
Wie fühlt sich das wohl an, wenn man sich fünf Jahre in seinen Job als Digitalministerin reinhängt, aber von einer breiteren Öffentlichkeit nur wahrgenommen wird, wenn man ein Dirndl anzieht und bei Vereinsfesten daheim im Stimmkreis als Kellnerin mithilft? Und wie fühlt es sich an, wenn man nach fünf Jahren engagierter Arbeit das erste Digitalministerium, das es in Deutschland je gab, wieder abgeben muss?
Warum Digitalministerin Judith Gerlach zu Fragen bezüglich ihres Amtes schweigt
Antworten auf diese Fragen sind von Judith Gerlach (Juristin, 37 Jahre, verheiratet, Mutter von zwei Kindern) derzeit nicht zu erhalten. Die CSU-Politikerin aus Aschaffenburg schweigt – und es ist zu vermuten, dass es für ihr Schweigen nur einen Grund gibt: Sie will es sich mit CSU-Chef Markus Söder nicht verscherzen und ihre Chancen auf ein anderes Regierungsamt wahren.
Diese Chancen stehen offenbar nicht schlecht. Nachdem klar war, dass das Digitalministerium an die Freien Wähler geht, hat Söder bereits betont, dass Gerlach sich keine größeren Sorgen machen müsse. Er mag es halt nur nicht, wenn potenzielle Anwärter auf ein Regierungsamt für sich selbst Werbung machen, ehe er eine Entscheidung getroffen hat.
Kritik meist nicht gegen die Digitalministerin, sondern gegen die Umstände
Dass sie gute Karten hat, dürfte Gerlach wissen. Die Kritik, die es in den vergangenen fünf Jahren gab, galt in den seltensten Fällen ihr persönlich, sondern der Konstruktion ihres Ressorts – zu klein, zu wenig Geld, Kompetenzen und Personal. Und die vielen Reaktionen aus der digitalen Community auf ihr Ende als Digitalministerin zeigen, dass sie in der Szene offenbar geschätzt war. Sie wird für ihre „großartige Pionierarbeit“ bei der Digitalisierung als „Powerfrau“ gelobt. Ein Fan macht ihr Mut: „Wo Du bist, wird immer vorne sein.“
Dass sie – abgesehen von ihren Auftritten als Kellnerin – kaum für Schlagzeilen sorgte, darf dem Politikfeld zugerechnet werden, das sie zu beackern hatte. Digitalisierung gilt zwar als Zukunftsthema, ist aber, sobald es konkret wird, im politischen Alltag nur schwer zu verkaufen.
Unterschätzt, aber zielstrebig – in Zukunft in einem anderen Ministerium
Es ehrt Gerlach, dass sie sich, wie sie jüngst verriet, die Agatha-Christie-Detektivin Miss Marple zum Vorbild nimmt, die von ihrem Umfeld „vollkommen unterschätzt“ werde, am Ende aber zum Ziel komme. An der Spitze eines anderen Ministeriums – vielleicht Gesundheit? – wird sie ihre Zurückhaltung aber aufgeben müssen. Mindestens so wichtig wie die Sache selbst ist in der Politik die Kommunikation.