Ein scharfer Pfiff reicht und Lux treibt die Herde wieder zusammen. Pariert ein Schaf nicht sofort, zwickt der Hütehund auch mal kurz ins Hinterteil. Paul Panko ist einer der wenigen Wanderschäfer in Bayern und hat seine Herde mit mehr als 2000 Tieren auch dank seiner beiden Hunde sicher im Griff. Disziplin ist in Hohenfels (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz) auch angesagt: Seine Schafe grasen auf dem Truppenübungsplatz der US-Armee mit militärischem Auftrag.
„Der Rasen auf dem Gelände muss kurz bleiben, damit die Laser-Einrichtungen der Handfeuerwaffen und Bordkanonen nicht gestört werden“, erklärt Albert Böhm von der Umweltabteilung der US-Streitkräfte. Der Landschaftsökologe sorgt seit 23 Jahren als Angestellter der US-Armee auf dem Manöverplatz Hohenfels für ein Gleichgewicht zwischen Tieren, Pflanzen – und Soldaten. Böhm steuert in Absprache mit den Schäfern die Wanderungen der insgesamt sieben Schafherden mit rund 14 000 Tieren auf dem 160 Quadratkilometer großen Gelände. „Dabei kommt es vor, dass die Herden Bestandteil eines Manövers sind.“ Übt die Armee etwa in einem künstlich aufgebauten afghanischen Dorf, sind die Tiere Bestandteil des bäuerlichen Dorflebens.
„Meine Schafe grasen auch direkt neben den Militärfahrzeugen und Hubschraubern. Selbst Schüsse schrecken sie nicht besonders auf“, sagt Schäfer Panko, lässig auf seinen Schäferstab gestützt. Der 54-Jährige ist überglücklich, dass er 2009 den Zuschlag für die Weidegründe in Hohenfels bekam. „Hier hat man seine Ruhe und es gibt keinen Straßenverkehr.“ Die wenigen Störungen durch die Manöver nimmt er gerne in Kauf. Außerdem kann er nach einem etwa zwölfstündigen Arbeitstag seine Herde des öfteren alleine lassen und zu Hause im niederbayerischen Hunderdorf bei Straubing schlafen. Zukunftssicher ist seine Branche jedoch nicht.
Die Preise sind laut Panko wie vor 30 Jahren. „Ein Lamm bringt mir heute etwa 100 Euro ein, kostet mich aber 130 Euro. Das ist nur mit EU-Fördermitteln machbar.“ Da diese aber 2013 auslaufen, wisse er noch nicht, wie es weiter geht. Gerne würde er weiter an 365 Tagen im Jahr bei Hitze, Wind, Regen und Schnee mit seiner Herde über die Wiesen in Hohenfels ziehen. Die Abgeschiedenheit des Geländes hat viele Vorteile. Tierseuchen hat es in Hohenfels noch nicht gegeben und auch für das Ökosystem ist der naturbelassene Truppenübungsplatz ideal. „Hier werden keine Pestizide eingesetzt, daher sind die Naturverhältnisse noch wie in den 30er Jahren“, erläutert Böhm.
Etwa 300 Pflanzen und 600 Tiere, die in Bayern auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen, wachsen oder leben hier. Der Frauenschuh blüht hier ebenso wie etwa 300 verschiedene Apfelsorten, 19 Fledermausarten und der Uhu haben hier ihr Quartier bezogen.
Trotz Manöverbetriebs ist es bislang nicht zu nennenswerten Unfällen mit den Schafen gekommen. Nur in einem Fall habe es ein schwerwiegendes Missverständnis mit afghanischen Soldaten gegeben, die die Nacht draußen verbracht haben, erzählt Böhm. „Die Männer haben sich allzu heimisch gefühlt, ein Schaf geschnappt und es über dem offenen Feuer gegrillt.“ Der Schäfer wurde aber großzügig entschädigt.
Schafzucht in Bayern
Bayern ist nach Angaben der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft das schafreichste Bundesland in Deutschland. Im Jahr 2011 gab es 234 527 Mutterschafe in 6718 Betrieben. Berufsschäfer gab es etwa 250 im Freistaat. Gezüchtet werden 35 Rassen, darunter acht vom Aussterben bedrohte. Bei der Schafhaltung stehen die Lammfleischproduktion und die Landschaftspflege im Vordergrund.
Durchschnittlich isst jeder Mensch in Bayern etwa ein Kilogramm Lammfleisch pro Jahr. Die Ausbildung zum Tierwirt – Fachrichtung Schäferei dauert drei Jahre, davon zwei in einem Betrieb. Die Fortbildung zum Tierwirtschaftsmeister – Fachrichtung Schäferei dauert zwei weitere Jahre.
Der Truppenübungsplatz Hohenfels wurde 1938 für die deutsche Wehrmacht gegründet. 1951 hat ihn die US-Armee übernommen. Das 16 000 Hektar große Areal gehört der Bundesrepublik Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich die US Armee jedoch das Recht gesichert, den Truppenübungsplatz militärisch zu nutzen.