Die internationale Debatte um die Arbeitsbedingungen für Journalisten im Prozess um die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU reißt nicht ab. Auf den Streit über die Vergabe reservierter Presseplätze, folgt nun die Diskussion über die Möglichkeit einer Live-Übertragung in einen anderen Gerichtssaal.
Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag, Franz Schindler (SPD), und der Abgeordnete Michael Piazolo (Freie Wähler) appellierten an den 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts, eine Übertragung zuzulassen. Dies sei, wenn es für ein „ausgewähltes Publikum“ wie akkreditierte Journalisten geschehe, „rechtlich leicht darstellbar“, sagte Schindler gegenüber unserer Zeitung. Der 6. Strafsenat, der in richterlicher Unabhängigkeit in diesen Fragen ganz alleine entscheidet, hat sich bisher allen Appellen verweigert, die Regeln zu ändern.
Das hat vor allem für türkische Medien Konsequenzen. Sie haben, weil acht der zehn Mordopfer türkische Wurzeln haben, ein besonderes Interesse an dem Verfahren gegen die fünf noch lebenden mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer der NSU-Terrorgruppe. Weil sie aber ihre Anträge auf Akkreditierung nicht schnell genug gestellt haben, können sie keine reservierten Presseplätze beanspruchen. Eine Berichterstattung aus eigener Anschauung ist ihnen damit praktisch verwehrt. Daran konnte bisher auch eine Intervention der Türkei bei der Bundesregierung nichts ändern. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz, mahnte nun zur Zurückhaltung und forderte „das Rad der Kritik nicht noch weiter zu drehen“. Auch der Chefkorrespondent der Tageszeitung „Hürriyet“, Ahmet Külahci, warnte die Politik davor, in dieser Frage Druck auszuüben – „egal ob von deutscher oder türkischer Seite“.
Die Abgeordneten Schindler und Piazolo hoffen nun, dass der 6. Strafsenat ihrem Vorschlag folgt, die Verhandlung für Journalisten in einen anderen Gerichtssaal live zu übertragen. „Man kann hier nur appellieren, eine Lösung zu finden, die auch die legitimen Interessen der Türkei berücksichtigt“, sagte Schindler.
Vorerst gescheitert sind Versuche deutscher Medien, ihre reservierten Plätze türkischen Kollegen zur Verfügung zu stellen. Der Grund: Die 50 Plätze sind nicht einfach übertragbar. Gibt ein Medium seinen Platz auf, rückt streng nach der Reihenfolge der Anmeldung ein anderes akkreditiertes Medium nach. Bisher hat nur die Agentur Mandoga ihren Platz aufgegeben. Er geht an der „Nordbayerischen Kurier“ (Platz 51). Weitere 17 Medien müssten verzichten, damit zumindest die größte türkische Zeitung „Hürriyet“ (Platz 68) einen reservierten Platz bekäme.
Der Streit um den Zugang zu dem Prozess, der am 17. April beginnt, beschäftigt mittlerweile auch das Bundesverfassungsgericht. Wie gestern bekannt wurde, wehrt sich eine in Deutschland lebende Türkin dagegen, dass alle Zuschauer vor dem Betreten des Gerichtssaals ihre Ausweise kopieren lassen müssen.