Werden im schwäbischen Kernkraftwerk Gundremmingen (Landkreis Günzburg) wichtige Sicherheitsüberprüfungen nicht durchgeführt, obwohl sie vorgeschrieben sind? Die schon seit mehreren Jahren bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung über die Frage, ob das sogenannte Sumpfsiebproblem endgültig gelöst ist und die beiden Reaktortypen allen vorgeschriebenen Sicherheitsauflagen genügen, halten unvermindert an.
Das geht aus einer Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der baden-württembergischen Grünen-Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Umwelt-Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) weist in dem Schreiben zwar darauf hin, dass „aus Sicht der Landesbehörde und des Sachverständigen der Landesatomaufsicht keine Nachweise hinsichtlich der Sumpfsiebthematik im Kernkraftwerk Gundremmingen“ ausstehen. Soll heißen, Bayern betrachte das Problem als gelöst. Damit aber will sich der Bund nicht zufrieden geben. Er bat daher die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit um eine Stellungnahme. Für die Bundesregierung stehe „eine sorgfältige fachliche Prüfung an erster Stelle“.
Zum Hintergrund: 1992 gab es in dem schwedischen Atomkraftwerk Barsebäck, einem Siedewasserreaktor wie Gundremmingen, ein akutes Problem: Im Notkühlsystem verstopften die Ansaugsiebe durch das Isoliermaterial der Kühlleitungen. Dies hatte zur Folge, dass die Notkühlung nur noch eingeschränkt funktionierte. Schon damals war klar, dass dieses Problem auch bei deutschen Kernkraftwerken auftreten könnte. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellte die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zwischen 1992 und 2007 mehrfach Empfehlungen, wie mit dem Problem umzugehen sei und sprach sich 2011 dafür aus, auch die deutschen Siedewasserreaktoren nachzurüsten. Für jedes Atomkraftwerk musste der Nachweis erbracht werden, dass das Problem beherrscht werde. Wie mehrere parlamentarische Anfragen von Sylvia Kotting-Uhl beim Bundesumweltministerium ergaben, blieb die bayerische Atomaufsicht im Falle von Gundremmingen allerdings untätig, Anfragen des Umweltministeriums 2012, 2013 und 2014 ergaben, dass die vorgeschriebenen Arbeiten zur Umrüstung „noch nicht abgeschlossen“ seien, einen konkreten Zeitplan gebe es nicht. Die bayerische Atomaufsicht verwies in einem Schreiben vom 21. Januar 2014 darauf, dass es im Kernkraftwerk Gundremmingen „große Reserven im Hinblick auf die Kernkühlung“ gebe, welche die „vorhandenen Unsicherheiten abdecken“.
Sylvia Kotting-Uhl übt massive Kritik an der bayerischen Atomaufsicht. Obwohl das Problem seit Jahren bekannt sei und das Bundesumweltministerium mehrfach auf eine Erledigung gedrängt habe, sei noch immer unklar, ob die vorgeschriebenen Nachweise vollständig vorliegen, sagte sie gegenüber unserer Zeitung.
„Ein weiteres Jahr ohne erkennbaren Fortschritt. Die bayerische Aufsicht sagt, das Problem sei gelöst, der Bund kann diese Behauptung aber nicht bestätigen.“ Und das bei einem Problem, das seit 1992 bekannt sei und das bei einem Atomkraftwerk, „dessen Notkühlsystem noch ganz andere Defizite hat“. Dieser Vorgang zeige, „dass bei der bayerischen Atomaufsicht etwas faul ist“, so Kotting-Uhl. „Mit Gundremmingen muss endlich reiner Tisch gemacht werden, es geht schließlich nicht um eine Pommes-Bude.“