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DEININGEN/WÖRNITZ
Polizei holt 40 Kinder aus Glaubensgemeinschaft
Blick auf die Kirche in Klosterzimmern: Dort lebt die Glaubensgemeinschaft der „Zwölf Stämme“.
Foto: dpa | Blick auf die Kirche in Klosterzimmern: Dort lebt die Glaubensgemeinschaft der „Zwölf Stämme“.
dpa
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:47 Uhr

Nach neuen Misshandlungsvorwürfen hat die Polizei 40 Kinder der Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ in Schwaben und Mittelfranken abgeholt und in Obhut genommen. Um die Mädchen und Buben der Gemeinschaft gibt es seit Jahren Streit. Sie sollen geprügelt und gezüchtigt worden sein. Zudem gingen sie nicht auf eine normale Schule. Die Hinweise auf Kindesmisshandlung hätten sich im August verdichtet, erklärten die Behörden am Donnerstag. Das Amtsgericht Nördlingen ordnete deswegen einen vorläufigen Sorgerechtsentzug an.

28 Kinder holte die Polizei vom Gutshof Klosterzimmern in Deiningen (Landkreis Donau-Ries) ab, zwölf weitere in Wörnitz (Kreis Ansbach). Allein in Klosterzimmern seien etwa 100 Polizisten im Einsatz gewesen, sagte Ludwig Zausinger, Sprecher des Augsburger Polizeipräsidiums.

Keinen starken Widerstand

Das Amtsgericht hatte dem Jugendamt die Sorge für die Kinder übertragen. Starken Widerstand der Eltern oder der Kinder habe es bei der Polizeiaktion nicht gegeben: „Wir sind froh, dass alles so vernünftig abgelaufen ist“, sagte Zausinger.

Amtsgerichtsdirektor Helmut Bey-schlag hält die Vorwürfe gegen die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft für schwerwiegend: Aussteiger hätten darüber berichtet, dass die Kinder immer wieder „gezüchtigt“ werden, etwa durch wochenlange Isolation. Laut Polizei wurden auch Weidenruten sichergestellt. „Das Kindeswohl war massiv gefährdet“, sagte Beyschlag. Zum Schutz der Kinder habe das Familiengericht handeln müssen.

Alle 40 Kinder seien nun in der Obhut der beiden Landratsämter und würden vorerst in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht. Die Behörde in Donauwörth kümmert sich auch um vier Kleinkinder – das jüngste ist sieben Monate alt. Die stillende Mutter verließ die Glaubensgemeinschaft gemeinsam mit dem Baby, sagte Jugendamtsleiter Alfred Kanth. Er habe den Abschied zwischen Eltern und Kindern als sehr emotionslos wahrgenommen. Die Kinder hätten sich nicht an ihre Eltern geklammert – so etwas habe er in 40 Berufsjahren noch nicht erlebt.

Die „Zwölf Stämme“ waren immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Neben Vorwürfen wegen Kindesmisshandlung und möglicherweise rassistischen Lehrinhalten gibt es seit Jahren Streit um die Schulpflicht der Kinder. Die Mitglieder der Glaubensgemeinschaft hatten sich geweigert, ihre Kinder in staatliche Schulen zu schicken. Unter anderem wegen des Sexualkundeunterrichts machten sie religiöse „Gewissensgründe“ geltend. 2004 waren mehrere Väter wegen der Verweigerung in Erzwingungshaft gekommen. Der Privatschule der Gemeinschaft hatte das Kultusministerium zum 31. Juli 2013 die Genehmigung entzogen, weil sie keinen geeigneten Lehrer mehr nennen konnte. Die etwa 20 schulpflichtigen Kinder müssen damit von kommender Woche an staatliche Schulen oder zugelassene Privatschulen besuchen. Inzwischen liegt dem Ministerium ein Antrag der Gemeinschaft auf die Genehmigung einer neuen sogenannten Ergänzungsschule vor.

 
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