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Ostallgäu
Ostern ist Hochsaison in der Schafzucht
Woher kommt das regionale Lammfleisch zu Ostern und wie läuft die Aufzucht ab? Schafzüchter Markus Hollenrieder aus Aufkirch im Ostallgäu hat Antworten.
Alexander Vucko
 |  aktualisiert: 05.04.2024 02:44 Uhr

Sie heißen Pia, Elma und Gloria. Markus Hollenrieder und seine Frau Sandra kennen die vielen Lämmer, ihre Mütter und die wenigen Böcke auch ohne auf die Ohrmarken schauen zu müssen. Manche unterscheiden sie am Blöken, andere am Gang oder Aussehen. Gut 70 Tiere der robusten und zutraulichen Krainer Steinschafe stehen über den Winter im Stall der Hollenrieders in Aufkirch (Ostallgäu). „Die Rasse begeistert uns einfach“, sagt der Schafzüchter. Nach der Schur von Mai an bis in den Oktober grasen die Tiere wieder auf den Weiden rund ums Dorf, begleitet von Border Collie Gismo. Neben dem Herbst sind die Wochen vor Ostern Hochsaison auf dem Zuchtbetrieb - jetzt ist die „Lammzeit“.

Regionales Lammfleisch ist Vielen gerade zu Ostern der Preis wert

Für viele Menschen gehört zum Fest der Lammbraten auf den Tisch. „Die Leute legen seit Corona deutlich mehr Wert auf regionale Produkte“, sagt Hollenrieder (48), der auch selbst schlachtet, ganze und halbe Tiere verkauft. Der Hof ist zwar nicht bio-zertifiziert, das zarte wildbretartige Fleisch mit wenig Fettansatz hat laut Hollenrieder jedoch Biostandard. Die Krainer Steinschafe liefern seinen Worten nach zudem eine Qualität wie sie vom Angus und Galloway bekannt ist. Dafür zahlen die Kunden aus der Region auch rund 30 Prozent mehr.

„Die wollen wissen, wie die Tiere gehalten werden, woher das Fleisch kommt“, sagt der Landwirt. „Viele essen zudem selten Fleisch, und wenn dann ein besonders gutes.“ Etliche Kundinnen und Kunden schauen zuvor bei den Hollenrieders im Stall vorbei. „Wir sprechen über die Schafe“, sagt Sandra Hollenrieder, „und manchmal sprechen wir auch mit ihnen.“ Welche Tiere zur Schlachtung vorgesehen sind, steht dann bereits fest.

Selbst schlachten gehört in der Landwirtschaft mitunter dazu

Das Ehepaar Hollenrieder und seine beiden Töchter Selina und Lisa lieben ihre Tiere. Der Gang in den Schlachtraum gehöre in seiner Landwirtschaft und besonders bei der vom Aussterben bedrohten Rasse allerdings dazu, sagt Markus Hollenrieder. „Wir könnten sonst gar keine Zuchtbetrieb führen und die Rasse erhalten.“

Für die Jungtiere ist es meist nach zehn bis zwölf Monaten so weit, aber auch ältere Schafe bieten noch gutes Fleisch. Zuletzt sei ihm Elli, ein altes Tier, sogar freiwillig zur Schlachtbank gefolgt, erzählt der Schafzüchter. Danach habe der Tierarzt Arthrose und ein Hüftleiden bei ihr festgestellt. Auch diesen letzten Gang auf dem eigenen Hof wolle er für die Schafe so stressfrei wie möglich gestalten. „Unsere Tiere werden nicht stundenlang zu einem Schlachthaus gefahren“, sagt er.

Auch Kängurus wurden in Aufkirch zwischenzeitlich gezüchtet

Vor 15 Jahren ging die Landwirtschaft in Aufkirch von den Eltern auf den Sohn über. Damals standen im Stall und auf den 15 Hektar Grund noch Rinder. Junior Hollenrieder war immer experimentierfreudig, hielt sogar mal ein halbes Dutzend Kängurus, die schnell zur Attraktion wurden, aber als Nutztiere schlicht nicht zu gebrauchen sind. Als sich die Hollenrieders beim Griechen einst Lammfleisch schmecken ließen, wurden sie enttäuscht. „Das können wir besser“, sagte er und schaffte sich vor zwölf Jahren die ersten beiden Mutterschafe Elli und Nora an, die im März 2012 ihren ersten Nachwuchs zur Welt brachten.

Seitdem züchtet die Familie auf ihrem anerkannten Herdebuchbetrieb die Gebirgsschafe, die nach Aufgabe der Milchkuhhaltung zum Mittelpunkt des kleinen landwirtschaftlichen Betriebs wurden. Markus Hollenrieder, ein ehemaliger Zeitsoldat, gelernter Fluggerätmechaniker und Industriemachaniker, arbeitet heute in Teilzeit. Die andere Hälfte des Tages gilt dem Hof. So ist es auch bei seiner Frau Sandra.

Für mehr als 100 Tiere ist auf dem Zuchthof kein Platz - aus Kostengründen

Viel größer, bis maximal 100 Tiere, soll die Herde nicht werden. Jetzt können die Hollenrieders den Hof nämlich noch mit den alten Maschinen der Eltern führen, das Grünland bewirtschaften, Winterfutter machen und ausmisten. Auf dem Hof steht die Zucht im Vordergrund, Tiere werden auch verkauft. Der Vertrieb von Fleisch der Krainer Steinschafe deckt einen Teil der Kosten. Die Felle der geschlachteten Tiere arbeitet eine Gerberei im Schwarzwald auf. Auch die Wolle eignet sich zur Herstellung naturfarbener Teppiche, zum Filzen, als Strickwolle – oder als Langzeitdünger. „Das macht den Tomaten warme Füße, heißt es“, sagt Sandra Hollenrieder. Wäre der Aufwand nicht so groß, ließe sie sich auch zu Kleidung verarbeiten.

„Für uns ist das ehrliches Fleisch“, sagt Markus Hollenrieder. „Wir wollen, dass die Tiere ein gutes Leben führen.“ Das heißt, in der Herde soll es möglichst keine Hektik geben. Trotz des Blökens, wenn Besuch kommt, ist es relativ ruhig im Stall. So ruhig, dass Hollenrieder gestressten Kollegen hin und wieder einen besonderen Service anbietet. „Die setzen sich dann zu den Schafen, kuscheln und entspannen sich dort“, sagt der Züchter. „Das ist wie ein Wellness-Wochenende.“

 
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