Also ehrlich: Man muss sich schon sehr ungeschickt anstellen, um Frankfurt zu übersehen. Jede Menge Hochhäuser, Deutschlands größter Flughafen, 740.000 Einwohner. Trotzdem gibt es Menschen, die nach Frankfurt wollen, daran vorbeifahren – und schließlich in Frankfurt landen. 180 Kilometer weiter.
Warum sich Leute dorthin verirren
Wem das passiert, der sollte sich nicht wundern, dass in diesem Frankfurt alles winzig und idyllisch ist. Natur pur, 140 Einwohner, hier und da Wanderer, Karpfenteiche. Willkommen mitten im Steigerwald. Schon wegen seines großen Namens ist das kleine Frankfurt ein Dorf mit Besonderheiten. Und für Wanderer und Radfahrer einen Abstecher wert.
Wer „Frankfurt“ ins Navi eingibt und in die Main-Metropole will, kann sich durchaus zu Johannes Oeder verirren. Der 68-Jährige ist seit 2008 Bürgermeister von Markt Taschendorf und wohnt von Geburt an in dem kleinen Gemeindeteil Frankfurt. Oeder kann sich an einige Reisende erinnern, denen jene Irrfahrt widerfahren ist und die dann schließlich vor ihm standen. „Wo ist denn hier der Flughafen?“, hat Oeder die Ratlosen schon fragen gehört.
Die Preise in der Gegend sind unschlagbar
Irrfahrten dieser Art „passieren jedes Jahr drei oder vier Mal“, erzählt der 68-Jährige. In besonderer Erinnerung sind ihm Reisende aus Dortmund geblieben, die vor einigen Jahren plötzlich in seinem Dorf standen. Sie wollten zum Flughafen in Frankfurt/Main. An dem waren sie wenige Stunden zuvor auf der A3 vorbeigefahren, ohne ihn bemerkt zu haben. Das blinde Vertrauen ins Navigationsgerät führte sie in den Steigerwald.
Die Leute nähmen derlei Missgeschicke meistens gelassen, sagt Oeder. Das können sie auch, denn sie sind in einer Gegend gelandet, in der es sich gut leben lässt. Bier und Schnitzel sind um die Hälfte günstiger als im großen Frankfurt, der erschlossene Bauplatz kostet 37 Euro pro Quadratmeter – ein Bruchteil der Preise in der Stadt. Kurzum: Im Steigerwald ticken die Uhren beschaulich.
Tourismus nimmt zu
Das wissen offenbar immer mehr Menschen zu schätzen. Denn Oeder registriert in und um sein kleines Frankfurt eine Jahr für Jahr steigende Zahl von Erholungssuchenden: „Das nimmt zu.“ Er weiß es schon deshalb, weil er auf seinem ehemaligen Bauernhof Fremdenzimmer und Kutschfahrten anbietet. Gerade im Sommer seien die Zimmer „immer gut belegt“.
Diese Popularität des Naturparks Steigerwald wird wohl weiter steigen: Der Flickenteppich an Radwegen werde wohl 2019 durch eine durchgängige Beschilderung ersetzt, war aus dem Landratsamt in Neustadt/Aisch zu erfahren. Außerdem werde ein übersichtliches Online-Portal mit dem Wegenetz erstellt.
Was eine Tour rund um Frankfurt ausmacht
Bis dahin können sich Wanderer und Radfahrer an den kleinen, individuell beschilderten Touren orientieren – oder sie kombinieren. So bietet sich eine Tour rund um das kleine Frankfurt an, die unter anderem durch Obersteinbach und Münchsteinach führt. Der Charme solcher Touren sind die großen und kleinen Entdeckungen entlang der Wege.
So wie in Frankfurt eben. Am Ortsrand Richtung Birkach liegt die Mariengrotte. Dass sie 1959 in einem ehemaligen Steinbruch eingerichtet wurde, zeigt den Pragmatismus der Frankfurter: Sie wollten unbedingt eine eigene Gebetsstätte. Bis dahin mussten sie zum Gottesdienst immer ins Nachbardorf Kornhöfstadt – was den Frankfurtern immer ein Dorn im Auge gewesen sei, wie sich Johannes Oeder erinnert. So entstand die Idee mit der Grotte, eine Kirche hat ja jeder. Heute wird das Kleinod gerne auch für Hochzeiten genutzt.
Busse voller Gäste kommen nach Frankfurt
Einen Steinwurf entfernt ist eine Adresse, die das kleine Frankfurt dann doch bis in weitere Regionen bekannt gemacht hat: das Gasthaus „Zur frohen Einkehr“. Ganze Busladungen voller Gäste oder Motorradgruppen – unter anderem aus dem großen Frankfurt – kommen an den Wochenenden zum Spanferkelessen. Es wird gerne schnell voll bei Gastwirt Theo Schwab, Reservierungen werden empfohlen. In anderen Dörfern gehen die Gasthäuser ein, Schwab indes baut gerade an.
Das passt ins Gesamtbild von Frankfurt: Zwar ist das Dorf zu unscheinbar, um eine Perle zu sein. Es gibt schönere Dörfer. Aber Frankfurt hat immerhin ein Busunternehmen, einen Betrieb für Landmaschinen, eine Fischräucherei, einen Fischerverein, eine Physiotherapie-Praxis und ein Neubaugebiet – wohlgemerkt bei gerade mal 140 Einwohnern. Andere Orte dieser Größe bringen es gerade mal auf eine Bushaltestelle.
Verbindungen ins große Frankfurt
Und das kleine Frankfurt hat eine eigene Feuerwehr, die man auch im großen Frankfurt kennt: Mit der Wehr im Stadtteil Nieder-Erlenbach haben die Steigerwalder Floriansjünger eine seit Jahren gepflegte Patenschaft, wie Oeder erzählt.
Warum das kleine Frankfurt diese auffallend ausgeprägte Infrastruktur hat, erklärt der Bürgermeister mit der Tatsache, dass es früher ein Dorf mit freien Bauern gewesen sei. Diese Eigenständigkeit und Agilität habe sich irgendwie bis heute bewahrt. „Die Leute hier sind halt einfach fleißig.“
Wo man Arbeit findet
Die meisten Frankfurter mussten zum Arbeiten freilich schon immer weit fahren. In dieser Hinsicht ist die zentrale Lage ein Vorteil: Bis Nürnberg, Bamberg und Würzburg sind es jeweils maximal 70 Kilometer. Auch im näheren Scheinfeld oder Vestenbergsgreuth hätten Frankfurter Jobs gefunden, sagt Bürgermeister Oeder.
Wer in der Gegend als Wanderer oder Radfahrer unterwegs ist, bemerkt schnell die Einsamkeit. Allenfalls das Rauschen des Windes ist zu hören, auf den Wegen begegnet man kaum einem Menschen.
Von Kirchen und D-Mark
Was fürs Auge gibt es in Münchsteinach. Das ehemalige Kloster samt „Münster“ liegt erhaben über dem Ort, der bis 1528 etwa 400 Jahre lang von den Benediktinern geprägt worden war. Heute ist das schön hergerichtete Ensemble aus Kirche, Konvent, Abtsschlösschen, Torhaus und Kulturscheune eine Rast wert.
Viel Geschichte steckt auch in Obersteinbach. Dessen Ortsbild wird von einem Schloss geprägt, das 1525 während des Bauernkrieges verwüstet, dann im Renaissancestil wieder aufgebaut wurde und seit 1965 als Schullandheim genutzt wird. Es kann nicht besichtigt werden.
Für Besucher offen dagegen ist die evangelische St.-Rochus-Kirche. Sehenswert sind zwölf Grabdenkmäler der einst in Obersteinbach herrschenden Adelsfamilie von Lentersheim. Am Ausgang darf man übrigens mit D-Mark zahlen: Ein Schild an der Spendenbox weist darauf hin, dass gerne auch die alte Währung eingeworfen werden kann.
Kunst, wo man sie nicht vermutet
Apropos Überraschungen: Im Tal zwischen Mittel- und Münchsteinach stößt der Wanderer oder Radfahrer auf etwas, das man dort nicht vermutet: Kunstwerke mitten auf der Wiese. Sie stammen von Oliver Ladwein. Der Künstler war einst in der Gegend zu Hause und lebt heute in Roth bei Nürnberg. Anfang der 1990er Jahre installierte er im Tal der Steinach zum Beispiel die Großplastik Aquila. Die Werke stehen im Zusammenhang mit dem 6,5 Kilometer langen Kunsterlebnisweg „Oasen der Sinne“ im Tal der Steinach. Er führt unter anderem an der mystischen Wolfsquelle, einem Baumtelefon und einem Barfußweg vorbei.
Und dann ist da noch der Karpfen
Geprägt wird die Gegend auch von vielen Teichen. Kein Wunder, der für seine Karpfen bekannte Aischgrund ist nicht weit. 20.000 Teiche gibt es in Mittelfranken, hat der regionale Verband „Fischerzeugerring“ gezählt. Einige dieser künstlichen Seen findet man auch im kleinen Frankfurt. So kommt beim populären Gastwirt Theo Schwab auch mal Karpfen auf den Tisch – es muss ja nicht immer Spanferkel sein.