Es war für viele Aktivistinnen und Aktivisten ein langer Kampf, bis vor genau fünf Jahren § 219a erleichtert wurde. Der Paragraf regelte das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Bis zu diesem Zeitpunkt durften Ärztinnen und Ärzte nicht auf ihrer Homepage darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen. Welche Methoden sie dafür anbieten, durften sie auch nach der Reform nicht angeben. Das wurde erst legal, als der Paragraf im Jahr 2022 gänzlich aufgehoben wurde. Viele Menschen erhofften sich, dass danach mehr Ärztinnen und Ärzte eine Abtreibung anbieten würden. Aber was hat sich seitdem tatsächlich geändert?
"Es ist für Frauen nicht einfacher geworden, es hat sich nichts verbessert", sagt Elke Gropper-Schumm von der Beratungsstelle Pro Familia. Seit der Änderung bieten nicht mehr Ärztinnen und Ärzte an, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Diesen Eindruck hat auch Gynäkologin Cornelia Wenske, in ihre Praxis in Günzburg kommen Frauen von weit her. Mit aktuellen Zahlen lässt sich das nur schwer belegen, offizielle Angaben von Behörden gibt es derzeit nicht. Die Anzahl der Einrichtungen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, wird laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend statistisch nicht erhoben.
Viele Ärztinnen und Ärzte bieten keine Abtreibungen an
Warum so wenige Einrichtungen Schwangerschaftsabbrüche anbieten, hat unterschiedliche Gründe: Ein Problem ist laut Wenske, dass viele ältere Kollegen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, in Rente gehen. Junge Ärztinnen und Ärzte trauen sich laut Wenske zum Teil nicht mehr, das habe unter anderem mit Mobbing im Internet zu tun. "Ich schaue da gar nicht rein", sagt Wenske. Jüngere Kollegen beschäftige es aber schon, wenn schlechte oder gar beleidigende Google-Bewertungen oder Kommentare in den sozialen Medien geschrieben werden.
Ein weiteres Problem ist laut Gropper-Schumm Gehsteigbelästigung. Darunter versteht man Protestaktionen von Abtreibungsgegnern. Diese finden vor Einrichtungen statt, die Schwangerschaftskonfliktberatungen und Abtreibungen anbieten. "Das kann vorkommen und ist für alle Beteiligten unangenehm", sagt Gropper-Schumm. Für viele Menschen ist der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor ein heikles Thema, "es gibt wenig Diskussionen, die so polarisiert geführt werden". Dabei gehe es nicht um das Für und Wider. "Es geht darum, die Tatsache zu respektieren, dass Frauen in solche Situationen kommen. Dann brauchen sie ärztliche und psychologische Unterstützung", sagt die Beraterin von Pro Familia.
Künftig sollen solche Gehsteigbelästigungen verboten werden, ein Gesetzentwurf von Familienministerin Lisa Paus wurde vom Kabinett beschlossen. Demnach sollen diese Demos innerhalb eines gewissen Radius in Zukunft untersagt sein. Noch gilt das Gesetz aber nicht, Paus hofft, dass es noch im Sommer durch den Bundestag geht.
Ein weiterer Grund, warum nur wenige Ärztinnen und Ärzte einen Schwangerschaftsabbruch anbieten, ist die Ausbildung. Zwar lerne man laut Cornelia Wenske, wie eine Ausschabung funktioniert – aber nicht, wie man die nötigen Beratungsgespräche führt. "Ich würde es gut finden, wenn man in einer Beratungsstelle hospitieren muss", sagt Wenske. Dort lerne man die Frauen und ihre Beweggründe kennen. Bisher werde man in der Ausbildung zu wenig damit konfrontiert. Aber natürlich gebe es auch Mediziner, die einen Schwangerschaftsabbruch aus ethischen Gründen nicht machen wollen.
Abtreibungen sind eine Belastung für die Betroffenen
Oft seien Frauen, die abtreiben möchten, schon vorher in schwierigen Situationen, sagt Gropper-Schumm. Wenn sie erfahren, dass sie schwanger sind, mache das die Lage nicht leichter. Es komme auch zeitlicher Druck hinzu, denn ein Schwangerschaftsabbruch ist nur bis zu zwölf Wochen nach der Empfängnis möglich – in der Zeit muss man dann Termine ausmachen und meist weite Wege auf sich nehmen, um den Abbruch vornehmen zu lassen. Denn in Augsburg gibt es laut Gropper-Schumm keine medizinische Einrichtung, die den Eingriff macht. "Ein Schwangerschaftsabbruch ist immer eine Ausnahmesituation im Leben", sagt sie. Noch immer sei so ein Eingriff stigmatisiert, Betroffene erzählten nur wenigen Menschen in ihrem Umfeld davon. Deshalb gebe es in den schwierigen Wochen auch nur wenige, die die Frauen unterstützen.
Damit sich künftig etwas ändert, wünscht sich Gynäkologin Cornelia Wenske mehr Druck vonseiten der Politik. Es sei nicht in Ordnung, dass in Krankenhäusern, die von öffentlichen Mitteln finanziert werden, solche ärztlichen Leistungen nicht angeboten werden. Und von jenen Ärztinnen und Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, informieren manche auch lieber nicht darüber auf ihren Homepages. Laut Wenske schlicht deshalb, weil sie überlastet sind.