In all das Lob, das Paris bisher für die Olympischen Spiele erhalten hat, mischte nur die Seine einen steten Strom an Wermutstropfen. Dabei ging es um die Wasserqualität des Flusses, in dem nach den Triathleten nun auch die Freiwasserschwimmerinnen ihren Wettbewerb austragen sollten. Immer wieder hatten die Messungen in den vergangenen Tagen gesundheitsgefährdende Werte ergeben. Ein Triathlonrennen musste gar verschoben werden.
Die Entscheidung, ob geschwommen werden kann, fiel jeweils erst am frühen Morgen des Wettkampftages. An diesem Donnerstag verschickte der Pressesprecher des Deutschen Schwimmverbandes um 4.20 Uhr die Kunde, dass die Freiwasserschwimmerinnen um 7.30 Uhr starten durften. Aus Sicht des DSV entpuppte sich das Zehn-Kilometer-Rennen aber nicht als Erfolgsgeschichte. Leonie Beck kam als Neunte ins Ziel, Leonie Märtens, Schwester von 400-Meter-Olympiasieger Lukas Märtens, schlug als 22. an. Gold ging an die Niederländerin Sharon van Rouwendaal. Silber sicherte sich Moesha Johnson aus Australien vor der Italienerin Ginevra Taddeucci.
Als entscheidend stellte sich schnell der Umgang mit der Fließgeschwindigkeit des Flusses heraus. „Ich bin noch nie gegen eine so starke Strömung geschwommen“, sagte Beck nach dem Rennen. Wie alle anderen habe sie versucht, „in der Mauer drin zu schwimmen, sie sozusagen zu küssen“. In Ufernähe ist die Strömung am geringsten. Diesen Vorteil wollten alle Schwimmerinnen ausnutzen. Bestraft wurden die, die sich an den Wendebojen und auf dem Weg zur Versorgungsstation zu früh aus der Komfortzone wagten.
Das Führungstrio setzte sich nach Hälfte des Rennens ab
Nach der ersten Runde war Beck dieser Fehler unterlaufen, wie auch Bundestrainer Bernd Berkhahn analysierte. „Da ist sie taktisch nicht so gut geschwommen und sehr früh in die Strömung gegangen. Sie hat das vollkommen unterschätzt und alle anderen sind an ihr vorbeigegangen.“
Danach habe sich Beck, die in Augsburg geboren und in Würzburg aufgewachsen ist, wieder rangekämpft und „wir dachten, sie ist wieder im Rennen, das macht sie. Dann war es hinten an der Boje taktisch wieder nicht so gut und sie hat wieder den Anschluss verloren.“ Danach sei es auch vom Kopf her schwierig geworden, sich noch einmal heranzuarbeiten. Berkhahn: „Wenn man diese Lücke einmal aufgebaut hat, ist es einfach schwer auf diesem Kurs.“
Schwierige Bedingungen sollen keine Ausrede sein
Etwa nach Hälfte des Rennens hatte sich an der Spitze jenes Trio vom Rest des Feldes gelöst, das am Ende auch den Medaillensatz unter sich aufteilte. Beck, die als Medaillenkandidatin ins Rennen gegangen war, konnte nicht mehr eingreifen. „Ich weiß nicht, was ich hätte anders machen können. Ich kann mir nichts vorwerfen. Ich habe alles versucht, von Anfang bis Ende“, sagte sie nach den etwas mehr als zwei Stunden im Wasser.
Die schwierigen Bedingungen wollte sie aber ausdrücklich nicht als Ausrede anführen. „Die Bedingungen waren ja für alle gleich. Es gibt drei Medaillengewinnerinnen. Größten Respekt an die drei, das haben sie gut gemacht. Sie sind besser mit den Bedingungen zurechtgekommen als ich.“ Das Einzige, was sie aus Paris mitnehmen könne, seien die zahlreichen Kratzer an beiden Armen. Die stammten von stacheligen Büschen, die über die Ufermauer bis ins Wasser hinabhingen.
"Für mich war das heute eine andere Sportart."
Zumindest leichte Kritik übte Beck dann aber doch noch an der Idee, das Freiwasserschwimmen in der Seine stattfinden zu lassen. „Für mich hat das nichts mit einem durchschnittlichen Freiwasserrennen zu tun, das war einfach Kraftsport. Ich bin ein Lauch und habe null Muskeln.
Wie soll ich zwei Stunden Krafttraining machen?“, fragte sie. Im Weltcup gäbe es kein einziges Rennen in einem Fluss. „Für mich war das heute eine andere Sportart.“ Schon im Vorfeld hatten Kritiker moniert, dass man mehr Wert auf schöne Bilder, als auf die Ansprüche der Athleten gelegt habe. Die gesundheitsgefährdenden Rahmenbedingungen seien nicht ernst genug genommen worden.
Trotzdem sind die Medaillen bei den Frauen nun vergeben. Die Männer sollen an diesem Freitag um 7.30 Uhr starten. Florian Wellbrock geht als amtierender Zehn-Kilometer-Olympiasieger ins Rennen, hat aber bittere Tage im Becken hinter sich. Sowohl über 800 als auch über 1500 Meter hatte er dort das Finale klar verpasst.
Laut Berkhahn habe er das schnell verarbeitet und strahle wieder Selbstbewusstsein aus. Wichtig werde auch für ihn sein, keine Lücken nach vorn reißen zu lassen. „Zu große Abstände werden auf diesem Kurs kaum verziehen. Deshalb geht es auch darum, sich sehr strikt an die Vorgaben zu halten. Also wo ist die Strömung am geringsten und diese Linie dann auch zu schwimmen“, so Berkhahn.