
Dieses Ende geht unter die Haut: Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) kniet neben dem toten Basem (Mohammed Issa). Der syrische Flüchtling – erschossen von einem fränkischen Hausbesitzer, der ihn beim Einbruch erwischt hat. Kurz zuvor hatte Voss noch überlegt, den Jugendlichen, der durch die Folgen von Krieg und Flucht schwer traumatisiert ist, zu adoptieren.
Der eigentliche Fall, nämlich die Klärung der Frage, wer für den Brandanschlag auf eine Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Flüchtlinge in Bamberg verantwortlich ist, ist da längst zur Nebensache geworden. Hauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) löst ihn instinktiv, fast nebenbei. Ein gieriger Immobilienhai (Hans Brückner) hat einen Neonazi angestiftet, den Brandsatz zu werfen. Dass eine Frau aus Kamerun dabei stirbt, ist eher technischen Gründen denn mörderischer Absicht geschuldet.
Ermittler Voss mimt Flüchtling aus Tschetschenien
Der dritte Franken-„Tatort“ kommt politisch daher. Ermittler Voss, der gerade zurück vom Urlaub bei der Familie im Kaukasus ist, zieht in die GU – als vermeintlicher Flüchtling Erso Maschadow aus Tschetschenien. Schnell gewinnt er Freunde, zum jungen Syrer Basem entwickelt er besondere Nähe.
In diesen Momenten, wenn Basem dem väterlichen Freund seine Fluchtgeschichte erzählt, die Leiden der Familie in Syrien, seine Hoffnung, in Deutschland den geliebten (aber längst gestorbenen, wie der Zuschauer bald weiß) Bruder zu treffen, dann ist dieser „Tatort“, gdreht von Markus Imboden, ganz stark. Auch andere Schicksale werden mit viel Empathie erzählt. Spürbar die Enge, in der die Flüchtlinge leben, in Stockbetten ohne Privatsphäre. Der Film zeigt auch, wie zäh die Mühlen der Bürokratie mahlen. „Am Ende geht man nackt“, lautet der Titel. Ein Appell an die Humanität. Ein jeder, egal, wo er herkommt, wie er aussieht, was er tut, ist zunächst einmal Mensch.
Flüchtling mit krimineller Ader
Mit viel Feingefühl hat die Produktion die Rollen der Flüchtlinge besetzt, viele Schauspieler haben selbst Migrationshintergrund. Herausragend spielen Mohammed Issa und Yasin El Harrouk, der einen Flüchtling mit krimineller Ader verkörpert, den Aufzocker in der GU, der Hehlerware anpreist, gegen Provision illegale Jobs vermittelt und am Ende Basem zum Einbruch verpflichtet und damit letztlich ins Verderben führt.
Daneben gibt es dann auch noch den Immobilienhai, der die Not der Flüchtlinge schamlos ausnützt, den Abteilungsleiter, der eine Liebesaffäre mit einer Asylbewerberin hat, die Ehrenamtliche mit Helfersyndrom, die rechtsradikalen Schläger, Polizisten, die den Nazis eher glauben als den Flüchtlingen, und, und ... Typen, von denen ein jeder schon gehört hat. Ein bisschen viel indes für einen Fernsehabend. Etwas weniger Klischee wäre hier mehr gewesen. So nimmt der Film manch starker Szene die Wirkung. Schade.
Kommissare ohne Macken
Viele Pluspunkte sammelt der Franken-„Tatort“ bei der Entwicklung seines Stammpersonals. Hier werden keine Stereotype bedient, diese Kommissare zelebrieren nicht ihre Macken, sie sind erfrischend normal. Wenn sich Ringelhahn und Voss am Stephansberg auf der Treppe treffen, wächst Vertrautheit. Das macht Lust auf mehr. Fränkisch trocken die Kommissare Schatz (Matthias Egersdörfer) und Fleischer (Andreas Leopold Schadt), cool Kollegin Goldwasser (Eli Wasserscheid). Die lakonischen Zwischentöne machen ihren Charme aus.
Und Bamberg? Man sieht die mittelalterliche Kulisse, ja. Touristikern wird's gleichwohl zu wenig sein. Dieser Krimi könnte auch in jeder anderen Stadt spielen.