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MÜNCHEN/WÜRZBURG
Parteien in der Zwickmühle: Wie mit der AfD umgehen?
AfD-Landesparteitag       -  Zu Podiumsdiskussionen wird im Landtagswahlkampf auch die AfD eingeladen. Andere Parteien sagen da lieber ab. Und ließen nun eine Veranstaltung des Blindenbundes platzen.
Foto: Stefan Sauer (dpa-Zentralbild) | Zu Podiumsdiskussionen wird im Landtagswahlkampf auch die AfD eingeladen. Andere Parteien sagen da lieber ab. Und ließen nun eine Veranstaltung des Blindenbundes platzen.
Benjamin Stahl
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:54 Uhr

Es gibt ja Menschen, die unangenehme Situationen einfach ignorieren. Augen schließen, Ohren zuhalten. Solange, bis sich der Sturm gelegt hat. Auch so mancher Politiker hat diese Taktik für sich entdeckt. Doch nicht alles lässt sich aussitzen und verschwindet einfach wieder. Dazu gehört auch die AfD und ihr Aufstieg. Vor allem Landtagskandidaten bekommen das derzeit zu spüren: Nehmen sie etwa an Podiumsdiskussionen teil, finden sie sich häufig neben einem AfD-Kandidaten wieder. Der mag sie dann als „Vertreter des Altparteienkartells“ beschimpfen, ihnen vorwerfen, eine „Islamisierung“ Deutschlands voranzutreiben, oder in die rhetorische Mottenkiste der Nazi-Zeit greifen und den Holocaust verharmlosen. Soll man sich mit solchen Leuten auf eine Bühne setzen – und ihnen so eine Bühne bieten? Immer wieder beantworten Politiker der anderen Parteien diese Frage mit nein. Deswegen fiel nun eine Veranstaltung des Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB) in München ins Wasser.

Ausladung der AfD als Bedingung

Die Themen schienen harmlos. Es sollte nicht um Flüchtlinge oder den Islam gehen. Stattdessen hätte der BBSB Anfang dieser Woche über Barrierefreiheit, Teilhabe am Arbeitsleben, schulische Inklusion und mobile sonderpädagogische Dienste reden wollen. Hätte. Denn ein Großteil der zu der Podiumsdiskussion eingeladenen Vertreter von Parteien, die Chancen auf einen Einzug in den nächsten Bayerischen Landtag haben, sagten wenige Tage vor der Veranstaltung ab. Sie würden nur kommen, wenn der Vertreter der AfD wieder ausgeladen würde, so Thomas Huber (CSU), Ilona Deckwerth (SPD), Kerstin Celina (Bündnis 90/Die Grünen), Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler) und Eva Bulling-Schröter (Die Linke) in einem gemeinsamen Schreiben.

Kerstin Celina (Bündnis 90/Die Grünen) wollte nur an der Veranstaltung teilnehmen, wenn der Vertreter der AfD ausgeladen würde.
Foto: Roland Pleier | Kerstin Celina (Bündnis 90/Die Grünen) wollte nur an der Veranstaltung teilnehmen, wenn der Vertreter der AfD ausgeladen würde.

Ihre Argumentationen klingen ähnlich. Sie wollen ihre Absage nicht als Absage an den BBSB verstanden wissen, „sondern als klare Positionierung“ gegen die AfD. „Grundsätzlich ist es schon angebracht, auf einer Podiumsdiskussion mit der AfD zu diskutieren“, erklärt etwa der Freie-Wähler-Abgeordnete Fahn gegenüber dieser Redaktion. „Aber in diesem Fall war es eine besondere Situation.“ Die AfD habe sich „durch unsägliche Aussagen“ über Schwerbehinderte für eine Diskussion „disqualifiziert“. Auch der CSU-Abgeordnete Huber betont, „ausschlaggebend“ für seine Entscheidung seien „Äußerungen der AfD über Menschen mit Behinderungen“ gewesen, die er „extrem verstörend“ nennt.

Kritik an „rassistischen Äußerungen“

Die Politiker spielen insbesondere auf eine „kleine Anfrage“ der AfD im Bundestag an, in der sie im März unter anderem Auskunft zur Zahl und zur Staatsbürgerschaft schwerbehinderter Menschen haben wollte. Außerdem fragte die AfD-Fraktion, inwieweit Behinderungen „durch Heirat innerhalb der Familie“ entstanden sind – und ob die Eltern Migrationshintergrund haben. Kritiker werteten das als Versuch, einen Zusammenhang von Behinderung und Migration zu konstruieren. 18 Sozialverbände hatten sich daraufhin zusammengetan und eine Zeitungsanzeige geschaltet. Darin hieß es: „Die Fraktion der AfD erkundigt sich vordergründig nach der Zahl behinderter Menschen in Deutschland, suggeriert dabei jedoch in bösartiger Weise einen abwegigen Zusammenhang von Inzucht, behinderten Kindern und Migrantinnen und Migranten.“

In seiner aktuellen Pressemitteilung betont der BBSB, dass er die Annonce unterstützt und spricht dabei von „rassistischen Äußerungen der AfD“. Vor diesem Hintergrund versteht SPD-Frau Deckwerth nicht, „dass man denen eine Bühne gibt“. Erst vor gut zwei Wochen habe sie bemerkt, dass ein AfD-Teilnehmer eingeladen sei. Angaben des BBSB zufolge war schon im Februar „für alle ersichtlich“, wer eingeladen war. Hätte sie an der Diskussion teilgenommen, sagt Deckwerth hörbar aufgewühlt in einem Telefonat, „wäre in mir etwas zerbrochen“. Sie sei „nicht davon ausgegangen, dass gerade der Blindenverband“ die AfD einlädt, erklärt auch die Linken-Politikerin Bulling-Schröter. „Das konterkariert all unsere Bemühungen für Inklusion und Abbau von Vorurteilen gegenüber Behinderten.“

Entlarven oder keine Bühne bieten?

Die Würzburger Grünen-Abgeordnete Celina treibt noch etwas anderes um. „Im Rahmen dieses Diskussionsformates hätte die AfD voraussichtlich die Möglichkeit gehabt, sich mit banalen und abwiegelnden Sätzen als harmlos darzustellen“, glaubt sie.

Das sieht Sebastian Körber anders. Der oberfränkische FDP-Spitzenkandidat hätte als einziger mit der AfD diskutiert. „Gerade bei Podiumsdiskussionen besteht die Möglichkeit, die AfD inhaltlich zu stellen“, ist er überzeugt. Dabei lasse sich „gut herausarbeiten, dass sich hinter einfachen Parolen oft nicht genügend tragfähige Inhalte wiederfinden“. Und die AfD entlarve sich bei solchen Diskussionen „oft selbst, indem sie ein Welt- und Menschenbild propagiert, hinter welchem weder die allermeisten Bürger Bayerns noch die anderen demokratischen Parteien stehen können“.

Unterdessen ist sich Ilona Deckwerth den Folgen einer Absage bewusst. „Die AfD benutzt uns“, meint sie. Eine Ausladung hätte die Partei instrumentalisiert, eine Diskussion hätte sie als „Reinwaschung“ genutzt.

AfD vermutet „kalte Füße“ bei der Konkurrenz

Und jetzt? Die Absage der anderen Parteien empfindet der vom BBSB eingeladene AfD-Vertreter Markus Bayerbach als „Anstandslosigkeit“ gegenüber den ehrenamtlichen Organisatoren. Zudem zeige sie „das Verhältnis zur demokratischen Kultur“, findet er. Die anderen Parteien würden die AfD immer als „Partei ohne Lösungen“ bezeichnen. „Aber die Parteien wissen eben doch, dass wir mehr sind.“ Vermutlich hätten sie „kalte Füße bekommen“ und deshalb abgesagt. Unterdessen wird der Fall in rechtspopulistischen Internetforen ausgeschlachtet. „Wie Linksfaschisten Wahlkampf der übelsten Sorte auf dem Rücken von Behinderten betreiben“ lautet die Überschrift eines Artikels.

Wie also umgehen mit der AfD? Augen schließen, Ohren zuhalten, ignorieren – das wird wohl spätestens im Oktober nicht mehr funktionieren. Denn viele AfD-Kandidaten, mit denen jetzt kaum jemand auf dem Podium sitzen will, werden dann wohl im Landtag sitzen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage wollen 13 Prozent der Bayern die AfD wählen.

 
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  • dreggen
    Liebe Politiker, das ist erbärmlich. Die Basis einer Demokratie ist die Diskussion. Dem BBSB ist wohl kaum zu unterstellen der AfD unfaire Vorteile bieten zu wollen. Also warum glaubt ihr, daß ihr euch den leeren Phrasen von Hohlköpfen nicht stellen könnt? Ein Podium bietet man nur, wenn man die Argumente nicht als Worthülsen entlarven kann. Aber sachlich diskutiert über wichtige Dinge wird im Land ja schon lange nicht mehr. Da immer mehr Berufspolitiker gewählt werden wundert mich das schon, daß man seinen Standpunkt nicht vertreten kann. Oder hat man einfach keinen? Wenn der Bürger das Gefühl hat, daß seine Probleme ignoriert werden, müsst ihr euch nicht wundern, wenn euch die Wähler weglaufen.
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  • taube.flieg
    Man drückt sich immer dann vor Diskusionen, wenn der Andere die besseren Argumente hat!!!
    Oder wer möchte Behinderten erklären, warum sie und ihre Angehörigen, um jeden Cent für Hilfe im Alltag bei den Sozialkassen kämpfen, gar betteln müssen.
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  • mpl
    Die AfD hat die „besseren Argumente“?

    Die AfD ist die Partei, die sich am stärksten für Behinderte und sozial Benachteiligte einsetzt?

    Sie meinen jetzt ernsthaft die Partei, die versucht hat, mithilfe einer kleinen Anfrage im Bundestag die Behauptung aufzustellen, dass selbst die Schwerbehinderungen in Deutschland auf ein Migrationsproblem zurück zu führen sind?

    Das sind für Sie die „besseren Argumente“? Das nennen Sie Einsatz und Unterstützung für Behinderte?

    Im Ernst jetzt?

    Oder habe ich die subtile Ironie Ihres Beitrags einfach nicht mitbekommen … ?
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  • Apfelkorn
    Zu einer Zeit, die aus den Fugen geraten ist, und extremes Gedankengut sich wie ein reißender Strom seine Bahn bricht, ist es so wohltuend, wenn kühle Köpfe noch den Weg des goldenen Mittelmaßes schätzen. Wenn Politiker wie Frau Stamm ihre Partei zur Mäßigung aufruft, so weiß sie, wie sehr die Zeit nach Normalität lechzt. Wenn Teile der CSU auf den rechten rand der AfD setzen möchten, und sie wie weiland FJS mit Wildbad Kreuth Pflöcke ins Makabre einschlagen möchten, droht ihnen der Verlust der Mitte. Am Besten ist es die AfD kühl abzuservieren.
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  • mpl
    Veranstaltungen boykottieren, falls AfD-Vertreter anwesend sind?

    Auf den ersten Blick irritierend, auf den zweiten Blick vielleicht gar nicht mal so dumm.

    Denn eine Auseinandersetzung mit der AfD ist immer ein ungleicher Kampf.

    Und wohin sollte eine solche Auseinandersetzung auch führen?

    Die AfD ist keine „gewöhnliche“ Partei. Politik ist immer ein schmutziges Geschäft – aber die AfD spielt schon in einer eigenen Liga. Sie widersetzt sich mit spielerischer Leichtigkeit jedem Gebot von Vernunft, Anstand und Wahrheit. Wer das gut findet – oder zumindest akzeptiert – der wird sich auf lange Sicht ohnehin nicht bei einer anderen Partei halten lassen. Denn für den wurde die AfD geschaffen.

    Deutschland ist ein sehr freies Land. Weshalb diese Freiheit nicht dafür nutzen, sich einem Diskussionsgegner zu entziehen, der sich eben nicht an die Regeln eines respektvollen und kultivieren Umgangs hält?

    Je länger ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir der Ansatz …
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  • dottore
    Die Demokratie ist halt gefährlich. Die Menschen können wirklich frei wählen. Und Frau Merkel ist Dank ihrer Borniertheit der beste AfD Sponsor, den es gibt. Wenn Merkeö zurücktritt, ist die AfD am Ende.
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  • mausschanze
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  • traumfrau
    Eine INSA- Umfrage von heute (27.06.2018) sieht die AfD bei 14 % in Bayern. CSU bei 41 %, SPD und Grüne bei jew. 13 %, FDP 5 % und FW 6 %. Die Linken sind mit 3 % raus, FDP und FW ggf. knapp drin.

    Fakt ist, die AfD ist aktuell die zweitstärkste Kraft - man KANN sie nicht einfach ignorieren!
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  • Erding
    Wer die AfD ignoriert, ignoriert sich selbst!
    Und landet dann ganz weit hinten und "verkommt" zur Bedeutungslosigkeit. Ich denke, die Meinungsumfragen haben ein Problem, sie ignorieren die "schweigende" Mehrheit. Bei den Wahlen fallen dann wieder viele aus den Wolken. So schlecht wie getan wird sind die Mehrheiten für die CSU nicht. Wetten? Man vergleiche doch das "Getue" um unsere "Fast- oder Beinahe-Weltmeister. Das Resultat: Morgen startet der Flieger um 11:00 Uhr. Viele haben die "Zeitenwende" noch garnicht richig erfasst. Sie reden von Ignorieren als ob sie die Mehrheit hätten. Der Schein trügt. Aus den Ignoranten können sehr bald Bittsteller werden. Und dann? Last but not least die Frage, was ist eigentlich die Hauptaufgabe, was sind die Hauptanliegen? Die AfD, sicherlich nicht!
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