Das Motiv des 41-jährigen Afghanen, der am Samstag in der Asylunterkunft Arnschwang im Landkreis Cham einen fünfjährigen russischen Buben mit einem Messer getötet und dessen Mutter schwer verletzt hat, war vermutlich Ruhestörung. Das hat, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag in Regensburg mitteilten, die Mutter des Buben in ihrer Vernehmung ausgesagt.
Gleichzeitig wurde bekannt, dass den Behörden bewusst war, dass der wegen Brandstiftung vorbestrafte Mann, der am Samstagabend bei einem Polizeieinsatz erschossen wurde, gefährlich war – und zwar offenbar nicht nur für seine geschiedene Ehefrau, sondern für die Allgemeinheit. Dies geht aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts München hervor, das vom Gericht am Dienstag veröffentlicht wurde.
Dass der gefährliche Straftäter nach Verbüßung seiner Haftstrafe in Landsberg nicht hatte abgeschoben werden dürfen, begründeten die Münchner Verwaltungsrichter damit, dass er nachvollziehbar und glaubhaft zum Christentum übergetreten sei. Einem Moslem, der zum Christentum konvertiert, droht in Afghanistan die Todesstrafe. Dass er sich habe taufen und firmen lassen und sich ganz offen zum Christentum bekenne, sei der Familie seiner Ex-Frau, mit der er verfeindet sei, bekannt.
Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, so urteilten die Richter, bestehe für den Mann somit „eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Freiheit von staatlicher und nicht-staatlicher Seite.“
Die rechtlich offenbar einzig möglichen Konsequenzen aus der mutmaßlichen Gefährlichkeit des Mannes waren die Anordnung eines Kontaktverbots zu seiner Ehefrau, die Unterbringung mit einer räumlichen Beschränkung sowie die Anordnung, eine elektronische Fußfessel zu tragen. Er wurde deshalb der Regierung der Oberpfalz zugewiesen und dort, weil er zum Christentum übergetreten war, in der überwiegend nicht muslimisch geprägten Asylunterkunft in Arnschwang untergebracht.
Dort gab es, wie die Regierung der Oberpfalz zunächst mitteilte, keine nennenswerten Probleme. „Für die Mitarbeiter vor Ort gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer solchen Eskalation mit der betroffenen russischen Familie kommen könnte“, heißt es in der Mitteilung. Und weiter: „Gegenseitige Beschwerden über Lärmstörungen, die jeweils einvernehmlich befriedet wurden, waren die einzigen Vorkommnisse und sind in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht ungewöhnlich.“
Am Samstagabend aber eskalierte dann offenbar doch ein Streit wegen Lärmstörungen zu einer grausigen Bluttat. Die 47-jährige Mutter, die selbst schwer verletzt worden war und zunächst auch nicht vernehmungsfähig war, berichtete am Dienstag, der Afghane habe sich durch die spielenden Kinder in seiner Ruhe gestört gefühlt. Er habe zunächst sie und dann den Buben mit einem Messer angegriffen. Der Angreifer konnte den Angaben zufolge erst mit Polizeigewalt gestoppt werden. Ein Polizist gab acht Schüsse auf ihn ab. Der Mann starb. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Nothilfesituation der Beamten aus.
Politisch sorgt das Geschehen für eine heftige Debatte. Die asylpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Christine Kamm, sieht die CSU-Regierung „in Mitverantwortung“ für die Ereignisse. „Der Mord an einem fünfjährigen Kind in Arnschwang hätte nicht passieren müssen“, erklärte Kamm und erneuerte ihre Forderung nach einem Gewaltschutzkonzept für Frauen und Kinder in allen bayerischen Unterkünften. Die gemeinsame Unterbringung von allein geflüchteten Frauen mit oder ohne Kinder mit alleinstehenden Männern müsse unterbleiben.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dagegen fordert eine genaue Überprüfung von Asylbewerbern, die zum Christentum übergetreten sind. Zugleich merkte er unter Bezug auf den Täter von Arnschwang an, es sei den Menschen hier „nicht zumutbar, unter der Gefahr solcher Straftäter zu leben“.