Zur Kindheit gehört das Spielen wie das Badengehen zum Sommer. Dabei sieht das Spielzeug, mit dem sich Kinder heute die Zeit vertreiben, ganz anders aus als jenes, mit dem sich noch deren Eltern oder Großeltern beschäftigt haben. Puppen, Kuscheltiere und Spielfiguren haben ihr Gesicht gewandelt, genauso wie die Kindheit selbst.
Unter anderem darum geht es in der Ausstellung "Kindsköpfe: 70 Jahre Kindheit in Schwaben", die derzeit auf Schloss Höchstädt im Landkreis Dillingen an der Donau zu sehen ist. In sieben Räumen stellt sie die Lebenswelt von Kindern im Wandel der Zeit dar. Deutlich wird: Neben Holzfiguren und Bauklötzen, Handpuppen und Kinderbüchern, gibt es heute immer mehr digitale Beschäftigungsmöglichkeiten – wie etwa Spielkonsolen oder die bekannte Toniebox, mit der Kinder selbstständig einem Hörbuch lauschen können.
In Kinderzimmern finden sich immer mehr Lizenz- und digitales Spielzeug
Auf den ersten Blick hat sich also viel verändert – das sieht auch der Spielzeugexperte Volker Mehringer so. An der Universität Augsburg befasst er sich mit sozialpädagogischer Forschung. Anders als früher werde heute sehr viel "Lizenzspielzeug" verkauft. Gemeint ist Spielzeug, das sich etwa an Figuren aus Filmen oder Serien wie Paw Patrol oder Peppa Wutz anlehnt. Ein weiterer Trend ist diversesSpielzeug, das die Vielfalt in der Gesellschaft abbilden soll: So hat der Hersteller Mattel im April eine Barbie-Puppe mit Down-Syndrom auf den Markt gebracht.
Doch sieht man genauer hin, fällt auf: Auch im modernen Spielzeug finden sich klassische Spielformen wieder, die bereits seit der Antike bekannt sind – so wie Gesellschafts-, Fantasie- und Rollenspiele. Verändert hätten sich vor allem die Gestaltung und die Vermarktung, so Volker Mehringer. "Da gibt es Moden und Trends, die immer mal wieder wechseln." Das Puzzlen hat zum Beispiel einen altersübergreifenden Aufschwung erlebt, als die Menschen während Corona viel Zeit zu Hause verbrachten. "Da entstand eine so große Nachfrage, dass die Hersteller ernsthafte Probleme bekamen, für Nachschub zu sorgen."
Eine Art von Spielzeug, die sich laut Mehringer heute glücklicherweise kaum mehr in deutschen Kinderzimmern findet, ist Kriegsspielzeug wie Soldaten, Panzer und Kampfjets. "In den 80er Jahren war das noch relativ gängig", erinnert er sich. Wie sehr das Spielen vom gesellschaftlichen und zeithistorischen Kontext geprägt ist, zeigt ein weiteres Beispiel: Während der Französischen Revolution war die Guillotine ein beliebtes und viel verkauftes Spielzeug. "Kinder spielen mal offensichtlich, mal weniger offensichtlich die Welt nach, die sie jeden Tag erleben", erklärt der Fachmann dazu. Kein Wunder also, dass die Kleinen sich heute häufig ein Spielzeug-Handy wünschen. "Das Spielen war schon immer sehr nah am Puls der Zeit."
So könne digitales und analoges Spielen gut Hand in Hand gehen, findet Mehringer. Was das Taktile, das Haptische und das Sich-Bewegen anbelangt, habe das Digitale jedoch aktuell noch das Nachsehen. Aber wer wisse schon, was die Zukunft noch in petto habe? "Wenn mir jemand in den 80ern gesagt hätte, mit was für tollen Computerspielen wir heute spielen können, ich hätte mich wahrscheinlich in meinen DeLorean gesetzt, den Fluxkompensator angeschmissen und wäre in die Zukunft gereist", sagt er in Anlehnung an die Filmreihe "Zurück in die Zukunft".
Volker Mehringer spricht über Spielzeug im Wandel der Zeit
Egal, in welchem Jahrzehnt – Kinder spielen in erster Linie, "weil es ihnen Spaß macht", so Mehringer. Selbst hinter banal wirkenden Spielen wie Verstecken oder Fangen steckt eine Spannungskurve. Dabei dürfe das Wichtigste nicht übersehen werden: "Wo Kinder viel spielen, passiert auch unheimlich viel Entwicklung." Spielen gehe auch mit Bildung einher und mit einem "Hineinwachsen in die Gesellschaft" – dann etwa, wenn Kinder Erwachsene nachahmen und soziales Handeln lernen.
Wäre es da nicht auch für Erwachsene sinnvoll, mehr zu spielen – vielleicht als Ausgleich in der Freizeit? "Man darf sich da nicht täuschen lassen, auch Erwachsene spielen sehr viel", sagt Mehringer dazu. Zum Beispiel bringt Lego bewusst Sets für Erwachsene heraus. Im Heimwerken, im Fußball oder im Basteln stecke ebenfalls viel Spielerisches. Und selbst dem Theater- und Schauspiel liege das Rollen- und Fantasiespiel zugrunde. "Einige treffen sich auch regelmäßig zu einer Rollenspiel-Runde. Sie versetzen sich dann etwa in ein Herr-der-Ringe-Universum und spielen Elben und Orks nach", so der Experte. "Das Spielen macht emotional einfach ganz viel mit einem."
Info: Die interaktive Ausstellung "Kindsköpfe: 70 Jahre Kindheit in Schwaben" auf Schloss Höchstädt hat den 70. Geburtstag des Bezirks Schwaben zum Anlass. Sie kann bis zum 8. Oktober immer dienstags bis sonntags zwischen 9 und 18 Uhr besichtigt werden.