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ALZENAU/WÜRZBURG
Schüttet der Bayern-Chef sein Füllhorn aus?
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 11.07.2016 03:34 Uhr

Von der „Vorstufe zum Paradies“ schwärmt Ministerpräsident Horst Seehofer gern, wenn er von Unterfranken spricht. Um den schönen Schmeicheleien gerecht zu werden, könnte er öfter noch die Staatsschatulle öffnen, knurren dann die unterfränkischen Volksvertreter. Wenn sie der herrschenden CSU angehören, allerdings nur hinter vorgehaltener Hand. Man will den Regenten nicht ärgern. Ein bisschen was geht nämlich immer. So wird es auch sein, wenn die Staatsregierung am Dienstag, 5. Juli, zur Kabinettssitzung nach Alzenau (Lkr. Aschaffenburg) reist, quasi mitten rein ins Paradies.

Ein wenig von der Schau, der das Verteilen von Steuermillionen innewohnt, hat dem Ministerpräsidenten derweil schon sein Lieblingsminister Markus Söder gestohlen, als er Anfang Juni in Würzburg verkündete, der Freistaat werde die Sanierung des Mainfranken Theaters in Würzburg statt mit 20 mit „mindestens 30 Millionen Euro“ fördern.

Ähnlicher finanzieller Dimensionen bedürfen Investitionen in den Wissenschaftsstandort Mainfranken. An der Uni Würzburg ist man guter Dinge, mit der Ansiedlung eines Helmholtz-Instituts für Infektionsforschung nach dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung und der Max-Planck-Forschungsgruppe für Systemimmunologie eine weitere der begehrten außeruniversitären Forschungseinrichtungen schon bald zu realisieren. Vom Freistaat wünscht man sich dazu nach der bereits zugesagten Anschubfinanzierung einen Neubau für rund 30 Millionen Euro. Gut möglich, dass Seehofer die Zusage nach Alzenau mitbringt.

Der Wunschzettel der Uni ist darüber hinaus lang, viele Instituts- und Klinikgebäude harren der Sanierung. An der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Schweinfurt erhofft man sich vom Seehofer-Besuch einen weiteren Schub für den Ausbau des internationalen Campus auf dem früheren US-Army-Areal.

Auch aus der Rhön blickt man hoffnungsvoll nach Alzenau. So setzen die fast 40 Mitarbeiter des Technologie-Transferzentrums Elek- tromobilität (TTZ-EMO) in Bad Neustadt darauf, dass der Freistaat das Hightech-Zentrum, das Hochschulforschung und regionale Wirtschaft zusammenbringt, dauerhaft mit jährlich 800 000 Euro bezuschusst. Es wäre schade, wenn die Einrichtung, Teil der Initiative „Bad Neustadt – Modellstadt Elektromobilität“, nach Auslaufen der fünfjährigen Anschubfinanzierung ins Trudeln geriete. Seehofer hat Unterstützung bereits in Aussicht gestellt.

In Bad Kissingen ist es das Zentrum für Telemedizin, dessen Zukunft auf wackeligen Beinen steht. Die Einrichtung macht Lobbyarbeit für die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Auch hier geht es um eine dauerhafte Finanzierung, nachdem Seehofer die Einrichtung im Oktober 2010 auf den Weg gebracht hatte – bei einer Kabinettssitzung in Bad Kissingen.

Spricht man dieser Tage mit unterfränkischen CSU-Landtagsabgeordneten kommen sie eher leise daher. Öffentlich Druck machen wollen sie im Vorfeld der Kabinettssitzung in Alzenau lieber nicht, man setzt da eher auf Hinterzimmerpolitik.

Die Opposition hat da weniger Skrupel. Hans Jürgen Fahn (Erlenbach), der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, beklagt aktuell einmal mehr eine Benachteiligung Unterfrankens im Vergleich zu Oberbayern. Anlass ist nicht zuletzt die Nachricht, dass Oberbayern bei der nächsten Wahl einen Abgeordneten mehr als bisher ins Maximilianeum schicken darf, Unterfranken dagegen ein Mandat abgegeben muss. Fahn zweifelt die Berechnungen der Staatsregierung nicht an, er wirft ihr gleichwohl vor, sie unternehme nicht genug für gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen im ganzen Freistaat und damit gegen den demografischen Wandel.

Fahn legt Zahlen vor, laut denen Unterfranken unter anderem bei der Ärzteversorgung und beim Breitbandausbau gegenüber dem Süden Bayerns hinterher hinkt. Besonders eklatant sei die Entwicklung bei der Gewerbesteuer: Während die Einnahmen in Unterfranken zwischen 2010 und 2015 um zwölf Prozent stiegen, waren es in Oberbayern 54 Prozent. Für Fahn ist das ein Beleg, dass die Schere in Bayern weiter auseinandergeht. Klingt irgendwie nicht so paradiesisch.

Kabinett im Rittersaal

Im Juli 1816 übertrug der Großherzog von Darmstadt das Amt Alzenau an das Königreich der Wittelsbacher. Anlässlich der Feiern zur 200-jährigen Zugehörigkeit zu Bayern tagt die komplette Staatsregierung am Dienstag, 5. Juli, in der 19 000-Einwohner-Stadt. Die Kabinettssitzung im Rittersaal von Burg Alzenau beginnt um 11 Uhr. Zuvor begrüßt Bürgermeister Alexander Legler Regierungschef Horst Seehofer und die Minister mit Musik im Burghof. Am Abend gibt Seehofer in Aschaffenburg einen Empfang für Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter vom Untermain. Text: Micz

 
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