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Daiting
Streit um die Energiewende: Wohin mit all den Solarparks?
Sobald Photovoltaikanlagen geplant sind, gibt es Diskussionen. In Dillingen will man nun Solarstrom auf dem Baggersee erzeugen. Doch das Projekt steht vor dem Aus.
Schwimmende Photovoltaik-Anlage.jpeg       -  Eine sogenannte Floating-PV-Anlage schwimmt auf dem Silbersee III in Haltern am See.
Foto: BayWa r.e./Quarzwerke, dpa | Eine sogenannte Floating-PV-Anlage schwimmt auf dem Silbersee III in Haltern am See.
Sonja Dürr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:06 Uhr

Am Wochenende hat die Bürgerinitiative das große Banner aufgehängt. Direkt am Ederhof, auf einer Anhöhe über Daiting– dort, wo die 24 Hektar große Freiflächen-Photovoltaikanlage geplant ist. "Kein Solarpark!" steht auf dem Transparent. Und: "Ja zum Bürgerentscheid." 

Die Diskussion um Solarparks findet längst nicht nur in der 800-Einwohner-Gemeinde im Donau-Ries statt. Klar ist: Wenn die Energiewende gelingen soll, braucht es mehr regenerative Energie und auch mehr Sonnenstrom. Nicht nur auf privaten Dächern, sondern auch auf Freiflächen. Viele Kommunen weisen derzeit Gebiete für Solarparks aus, Investoren drängen auf Agrarflächen. Doch das gefällt längst nicht allen. Anwohner stören sich am Anblick, Landwirte daran, dass die Flächen ohnehin immer knapper werden.

Auch im Landkreis Donau-Ries kennt man die Diskussionen um die Solarparks. Erst im März haben die Bürgerinnen und Bürger in Buchdorfüber einen geplanten 26 Hektar großen Solarpark abgestimmt. Und das Votum war klar: 68 Prozent lehnten das Vorhaben ab. Jetzt wird im Nachbarort Daiting diskutiert. Auch hier gab es schon einen Bürgerentscheid zum Thema Freiflächen-Photovoltaik. 2020 kippten die Bürger mit knapper Mehrheit acht geplante Solarparks, die verteilt über die Kommune errichtet werden sollten.

Am 25. Juni sollen die Bürger über den Solarpark abstimmen

Für Marion Schwich hat sich an der Sachlage nichts geändert – selbst wenn die neue PV-Anlage an einer Stelle konzentriert werden und vom Ort her nicht zu sehen sein soll. "Es darf nicht sein, dass diese landwirtschaftlichen Flächen einem Solarpark zum Opfer fallen", sagt Schwich. Photovoltaikanlagen sollten vielmehr entlang von Bahnlinien, an Autobahnen oder auf Dächern errichtet werden – und nicht auf wertvollen Ackerböden. "So wird nur der Flächenfraß vorangetrieben." Schwich hat mit Mitstreitern eine Bürgerinitiative gegründet und Unterschriften gesammelt, am 25. Juni dann sollen die Daitinger über den Solarpark abstimmen.

Das Wort "Flächenfraß" lässt Roland Wildfeuer nicht gelten. "Das ist doch nur Lobbyismus der Landwirtschaft", sagt der Daitinger Bürgermeister. Dass man im kleinen Ort Angst schüre und den Leuten erzähle, die Nahrungsmittel reichten nicht mehr, wenn der Solarpark käme, kann er nicht verstehen. Zumal der Gemeinderat PV-Anlagen auf maximal zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche zugelassen habe.

Wildfeuer will wiederum ein Ratsbegehren auf den Weg bringen, damit die Bürgerinnen und Bürger nicht nur über den Antrag der Bürgerinitiative abstimmen können, sondern auch über die Pläne des Gemeinderats. Am Solarpark führe für Daiting kein Weg vorbei, betont Wildfeuer. "Wir brauchen die Energie. Und wir brauchen die Einnahmen." Vom Betreiber, den Lechwerken (LEW), wäre garantiert, dass von Anfang an Gewerbesteuer und eine EEG-Umlage von 0,2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom in die Gemeindekasse fließen – aufs Jahr gerechnet zwischen 30.000 und 80.000 Euro. Ein Betrag, den die Kommune, die kaum Gewerbesteuer einnimmt, dringend bräuchte – etwa, weil sie immer mehr für Kinderbetreuung ausgeben muss. Die neue dritte Kindergartengruppe etwa koste zwischen 70.000 und 90.000 Euro im Jahr. "Wie sollen wir als kleine Gemeinde das bezahlen?", fragt Wildfeuer. 

Die Idee: Strom auf einem Baggersee erzeugen

In Dillingen sitzt Oberbürgermeister Frank Kunz im Rathaus und sagt: "Man muss ja gar keinen wertvollen Ackerboden zuknallen." Schon jetzt würden der heimischen Landwirtschaft viele Flächen entzogen. Stattdessen kam man auf die Idee, auf einem Baggersee Strom zu erzeugen. Gemeinsam mit dem Kiesunternehmer Mark Wager wollten die Donau-Stadtwerke Dillingen-Lauingen eine sogenannte schwimmende Photovoltaikanlage installieren, genutzt werden sollte dafür der "Schlammsee" im früheren Kieswerk zwischen Dillingen und Holzheim. Auf dem Gelände gibt es seit vergangenem Jahr bereits einen Solarpark, der etwa 600 Haushalte mit grünem Strom versorgt. Die "Floating PV" auf dem angrenzenden See sollte saubere Energie für weitere 1700 Haushalte produzieren.

Sollte. Denn inzwischen sagt Kunz: "Wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, ist das Projekt an dieser Stelle definitiv auf Eis gelegt." Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Ampel-Koalition im Juli 2022 grundlegend überarbeitet hat, und damit einhergehend das Wasserhaushaltsgesetz beschränkt auch schwimmende Solaranlagen. Diese müssen künftig mindestens 40 Meter Abstand zum Ufer haben und dürfen höchstens 15 Prozent der Wasseroberfläche bedecken. Dann, so OB Kunz, "kommt noch eine Briefmarke raus" – heißt: Das Vorhaben kann wirtschaftlich nicht umgesetzt werden. Denn im Kiesabbaugebiet gibt es nicht einen großen See, sondern mehrere kleine.

In den Niederlanden und in Österreich gibt es solche schwimmenden PV-Anlagen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE sieht auch für Deutschland enormes Potenzial. 44 Gigawatt Leistung könnte auf Baggerseen oder Stauseen hierzulande erzielt werden, hat das Institut errechnet. Die Anlagen seien zudem effektiver als konventionelle Freiflächenanlagen, weil das Wasser die an Schwimmkörpern angebrachten Module kühlt, die Stromproduktion steige so um drei bis fünf Prozent. Auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) fordert vom Bund, das Wasserhaushaltsgesetz zu reformieren. 15 Meter Abstand der PV-Anlage zum Ufer und maximal 50 Prozent der Wasserfläche sieht Aiwanger als "praxistaugliche" Vorgabe. "Allein Bayern hat ein großes Potenzial von tausenden für die PV nutzbaren Seen", sagt der Minister. 

In Dillingen hat Oberbürgermeister Kunz die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass auf dem "Schlammsee" bald Sonnenstrom erzeugt wird. Wenn die gesetzlichen Vorgaben geändert würden, könne man sofort in die Bauleitplanung gehen. Dafür brauche es aber mehr Flexibilität vom Gesetzgeber. "Wenn die Energiewende wirklich gelingen soll, dann darf man nicht ständig neue Auflagen in allen Bereichen erlassen."

 
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