Der schwarze Stoff ist staubig. Das ist deutlich zu sehen an einigen Stellen, wo eine leichte, hellbraune Schicht auf dem Schäferhemd liegt – dem traditionellen Berufsgewand. Dieses Exemplar gehört Hermann Stadler, einem Wanderschäfer, der seine Tiere in Ulm und in Garching bei München weiden lässt. In diesen Tagen ist Stadler in Sorge. Der Staub auf dem Stoff seines Schäferhemds deutet hin auf ein Phänomen, das ihn und viele seiner Kollegen derzeit umtreibt. Es ist trocken in Bayern. Seit Wochen. Und die Dürre hat dazu geführt, dass vielen Schäfern allmählich das Futter für ihre Tiere ausgeht.
Nur wenige Halme
„Die Situation ist dieses Jahr sehr kritisch“, sagt Stadler. Beim Blick über die weite Fläche nahe der Allianz Arena einige Kilometer nördlich von München ist das kaum zu glauben. Über viele Quadratkilometer erstreckt sich Gras. Stadlers Schafe, unter die sich auch ein paar Ziegen mischen, zupfen unablässig daran, blöken friedlich und trotten dann weiter zum nächsten Fleckchen. Nur: „Das ist nicht das Futter, das wir brauchen“, erklärt der 51-Jährige.
„Man sieht eine riesige Fläche Gras, aber wenn man hinschaut, ist das ein geringer Bodenbewuchs mit nur wenigen Halmen.“ Die meisten Flächen seien schon komplett abgeweidet. Dabei gehe es ihm in Oberbayern noch vergleichsweise gut. Seine Kollegen in Franken und in der Oberpfalz, wo es in den vergangenen Wochen noch trockener gewesen sei, „stehen vor dem Nichts“, meint er.
Viel Mehrarbeit
Ganz so dramatisch sehen das die Schäfer in der Rhön allerdings nicht. Aber natürlich bringt die Trockenheit auch für Wanderschäfer Hartwig Möller, der mit 800 Tieren gerade nahe der Hochrhönstraße zwischen Bischofsheim und Fladungen (Lkr. Rhön-Grabfeld) unterwegs ist, Probleme mit sich. Um zu genügend Futter zu kommen, müssen die Schafe größere Flächen abweiden und sind daher längere Strecken unterwegs. Das bedeutet für den Schäfer einiges an Mehrarbeit. Dazu kommt noch das Thema Wasser. Trockenes Futter und hohe Temperaturen bedeuten einen hohen Wasserbedarf. „So acht Liter bringen die da schon rein“, schätzt Möller den Verbrauch pro Tier und Tag. Das bedeutet, dass er fast täglich einen 5500 Liter Tankwagen an einem Hydranten im Tal auffüllen und wieder hoch in die Rhön transportieren muss.
Gleich 8000 Liter benötigt der Schäfer der Rhöner Weidemeinschaft aus Ginolfs (Lkr. Rhön-Grabfeld) für seine 1100 Mutterschafe auf der Hochrhön. Nicht nur deshalb spricht Julian Schulz von erheblicher Mehrarbeit, die in der Trockenperiode für ihn angefallen ist. Klagen darüber will er nicht, allerdings macht er sich so einige Sorgen beim Blick auf die kommenden Monate. So haben sich die Tiere schlechter ernährt, was Auswirkungen auf ihr Wachstum und vor allem die Vermehrung haben dürfte.
Problem Herbstweide
Noch problematischer ist für Schulz das Thema Herbstweide. Da fressen die Schafe auf den Äckern üblicherweise, was nach der Ernte von Mais oder Raps noch dort übrig ist. „Wegen der schlechten Ernte brauchen die Bauern jetzt aber alles selbst“, befürchtet der Rhöner Schäfer. Das bedeutet, dass die Herde entweder größere Strecken zurücklegen oder in den Stall geführt werden muss.
Dann, so Schulz, wird der Vorrat an Winterfutter nicht ausreichen. Zwar gab es aus dem vergangenen Jahr noch Reste, aber wegen der schlechten Ernährungslage auf den Weiden, brachte der Schäfer nicht erst im Herbst, sondern schon jetzt rund 250 Lämmer zurück zum Stall, wo Heu, Silage und Kraftfutter für sie bereitgestellt werden müssen. „Wir kämen trotzdem vielleicht gerade so durch“, schätzt Schulz. Wenn aber die Herde frühzeitig in den Stall komme, müsse in jedem Fall Futter zugekauft werden. Das geht nicht nur den Rhöner Schäfern so, sondern ist ein Problem vieler Schafhalter in Bayern, so René Gomringer, Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Schafhalter.
Hilfen auch für Schäfer
Das bayerische Landwirtschaftsministerium hat darauf reagiert und weist darauf hin, dass die geplanten Soforthilfen für die Landwirte auch für Schäfer gedacht seien. Sie sollen ebenfalls finanzielle Unterstützung beim Zukauf von Futtermitteln bekommen. Die letzten Details des Programms würden derzeit erstellt, heißt es auf Anfrage. Nur sei die Lage auf dem Futtermittelmarkt derzeit angespannt, erklärt Stadler. Er habe jüngst 150 Tonnen Luzernepellets für seine Tiere bestellt, eine Zusage habe er bislang aber nur für 50 Tonnen erhalten.
Es ist eine schwierige Situation für einen Berufsstand, der ohnehin um seine Existenz kämpft. Nach Angaben des Landesverbands arbeiten zwischen 150 und 160 Menschen im Freistaat als Berufsschäfer. Sogenannte Berufsherden bestehen aus 700 Schafen. Jahr für Jahr gibt es weniger Schäfer in Bayern – die Abnahme liege jährlich bei etwa fünf Prozent. Ein geringes Gehalt und viel Arbeit schreckten viele junge Leute ab, sagt auch Stadler. Der Altersdurchschnitt liege bei über 60 Jahren. „Wenn das so weitergeht, gibt?s in 10 bis 15 Jahren keine Wanderschäfereien mehr.“
Dabei tragen Schäfer viel zur Landschaftspflege bei. In der Wolle der Tiere bleiben Samen hängen, die dann weiter transportiert werden. So werden Biotope miteinander vernetzt. Und: „Es gibt viele Insekten und Pflanzen, die auf Schafsbeweidung angewiesen sind“, erklärt Stadler.