Es ist der 5. Oktober 2022, als Anna Müller (Name geändert) alles beisammen hat. Die Augsburgerin hat den Antrag auf Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz ausgefüllt und Arztbriefe, Protokolle und internationalen Studien in einen Ordner geheftet. All das, was ihre Krankengeschichte seit der Corona-Impfung darlegt. "Natürlich habe ich gehofft", sagt die Frau von Mitte 20. Der Brief, der sie vor zwei Wochen erreichte, zerstört diese Hoffnung. "Ihr Antrag auf Beschädigtenversorgung wird abgelehnt", steht im Schreiben des Zentrums Bayern Familie und Soziales, kurz ZBFS. Dessen Versorgungsämter sind im Freistaat für soziale Entschädigungen zuständig und damit auch für die Impfgeschädigten.
Anna Müller ist ernüchtert, enttäuscht, traurig. "Für mich ist das ein Schlag ins Gesicht", sagt sie. "Ich habe ja nicht ins Blaue hinein behauptet, dass mich die Impfung krank gemacht hat." Die Probleme begannen im August 2021, nach der ersten Corona-Impfung. Schüttelfrost, leichtes Fieber, die Schmerzen im Arm, das hatte sie erwartet. In der zweiten Nacht kam das Kribbeln in Armen und Beinen, zwei Tage später griff es auf die Wirbelsäule über. Es folgten in den Monaten danach immer mehr Beschwerden: brennende Fußsohlen, taube Körperteile, Hautrötungen, Herzrasen, Überempfindlichkeit. Für Anna Müller begann eine Odyssee – vom Hausarzt zum Neurologen, vom Augsburger Uniklinikum über Tübingen bis nach Aachen. Im Sommer 2022 dann endlich die Diagnose: Posturales Tachykardie Syndrom (POTS) und Small-Fiber-Neuropathie (SFN) im zeitlichen Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung. So hat es ihre Neurologin im Arztbrief geschrieben.
Impfschaden: Einige Betroffene mit der Nervenkrankheit erhalten keine Entschädigung
Bis heute leidet die Studentin unter Nervenschmerzen, kann sich schlecht konzentrieren, ist kaum belastbar. Allein durch Treppensteigen oder Haareföhnen hat sie an schlechten Tagen einen Puls von 160. "Manchmal muss ich mich mitten in der Stadt auf den Boden legen, weil mir so schwindlig ist und mein Herz so sehr rast." Müller hat andere Ursachen für die Nervenkrankheit ärztlich ausschließen lassen, hat sicherstellen lassen, dass die Krankheit keine genetischen Ursachen hat. Doch das ZBFS sieht das anders. "Ein Anspruch auf Versorgung besteht erst dann, wenn mehr für als gegen einen Impfschaden spricht", schreibt die Behörde. Und: "Von einem Impfschaden kann daher nicht mehr von der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden."
Anne Müller geht es nicht ums Geld. "Es geht mir um Gerechtigkeit, Gerechtigkeit für uns alle." Damit meint sie auch die anderen Impfgeschädigten, mit denen sie sich in der Selbsthilfegruppe Post-Vac Augsburg trifft. Viele litten unter der Nervenkrankheit SFN, entschädigt sei bisher niemand worden, berichtet Müller. Sie will Widerspruch gegen den Bescheid einlegen.
Klarah Schwarz ist schon einen Schritt weiter. Nicht, was ihre Gesundheit angeht. Die Frau, Anfang 40, die als selbstständige Fotografin arbeitete, hat nun ihren Job aufgegeben, das eigene Atelier gekündigt. Seit November 2022 ist sie krankgeschrieben. "Ich war nicht mehr zuverlässig. Ich weiß ja nicht, ob ich meine Aufträge abliefern kann, oder ob ich nicht wieder im Krankenhaus liege", sagt Schwarz. Bei der Augsburgerin wurde ebenfalls die Nervenerkrankung SFN diagnostiziert, dazu ein posturales Tachykardiesyndrom, das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS), das zu schneller und lang anhaltender Erschöpfung führt. Und die Liste an diagnostizierten Krankheiten ist noch deutlich länger.
"Diese Impfung hat mein Leben zerstört"
Schwarz hat sich durch die Behörden telefoniert, hat zu hören bekommen, dass es so etwas nach einer Corona-Impfung doch nicht geben könne. Schließlich seien Millionen Impfungen ohne Nebenwirkungen verabreicht worden. "Das wollte lange auch niemand hören", sagt Klarah Schwarz. Im November 2021 hat sie ihren Antrag beim ZBFS eingereicht, dieser sei von Dienststelle zu Dienstelle gewandert. Im September 2022 kam die Ablehnung. Zusammen mit dem Sozialverband VdK hat Schwarz Widerspruch eingelegt, auch dieser wurde im März abgeschmettert. Nun ist eine Klage vor dem Sozialgericht Augsburg anhängig.
Klarah Schwarz sagt es klar und deutlich. "Das ist alles ziemlich scheiße!" Weil es Probleme mit ihrer privaten Krankenversicherung und der Berufsgenossenschaft gibt, weil ihre Anwältin abgesprungen ist, weil die Alleinerziehende mit Krankengeld und Unterhalt für die elfjährige Tochter nicht auskommt. Sie hat jetzt Bürgergeld beantragt – ein bitterer Schritt für die Frau, die sich etwas aufgebaut hatte. Doch sie will weiterkämpfen – gegen den Freistaat, den sie in der Verantwortung sieht. "Die Impfung hat mein Leben zerstört", sagt sie. "Es ist ein immenser Schaden passiert. Ich will, dass dieser Impfschaden anerkannt wird."