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München
Derblecken am Nockherberg: Am Ende hilft nur noch ein Cannabis-Zäpfchen
Fastenprediger Maxi Schafroth versucht, die Politik auf den Pfad der Tugend zu lotsen – und langt dabei selber ganz schön hin. Der Höhepunkt bleibt das Singspiel.
Starkbieranstich auf dem Nockherberg.jpeg       -  Maximilian Schafroth, Schauspieler und Kabarettist, hält beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg die Fastenpredigt.
Foto: Sven Hoppe, dpa | Maximilian Schafroth, Schauspieler und Kabarettist, hält beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg die Fastenpredigt.
Uli Bachmeier, Christoph Frey, Henry Stern
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:00 Uhr

Ob es gelingt, "die Spirale der verbalen Hochrüstung" in der Politik zu unterbrechen und zurückzufinden zu Anstand und Achtung vor den Mitmenschen? Maximilian Schafroth, Fastenprediger beim Starkbieranstich am Nockherberg, hat es zumindest versucht, die Damen und Herren an den Spitzen von Staat und Parteien auf den Pfad der Tugend zu lotsen. Dass er Erfolg hat, darf bezweifelt werden. Direkt nach der Fastenpredigt nämlich wurde die nach Strich und Faden derbleckte Politprominenz in ein traumatisches Geschehen entführt, an dessen Ende nur noch Cannabis-Zapferl helfen, um der gruseligen Wirklichkeit zu entkommen.

Eines steht schon mal fest an diesem Abend bei Paulaner am Nockherberg: So ein Fastenredner ist auch nur ein Mensch. Die strengen moralischen Maßstäbe, die Schafroth anlegt, reißt er in seiner leidenschaftlichen Rede selbst das eine oder andere Mal. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, eine "wirbellose Existenz"? Das kann dem Schafroth nur sein Bruder, diese "linksgrüne Socke" ins Predigtmanuskript geschrieben haben, oder? Dass Katharina Schulze, die Fraktionschefin der Grünen im Landtag, dreinschaut wie ein "geköpftes Maiglöckchen", das an "Biene-Maja-Burn-Out" leidet, ist zumindest noch halb nett formuliert. Aber Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) als "karrieregeiles Erdmännchen" zu bezeichnen – ja, geht´s noch?

Nockherberg 2024: Gäste aus Berlin lernen über bayerische Befindlichkeiten

Immerhin, die wenigen Gäste aus dem fernen Berlin – unter ihnen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert – bekommen von Schafroth einen Crash-Kurs über Bayern. Sie lernen, dass eher Alfons Schuhbeck ein Praktikum im Finanzamt macht, als dass in Bayern gegendert wird. Sie lernen, dass es in Bayern gesitteter zugeht als gedacht: "Erst saufen, dann schlägern und am Schluss auf Latein darüber sinnieren."

Und sie lernen sogar ein klein wenig über innerbayerische Befindlichkeiten. Dass der Franke Söder bei den Grünen kein Bayern-Gen erkennt, kommentiert der Fastenredner aus dem Allgäu mit den Worten: "Sich von einem Franken das Bayern-Gen absprechen lassen, das ist, als würde mir der Koch einer brandenburgischen Autobahnraststätte erklären, wie man Allgäuer Kässpatzen macht."

Am Ende der Fastenrede am Nockherberg wird es dann noch einmal ernst

Am Ende der Fastenrede wird Schafroth noch einmal ernst, lobt Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), dass sie stets den richtigen Ton findet, und fordert alle anderen auf, sich anzustrengen, zuzuhören und dem politischen Gegner nicht den Verstand abzusprechen.

Im Singspiel zeigt sich danach, dass Albträume viele Formen annehmen können: Für Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kommt der Traum diesmal in Form einer Bocksbeutelflasche daher: "Für einen mediterranen Typen wie mich ist Frankenwein Gift", erklärt sein Kopfweh-geplagtes Double Gerhard Wittmann im Bienen-Kostüm auf der Singspielbühne: "Und ein saurer Zipfel war auch noch drin."

Im Nockherberg-Schauspiel müssen sich die Politiker ihren Alpträumen stellen

Zwar steht die Bühne wie immer im Nockherberg-Wirtshaus in der Münchner Au. Doch das Schauspiel findet diesmal irgendwo in einer Horror-Klinik "in Fucking Franken" statt, wie ein als veganer Vampir verkleideter Robert Habeck (Thomas Limpinsel) erklärt.

Denn die Autoren Richard Oehmann und Michael Betz lassen die Münchner und Berliner Polit-Prominenz diesmal nach einem schweren Unfall bei der Rückfahrt von der Fastnacht in Franken in einem schrägen Krankenhaus aufwachen. Alle haben noch ihre Veitshöchheim-Kostüme an – Markus Söder (Thomas Unger) als Bismarck, die Grüne Katharina Schulze (Sina Reiß) als Barbie. CDU-Chef Friedrich Merz (David Zimmerschied) war inkognito als Pippi Langstrumpf beim "Ringelpiez in Franken". Und Kanzler Olaf Scholz (Nikola Norgauer) reicht ein kleines Papphütchen als Verkleidung.

In der Klinik müssen sich die Politiker ihren schlimmsten Alpträumen stellen: Merz etwa wird endlich Kanzler – aber nur mit "Chrissie" Lindner (Christian Pfeil) und "Robbie" Habeck als Koalitionspartner. Zuvor hat das Ampeltrio Lindner, Habeck, Scholz ("Good Cop, Bad Cop, Fischkopp") versucht, Markus Söder bayerisches Geld abzuluchsen. Und Hubert Aiwanger verliert bei der Sprachtherapie seinen Dialekt: "Kreuz, Birnenbaum und Holunder-Staude", schimpft er deshalb auf Hochdeutsch.

Zum Erwachen hilft nur noch das Cannabis-Zäpfchen

Doch das Salz in der Nockherberg-Suppe sind auch diesmal die Lieder: Agrarministerin Michaela Kaniber (Judith Toth) erklärt den grünen Wurst-Skeptikern musikalisch das bayerische Tierwohl-Prinzip: "Da hüpft jedes Schweinderl ganz selber ins Reinderl." Markus Söder träumt zur Melodie von "La Boum" mit platzenden Seifenblasen: "Der Weg zur Kanzlerschaft klappt traum- und zauberhaft." Und Hubert Aiwanger (Stefan Murr) als selbsternanntes "Maggi in der politischen Suppe Bayerns" erklärt seine "Hubertät": "Was in der Jugend gewesen, das weiß kein Mensch heut’ mehr."

Am Ende des "Albtraum-Workshops" helfen der Polit-Prominenz beim Erwachen in der harten Realität nur noch Cannabis-Zäpfchen. Aber wie meist am Nockherberg macht auch diesmal ein gemeinsames Abschieds-Lied Hoffnung: "Irgendwann, irgendwo, werden alle wieder froh!"

 
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