Im Strafprozess gegen ehemalige Vorstände der BayernLB wegen des Debakels mit der österreichischen Krisenbank Hypo Alpe Adria (HGAA) bleibt nach zehn Monaten Verhandlungsdauer vor dem Landgericht München nicht viel von der umfangreichen Anklage übrig. Der größte Brocken, Untreue beim Kauf der Krisenbank, ist nun in der entscheidenden Phase so gut wie vom Tisch. Mehr als ein Dutzend ehemaliger Top-Banker musste sich in diesem Jahr in Deutschland schon vor Gericht verantworten. Verurteilt wurde aber keiner: In Hamburg wurden sechs ehemalige Vorstände der HSH Nordbank freigesprochen. In Stuttgart stellte das Gericht den Prozess gegen frühere Vorstände der Landesbank Baden-Württemberg ein.
Im Vergleich zu vielen anderen Straftaten sind Wirtschaftsdelikte vor Gericht viel schwieriger mit den geltenden Gesetzen zu greifen. Den ehemaligen Vorständen der BayernLB beispielsweise warf die Anklage vor, die HGAA trotz bekannter Risiken viel zu teuer gekauft zu haben. „Untreue“ nennt das Strafgesetzbuch dies, weil die Vorstände damit fremdes Vermögen missbraucht haben sollen. Die Manager bestritten dies und betonten, sie hätten vor allem Chancen für die BayernLB gesehen. Gegen vier Ex-Vorstände wurde der Prozess gegen Geldauflagen eingestellt. Ex-Bankchef Werner Schmidt und sein Vize Rudolf Hanisch sitzen weiter auf der Anklagebank, weil sie sich auch wegen Bestechung verantworten müssen. Dies könnte letztlich schwerer wiegen. Mit einer Haftstrafe ohne Bewährung wird aber nicht gerechnet.
Wenn ein Manager seiner Firma absichtlich oder gar eigennützig schadet, ist die Lage oft recht einfach. Ein Geschäftsführer, der Geld aus dem Betrieb abzweigt und sich damit privat einen Porsche kauft, begeht nach Darstellung des Strafverteidigers Markus Rübenstahl eindeutig Untreue, indem er vorsätzlich das Vermögen des Unternehmens schädigt. In diesem Szenario sind pflichtwidriges Verhalten, Vermögensschaden und Vorsatz – alles für eine Verurteilung erforderlich – leicht zu erkennen und zweifelsfrei nachzuweisen. Bei der Übernahme der Hypo Alpe Adria ist der Fall komplizierter: Einen persönlichen finanziellen Vorteil hatten die Vorstände nicht und Zeugen bescheinigten ihnen gewissenhafte Arbeit.
Aus heutiger Sicht war der Kauf der österreichischen Bank ein Riesenfehler – das würde niemand bestreiten. „Aber bloße Fehler und Irrtümer sind nicht als Untreue strafbar“, sagt Rübenstahl, besonders wenn sie erst im Rückblick erkennbar sind. Vor Gericht geht es um die Frage, ob sich die Verantwortlichen vorsätzlich falsch verhalten haben. Nicht einmal die Frage, ob der Kaufpreis mit 1,65 Milliarden Euro zu hoch war, ließ sich eindeutig klären. Denn wenn ein Unternehmen ein anderes kauft, spielen auch künftige Geschäftschancen beim Preis eine Rolle. „Es ist ja leider so, dass bei einem Unternehmenskauf kein Preisschild dran ist“, sagte der ehemalige bayerische Finanzminister Erwin Huber als Zeuge.
Weil die Aufarbeitung wichtig ist. „Man kann ein Fehlverhalten nicht einfach durchgehen lassen, nur weil es schwierig ist, eine Straftat nachzuweisen“, sagt Margarete Nötzel, Sprecherin des Landgerichts München. Deshalb müsse in komplizierten Wirtschaftsfällen so ermittelt werden wie bei dem Ladendieb, der ertappt wird. Wenn nach den Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht besteht, muss die Staatsanwaltschaft auch Anklage erheben. In einem Prozess vor Gericht wird der Fall dann in allen Einzelheiten geprüft. Wenn sich dabei zeigt, dass der Angeklagte nur eine geringe Schuld trägt, kann der Prozess auch gegen Geldauflagen eingestellt werden. Möglich sind auch Absprachen über das Strafmaß. So stellt das Gericht etwa eine mildere Strafe in Aussicht, wenn der Angeklagte ein Geständnis ablegt.