitarbeiter der Expeditionsfirma.
Experte: "Fünf Tage in dieser Höhe auszuhalten ist ganz schwierig"
"Es braucht ein ganz, ganz großes Wunder": So schätzte der Marktoberdorfer Extrem-Bergsteiger Rainer Pircher noch am Dienstagnachmittag die Suche nach seinem Kollegen Luis Stitzinger ein. Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich dann am frühen Abend.
Auch wenn Stitzinger unverletzt geblieben wäre, sagte Pircher, sei allein schon die Höhe ein Grund, der wenig Hoffnung macht. "Fünf Tage in dieser Höhe auszuhalten ist ganz schwierig." Komme dann noch eine Verletzung wie ein Beinbruch hinzu, werde es noch viel schwieriger. Ob Stitzinger sich beim Abstieg verletzte, ist bislang nicht bekannt.
Bergsteiger Luis Stitzinger wollte spektakuläre Abfahrt wagen
Luis Stitzinger hat sich unter Kennern vor allem wegen seiner spektakulären Skiabfahrten einen Namen gemacht. In den Allgäuer und Lechtaler Alpen befuhr er viele steile Wände und Rinnen, was so bisher niemand außer ihm getan hatte. Besonderes Aufsehen erregten seine Ski-Abenteuer an sieben Achttausender-Bergen. Auch am Kangchendzönga wollte der gebürtige Füssener eine Abfahrt wagen, die so noch keiner versucht hatte. Das erzählte Stitzinger unserer Redaktion noch vor wenigen Wochen.
Die Idee, zum dritthöchsten Berg der Welt zu reisen, war entstanden, nachdem sich eine Expedition zum Mount Everest für ihn zerschlagen hatte. Auf dem Gipfel des höchsten Berges der Erde stand Stitzinger erstmals 2019 und war seitdem zwei weitere Male dort. Im großen Unterschied zur jetzigen Unternehmung trug Stitzinger dabei eine Sauerstoffmaske. Aus Bergsteiger-Ethos verzichtete er diesmal darauf. Die Inanspruchnahme eines solchen Hilfsmittels gilt unter Alpinisten als "unsauber". Ebenso verzichtete der Allgäuer am Berg auch auf Hilfe von Sherpas. Fachleute bezeichnen diese Form des Bergsteigens als „Alpenstil“.
Luis Stitzinger stammte aus einer sehr bergaffinen Familie. Sein Vater Volker war ebenfalls ein geachteter Bergführer. Seine Frau und er galten als erfolgreichstes deutsches Bergsteiger-Ehepaar und reisten auf Vorträgen durch die ganze Republik. Zusammen veröffentlichten sie auch das Buch "Leidenschaft fürs Leben: Gemeinsam auf die höchsten Berge der Welt". In der Beschreibung dazu heißt es: "Oft stellt die Sorge umeinander die Beziehung auf die Probe." Jetzt war alle Hoffnung vergebens. (mit sih)