zurück
Augsburg, Illertissen
Spieleautor Knizia: "Wichtig ist der Preis an sich, nicht, wer ihn gewinnt"
Am Sonntag wird das "Spiel des Jahres" gekürt. Ein Illertisser Spieleautor hat den Preis bereits gewonnen: Reiner Knizia. Im Interview spricht er über gute Spiele – und Mathematik.
Dominik Durner
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:09 Uhr

Herr Knizia, Sie haben viele Karrieren durchlebt: Promotion in der Mathematik, dann unter anderem Softwareentwickler und Vorstand eines großen englischen Baufinanzierungsunternehmens. Was wollten Sie als Kind werden?

Reiner Knizia (lacht): Wahrscheinlich Architekt, weil mein Vater Architekt war. Aber das war nie wirklich ein konkreter Wunsch, ich habe mich für viele Sachen interessiert und es einfach auf mich zukommen lassen.

Warum haben Sie sich dann entschieden, sich voll auf die Spiele-Entwicklung zu konzentrieren?

Knizia: Das klingt, als ob man sich separat zum Spiele-Entwickler ausbilden müsste. Ich habe, seit ich denken kann, gerne gespielt, aber man ist am Anfang natürlich nicht so mutig oder abenteuerlustig zu sagen: "Jetzt werde ich Spiele-Erfinder", und so habe ich erst einmal einen "ordentlichen" Beruf gelernt. Letztlich bin ich aber ein Mensch, der lieber eine Sache richtig macht als viele Sachen halb, und habe deshalb irgendwann den Sprung geschafft und gesagt: "Jetzt folge ich meinem Herzen und nicht mehr dem Geld." Das ist das Schöne an unserem Schaffensbereich: Die Entwickler kommen aus vielen verschiedenen Winkeln des Lebens, ich nenne uns immer "bunte Vögel". Viele sind Naturwissenschaftler, weil die so ein Modelldenken haben, das findet sich auch in den Spielen wieder.

Sie selbst haben mittlerweile mehr als 700 Spiele entwickelt. Was ist für Sie ein gutes Spiel?

Knizia: Spiele zu erfinden ist keine Wissenschaft, es gibt nicht die eine Methode. Ich versuche, innovative Spiele zu gestalten, und da muss man die Augen offen halten und sehen: Was ist eigentlich relevant? Dieses Relevante aufzugreifen und dann einen Einstieg zu finden, ist die Herausforderung. Ein "gutes" Spiel ist dann auch Geschmacksache: Was ist gute Schokolade, was ist ein guter Film, was ist ein gutes Buch? Je nachdem, mit wem ich spiele, je nach Atmosphäre spielt man andere Spiele. Will man ein längeres Spiel spielen, auch mal eineinhalb Stunden? Will man einmal kurz spielen, etwas Neues ausprobieren? Es gibt kein "bestes" Spiel.

Gibt es für Sie Merkmale, an denen man ein gutes Spiel trotzdem festmachen kann?

Knizia: Ein paar Kriterien gibt es, glaube ich, schon: Zum Ersten erwarte ich von einem guten Spiel, dass es klare und verständliche Regeln hat. Wenn man die Regeln nicht versteht, dann ist das nicht der Fehler des Spielers. Dann hat sie der Verlag oder der Autor dumm aufgeschrieben, das muss man ganz klar so sagen. Das ist auch ein Qualitätskriterium. Natürlich erwarte ich dann auch, dass ein gutes Spiel ein schönes Material hat. Aber das hat mit dem Spiel nur sekundär zu tun, was primär wichtig ist: Das Spiel soll Spaß machen.

Wie sieht Ihr Alltag als Spieleautor aus?

Knizia: Der ist im Wesentlichen dadurch geprägt und getrieben, dass wir jeden Tag testen. Spiele zu erfinden geht nicht am Reißbrett, man kann den Spielspaß nicht ausrechnen, man muss ihn erleben. Und jeden Tag wird daran gearbeitet, wo es für die Spieletester am Vorabend noch gehakt hat.Die andere Seite ist, über neue Spiele, über die Einstiege nachzudenken. Da hilft meine Erfahrung und vielleicht auch das mathematische Modelldenken, wenn ich einmal einen Einstiegspunkt habe – und der kann von überall herkommen. Dann setze ich mich in Ruhe hin, schließe die Augen und versetze mich in die Spielsituation. Und wenn ich glaube, ich habe etwas, dann kommt der Prototyp - und später dann die Spieletester.

Das heißt, Sie entwickeln Ihre Spiele entlang des Erlebnisses?

Knizia: Ja, denn ganz entscheidend ist auch die Frage, was ich beim Spielen empfinden will, welche Emotionen ich erwarte.

Was genau macht für Sie dann ein Spiel aus, dass es sich auch auf dem Markt durchsetzt? Warum spielen Menschen heute noch "Mensch-ärgere-dich-nicht", "Carcassonne" oder Ihr Spiel "Keltis"?

Knizia: Die Antwort ist vielleicht enttäuschend: Diese Spiele haben aufgrund ihrer Historie oder ihrer ersten Popularität eine große kritische Masse erreicht, und damit wird das weitergetragen. Wenn man es mit einem Spiel nicht schafft, genügend Leute zu erreichen, dann geht dieses Spiel unter. Man muss gesehen werden, dann bleibst du auch im Geschäft und im Spiel.

Am Sonntag wird das "Spiel des Jahres" gekürt. Sie sind zwar in diesem Jahr nicht nominiert, aber haben Sie einen Favoriten?

Knizia: Einen Tipp abzugeben, ist unmöglich. Das ist ein gruppendynamischer Prozess und egal welches Spiel gewinnt, es wird die richtige Entscheidung sein. Es ist auch kein universell gültiges Kriterium: Der Wert eines Preises beziehungsweise der Nominierung ist, Orientierung zu geben. Wichtig ist also der Preis an sich, nicht, wer ihn gewinnt – (lacht) wobei man natürlich dann trotzdem der Gewinner sein will, wenn man schon auf der Liste ist.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Karriere und beruflicher Werdegang
Mathematik
Preise
Reiner Knizia
Spieleentwickler
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen