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FRANKFURT/MÜNCHEN
Prozess zur Unzeit: Kirch-Pleite holt Deutsche Bank ein
reda
 |  aktualisiert: 09.04.2015 18:04 Uhr

Jürgen Fitschen, Josef Ackermann, Rolf Breuer – die Anklagebank in München ist prominent besetzt. Der amtierende Co-Chef und zwei ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank als Beschuldigte in einem Strafprozess – das hat Seltenheitswert. Auch die Vorwürfe gegen die Manager wiegen schwer: Vor dem Landgericht geht es ab dem 28. April um versuchten Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass die Banker sich absprachen, um Schadenersatz an die Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch zu verhindern. Wieder einmal holt die Pleite des Medienkonzerns 2002 die Deutsche Bank ein.

Das Medieninteresse an dem Prozess ist schon jetzt gewaltig: 249 Bewerbungen für die 24 Journalisten-Sitzplätze im Saal gingen bei Gericht ein. Auch die Finanzaufsicht Bafin wirft ein Auge auf das Verfahren – schließlich steht der Chef der Deutschen Bank vor Gericht, dem ausreichend Zeit für seinen eigentlichen Job bleiben muss.

Eine Frage der Ehre

Zweifel in dieser Frage rasch ausräumen könnte die Terminplanung des Münchner Landgerichts: Bisher ist ein Verhandlungstag pro Woche angesetzt, das dürfte Fitschen entgegenkommen. Schließlich ist der 66-Jährige entschlossen, so wurde aus seinem Umfeld immer wieder kolportiert, trotz der zusätzlichen Belastung für seine Ehre zu kämpfen. Wie die anderen Angeklagten hatte Fitschen die Vorwürfe stets zurückgewiesen und erklärt, er habe „weder gelogen noch betrogen“.

Ein wichtiger Zeuge in dem Prozess sieht das vermutlich anders. Richter Guido Kotschy, der das Zivilverfahren führte, in denen die Angeklagten gelogen haben sollen, wird wohl recht bald aussagen. Er hatte die Staatsanwaltschaft auf die aus seiner Sicht unstimmigen Aussagen der Banker hingewiesen.

In seiner damaligen Urteilsbegründung hatte Kotschy Klartext geschrieben. Nachweislich hätten die Bankvertreter in dem Verfahren falsch vorgetragen.

Die Zulassung der Anklage gegen Fitschen ermunterte manche Kommentatoren zu der Frage, ob der Banker nun den „Kulturwandel“ in seinem Haus noch glaubhaft verkörpern könne. Fitschen, der zudem als Präsident des Privatbankenverbandes BdB Sprachrohr der Branche ist, wollte aufräumen mit der bisweilen unrühmlichen Vergangenheit. Nun drückt die Altlast Kirch auch ihn.

Als Fitschens Vor-Vorgänger Breuer Anfang Februar 2002 die verhängnisvollen Worte über die Kreditwürdigkeit Leo Kirchs in einem New Yorker Hotelzimmer in eine Fernsehkamera sprach, war Fitschen noch im Konzernvorstand. Er wechselte danach auf eine niedrigere Managementebene, um später wieder in den Vorstand aufzurücken. Den Vergleich mit den Kirch-Erben Anfang 2014, der die Deutsche Bank 925 Millionen Euro kostete, verantwortete der gebürtige Niedersachse schon als Co-Chef im Führungsduo mit Anshu Jain.

Der Prozess kommt für die Deutsche Bank zur Unzeit: Der Dax-Konzern ist im Umbruch und steht vor schwierigen strategischen Entscheidungen. Soll die Bank wie bisher alle Kunden vom Privatkunden bis zum Kapitalmarktprofi aus einer Hand bedienen? Wird die Postbank abgespalten? Gelingt es, Privatkundenberater und Investmentbanker dauerhaft auf gemeinsame Werte einzuschwören und Auswüchse wie vor der jüngsten Finanzkrise möglichst zu verhindern? Im zweiten Quartal will die Deutsche Bank Antworten geben.

Fitschen ist nicht der erste Deutsche-Bank-Chef, der sein Büro zeitweise mit dem Gerichtssaal tauschen muss: Der Mannesmann-Prozess zwang Vorgänger Ackermann von Januar 2004 an dazu. Damals stellte das Düsseldorfer Landgericht den Prozess um Prämien- und Pensionsbeschlüsse im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone erst nach fast drei Jahren gegen eine Geldauflage ein.

Die Protagonisten im neuen Kirch-Prozess

Den Schadenersatzprozess um die Pleite des Kirch-Medienkonzerns legte die Deutsche Bank vor gut einem Jahr mit einem millionenschweren Vergleich bei. Doch nun kommt es Ende April erneut zum Prozess gegen amtierende und frühere Topmanager des Geldhauses. Die wichtigsten Protagonisten:

Jürgen Fitschen: Im Duo mit dem Investmentbanker Anshu Jain steht der Niedersachse seit Juni 2012 an der Spitze des größten deutschen Geldhauses. Kurz nach seinem Antritt als Co-Chef der Deutschen Bank verordnete der 66-Jährige dem Frankfurter Finanzriesen einen „Kulturwandel“. Als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) würde er dabei am liebsten gleich die ganze Branche mitreißen. Rolf Breuer: Es waren nur wenige Sätze, die der damalige Chef der Deutschen Bank im Januar 2002 in ein Reportermikrofon sprach. Breuer zweifelte in dem kurzen Gespräch die Kreditwürdigkeit Leo Kirchs an. Wenig später ging dessen Medienkonzern unter. Kirch machte dafür zeitlebens Breuer und die Deutsche Bank verantwortlich. Breuer steht für den Aufstieg der Deutschen Bank unter die großen Geldhäuser der Welt. Nachdem er 1997 das Ruder übernommen hatte, baute er das Investmentbanking aus. Bis 2006 war Breuer Aufsichtsratschef. Der Abschied von diesem Posten kam nicht ganz freiwillig: Schuld war auch die Causa Kirch.

Josef Ackermann: Der Schweizer wurde 2002 Nachfolger Breuers. Ackermann, bis Ende Mai 2012 Chef der Deutschen Bank, war wie kaum ein Banker für viele eine Reizfigur. Ob sein Millionengehalt oder offene Worte zu schwierigen Finanzproblemen: Der meist freundlich lächelnde Manager hatte den Ruf eines knallharten Ban-kers. Zwei zum Siegeszeichen erhobene Finger im Mannesmann-Prozess 2004 haften ihm bis heute als Symbol von Arroganz an. In der Finanzkrise präsentierte sich der heute 67-Jährige geläutert: Er räumte Fehler der Banken ein.

Peter Noll: Der grüne Hobby-Politiker hat als Richter reichlich Erfahrung mit Wirtschaftsbossen und Bankern. Je komplizierter die Fälle, desto mehr bemüht er sich um klare Sprache und Sachlichkeit. Bei schwierigen Themen bittet er Angeklagte oder Zeugen auch mal darum, es so zu erklären, dass es auch ein „kleiner bayerischer Richter“ verstehen kann. Zuletzt sorgte er mit der Einstellung des Bestechungsprozesses gegen Formel-1-Boss Bernie Ecclestone gegen 100 Millionen Dollar Geldauflage für Aufsehen. Text: dpa

 
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