Eine vierstündige Verhandlung am Amtsgericht Sonthofen, die auch in einer halben Stunde hätte beendet werden können: Ein Leutnant der Bundeswehr soll im alkoholisierten Zustand einer anderen Offizierin in einer Kaserne in Sonthofen an die Brüste und den Po gefasst und sie zweimal geküsst haben, obwohl sie damit nicht einverstanden war. Deshalb musste er sich wegen sexueller Nötigung vor dem Schöffengericht verantworten.
Der Vorfall ereignete sich vor etwa einem Jahr. Der damals 32-jährige Angeklagte war Teilnehmer eines Lehrgangs in Sonthofen. An einem Abend fand in der Teeküche ein Umtrunk der Lehrgangsteilnehmer statt. Auch die spätere Geschädigte nahm daran teil, ging aber auf die Stube, um zu schlafen. Um etwa 22.30 Uhr schrieb der Angeklagte der Offizierin, ob sie noch wach sei und er zu ihr kommen dürfe, was sie bejahte.
"Meine Kameraden haben mir erzählt, dass es ihr psychisch nicht gut geht. Deshalb wollte ich mit ihr reden", sagte der Angeklagte vor Gericht. In der Stube habe er sich zuerst neben das Bett gesetzt. "Das war unbequem und ich bin dann ins Bett." Das sei für die Frau in Ordnung gewesen. Die Offizierin habe dann angefangen zu weinen. "Ich habe gefragt, ob ich ihre Hand halten darf. Sie hat dann "Ja" gesagt." Nach etwa zehn Minuten habe der Angeklagte sie umarmt und das Zimmer verlassen.
Bundeswehrleutnant in Sonthofen vor Gericht
Laut Anklage hat der Leutnant die Frau aber an den Brüsten und am Gesäß angefasst und ihr zweimal einen Zungenkuss gegeben. "Das stimmt nicht", sagte der Angeklagte. Auch dass er ein zweites Mal ins Zimmer der Offizierin gegangen sei, bestritt er. "Ich weiß nicht, wie sie darauf kommt", sagte der Angeklagte. Er könne sich nicht daran erinnern, ein zweites Mal bei ihr gewesen zu sein.
Die Richterin und Staatsanwältin wurden dabei hellhörig. "Können Sie sich nicht mehr erinnern oder ist es einfach nicht passiert? Da gibt es einen großen Unterschied", sagte die Richterin. Eine einfache Frage, doch der Angeklagte überlegte lange und setzte immer wieder an, eine Antwort zu geben. Letztlich sagte er: "Ich bin mir sicher, dass ich das nicht getan habe und nur einmal bei ihr war."
Die Staatsanwältin glaubte dem Angeklagten nicht und befragte ihn zum Chatverlauf mit der Geschädigten. "Warum entschuldigen Sie sich dann am nächsten Tag bei der Frau? Sie haben doch nach eigener Aussage nichts verbrochen." Wortwörtlich habe er geschrieben: "Ich habe Scheiße gemacht. Es tut mir unendlich leid." Damit konfrontiert musste der Angeklagte wieder überlegen, was er sagt. "Ich habe mich nur anstandshalber entschuldigt", antwortete er.
Der Richterin, der Staatsanwältin sowie den beiden Schöffinnen leuchtete das nicht ein. "Man entschuldigt sich doch nicht, wenn man überhaupt nichts falsches gemacht hat", sagte die Richterin. Und die Staatsanwältin schob hinterher: "Das klingt für mich total unglaubwürdig. Gehen Sie nochmal in sich und erwägen Sie ein Geständnis." Nach einer kurzen Besprechung sagte der Verteidiger: "Mein Mandant ist nochmal in sich gegangen und es kann durchaus sein, dass er noch einmal in der Stube gewesen ist. Er kann sich aber nicht mehr genau erinnern."
Öffentlichkeit muss Saal im Amtsgericht Sonthofen verlassen
Um mehr über den Abend zu erfahren, rief die Richterin die Geschädigte als Zeugin auf. Weil es um intime Details ging, wollte die Frau nicht öffentlich aussagen. Deshalb musste die Öffentlichkeit den Saal verlassen. Die Aussage dauerte rund 90 Minuten. Zurück im Saal gab es auf einmal eine Kehrtwende und der Angeklagte wollte etwas sagen: "Ich möchte zugeben: Ich habe mich zu ihr ins Bett gelegt, sie zweimal geküsst und angefasst. Es tut mir wirklich leid."
Die Richterin klärte danach auf: Im Gespräch mit der Geschädigten habe sich gezeigt, dass der Angeklagte die Handlungen begangen hat. "Für ihn war es aufgrund seines alkoholisierten Zustands allerdings nicht erkennbar, dass die Frau dies nicht auch wollte. Die Geschädigte hat glaubwürdig geschildert, dass sie ihn nicht weggeschubst hat und es sogar teilweise erwidert hat", erklärte die Richterin. Demnach komme auch keine sexuelle Nötigung in Betracht, sondern ein sexueller Übergriff. Denn bei sexueller Nötigung wäre laut Richterin Gewalt erforderlich gewesen, um sexuelle Handlungen zu erzwingen. "Wir haben also keinen Verbrechens-, sondern einen Vergehenstatbestand."
Da die Schwelle des entgegenstehenden Willens nicht so leicht zu erkennen gewesen sei, "bietet es sich an, das Verfahren einzustellen. Was dienstrechtlich rauskommt, müssen Sie selber schauen", sagte die Richterin zum Angeklagten. Der Angeklagte muss 6000 Euro an die Geschädigte und 1200 Euro an den Verein "Frauen helfen Frauen" in Kempten zahlen.