
Etwa jeder fünfte Betrieb in Bayern, der in den vergangenen Jahren Corona-Hilfen erhalten hat, muss diese teilweise oder in wenigen Fällen sogar komplett zurückzahlen. Das zeigen Zahlen der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK). Die bearbeitet zentral die Abrechnungen der bayerischen Unternehmen. Konkret bezieht sich die Prüfung auf die vier Überbrückungshilfen sowie die November- und Dezemberhilfen, die zwischen Juni 2020 und Juni 2022 ausgezahlt wurden.
Bis Ende September mussten die Unternehmen ihre Schlussabrechnung für diese Hilfen einreichen. Ende Oktober läuft außerdem die Frist für die Corona-Soforthilfen aus, die im Frühjahr 2020 ausgeschüttet wurden. Mit der Schlussabrechnung belegen Betriebe, wie hoch ihr Umsatzrückgang war. Mehr als 90 Millionen Euro mussten die Unternehmen allein für die Überbrückungs- sowie die Oktober- und Novemberhilfen zurückzahlen. Die Zahl wird aber noch steigen. Denn in etwa 60 Prozent der Fälle steht die Bearbeitung noch aus. Die Prüfung kann aber auch positive Effekte haben: War der Rückgang größer als erwartet, bekommen sie die Förderung rückwirkend ausgezahlt. Etwa 70 Millionen Euro flossen so nachträglich an die Betriebe.
Etwa 40 Prozent der Corona-Hilfen flossen in das Gastgewerbe
Branchenverbände kritisieren das Verfahren, so zum Beispiel der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig waren Wirtshäuser von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Etwa 40 Prozent der Hilfen flossen in das Gastgewerbe.
Viele fürchten nun Rückzahlungen. „Auch, wenn das bei weitem nicht alle trifft: Für einige Betriebe kann das ein weiterer Sargnagel sein“, sagt Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Dehoga Bayern. „Viele konnten sich durch hohe Energiekosten, gestiegene Lebensmittelpreise und die wieder erhöhte Mehrwertsteuer ohnehin nur knapp über Wasser halten. Da kommen mögliche Rückforderungen zur Unzeit.“ Vor allem aber sei das Verfahren komplex und für viele eine zusätzliche Belastung, sagt Geppert. Ähnlich äußert sich auch der Bund der Selbstständigen in Bayern (BDS). „Teilweise wird bei der Prüfung um jeden Cent gekämpft. Gerade für Selbstständige ist das ein enormer Aufwand“, sagt Stefan Julinek, Referent beim BDS.
Die IHK verteidigt das Verfahren. „Die Notwendigkeit einer Schlussabrechnung war seit Aufsetzung der Programme bekannt“, sagt Florian Reil, Sprecher der IHK. Außerdem wüssten die Antragssteller meist schon bei Abgabe der Schlussabrechnung, wie hoch die Rückzahlung ausfallen würde und könnten damit planen.
Corona-Soforthilfen: „Eine Rückzahlungspflicht war nicht ausgeschlossen“
Zusätzlich entbrennt gerade ein Streit um die Soforthilfen. Etwa 260.000 Betriebe in Bayern haben diese in Anspruch genommen. Eigentlich sollte das Verfahren längst abgeschlossen sein. Die Frist wurde aber mehrfach verlängert. Bis zum 31. Oktober haben die Betriebe in Bayern nun letztmalig die Chance zu belegen, dass tatsächlich ein Liquiditätsengpass vorlag. Gut 600 Millionen Euro an Soforthilfen haben die Unternehmen in Bayern bereits zurückgezahlt.
Das sorgt für Kritik. „Ursprünglich hieß es, die Soforthilfen müssten nicht zurückgezahlt werden“, sagt Achim von Michel, Politikbeauftragter beim Bundesverband mittelständische Wirtschaft. „Die Leute haben darauf vertraut.“ Tatsächlich sagte der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz: „Wir geben einen Zuschuss, es geht nicht um einen Kredit. Es muss also nichts zurückgezahlt werden.“ Heute erklärt das Bundeswirtschaftsministerium, mit solchen Aussagen habe man die Hilfen von einem Kredit abgrenzen wollen. Ein solcher müsse immer zurückgezahlt werden – die Soforthilfen dagegen nur, wenn zu viel ausgeschüttet wurde. Ähnlich argumentiert das bayerische Wirtschaftsministerium: „Von Anfang an wurde auch schriftlich erklärt, dass die Corona-Soforthilfe zur Sicherung der Liquidität bestimmten Bedingungen unterliegt. Eine Rückzahlungspflicht war nicht ausgeschlossen.“