Es ist eine seltsame Situation für Karlheinz Schreiber. Am Vorabend spenden Tausende beim FC Bayern dem mutmaßlichen Steuerhinterzieher Uli Hoeneß stehend Applaus. Und er, der frühere Lobbyist, heute 79 Jahre alt, soll mehr als zwei Jahrzehnte nach seinen Taten für sechseinhalb Jahre ins Gefängnis. Das sieht der Kaufmann aus Kaufering nicht ein. Er wird seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung erneut beim Bundesgerichtshof anfechten, sagt er.
Äußerlich gibt sich Schreiber gelassen. Beim Betreten des Gerichtsgebäudes in Augsburg sagt er zum Sicherheitsmann, der ihn kontrolliert: „Gut, machen wir das Spiel noch einmal.“ Selbst nach dem Urteil, im Café Freud gegenüber dem Strafjustizzentrum, bleibt der frühere Lobbyist locker. Auf dem Tisch stehen frisch gepresster Orangensaft und eine Flasche Prosecco. Als ob es etwas zu feiern gäbe.
Dabei ist das Urteil der 10. Strafkammer des Landgerichts Augsburg deutlich: Schreiber hat zwischen 1988 und 1993 rund 9,7 Millionen Euro Steuern hinterzogen. Er verdiente zig Millionen an Provisionen mit seiner Lobbyistentätigkeit bei Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien oder Airbus-Verkäufen. Steuern zahlte er dafür nicht in Deutschland. Hätte er aber müssen, ist die Überzeugung des Gerichts. Denn Schreiber sei ohne Zweifel zu der fraglichen Zeit in Deutschland ansässig und steuerpflichtig gewesen. Das belege schon die Tatsache, dass der Geschäftemacher sich selbst damals hierzulande als steuerpflichtig betrachtete.
Seit Herzinfarkt haftunfähig
Mit den sechseinhalb Jahren ist Schreiber dennoch gut bedient. Die Staatsanwaltschaft hatte immerhin zehn Jahre und drei Monate Haft gefordert. Zudem ist es ihm und seinen Verteidigern gelungen, die Strafe aus dem ersten Prozess um eineinhalb Jahre zu reduzieren. Die Untersuchungshaft und die Auslieferungshaft in Kanada werden auf die Haftstrafe angerechnet – zusammen mehr als drei Jahre. Die Bestechung des Ex-Rüstungsstaatssekretärs Ludwig-Holger Pfahls ist nach Ansicht des Gerichts verjährt. Das Urteil ist auch nicht rechtskräftig, bis Karlsruhe über die Revision entschieden hat. Und Schreibers Gelassenheit hat noch einen Grund. Er bleibt ein freier Mann. Es ist sogar wahrscheinlich, dass er nie wieder ins Gefängnis muss.
Das Gericht hat angeordnet, dass der Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug bleibt. Wegen Fluchtgefahr bleibt Schreiber aber unter Hausarrest. Seit einem Herzinfarkt im Gefängnis im März 2012 gilt der 79-Jährige als haftunfähig. Man kann davon ausgehen, dass dies so bleibt.
Karlheinz Schreiber ist älter und leiser geworden. Das Verfahren hat an Brisanz verloren. Die Affäre um den früheren Waffenlobbyisten und Spezl von Franz Josef Strauß war einst einer der spannendsten deutschen Politkrimis der Nachkriegszeit. Mit Drohungen und Schimpftiraden sorgte der Geschäftsmann aus Kaufering noch zu Beginn dieses Jahrhunderts für große Schlagzeilen. Damals war gerade erst bekannt geworden, dass Schreiber bei „Fuchs“-Panzergeschäften mit Saudi-Arabien mit Schmiergeldern in Millionenhöhe hantiert hatte und vor allem der Union auch unter der Hand Geld zusteckte.
Eine Million Mark in bar, die er dem CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep übergeben hatte, löste die CDU-Parteispendenaffäre aus und führte dazu, dass Altkanzler Helmut Kohl vorübergehend zur unerwünschten Person der Christdemokraten wurde. Eine weitere Spende über 100 000 Mark, die er Wolfgang Schäuble unter bis heute unaufgeklärten Umständen übergeben hatte, führte 2000 zu dessen Rücktritt als CDU-Vorsitzender. In Schäubles Fall trafen Schreibers Drohungen zu: Er lasse Schäuble „in so ein tiefes Loch fallen, dass man den Aufprall nicht mehr hört“, sagte Schreiber. Nur ein paar Tage später trat Schäuble zurück.
Inzwischen ist das Verfahren auf einer anderen Ebene angelangt. Spitzenpolitiker waren nicht mehr als Zeugen geladen. Nur zum Abschied sagt Schreiber geheimnisvoll: „So leicht werde ich es denen nicht machen.“ Da ist er wieder ganz der Alte.