zurück
MÜNCHEN
Neustart für die Organspende
Sicherer Transport: Wenn ein Organ zur Transplantation zur Verfügung steht, muss es schnell gehen.
Foto: dpa | Sicherer Transport: Wenn ein Organ zur Transplantation zur Verfügung steht, muss es schnell gehen.
Von unserem Korrespondenten Henry Stern
 |  aktualisiert: 13.06.2013 19:40 Uhr

Mediziner und Gesundheitsexperten der im Landtag vertretenen Parteien haben bei einer Expertenanhörung im Landtag nach den Organspende-Skandalen vom vergangenen Jahr für mehr Vertrauen in die Transplantationsmedizin in Bayern geworben: „Wir stehen an einem Neustart“, sagte etwa der Wiener Chirurg Prof. Ferdinand Mühlbacher, der die bisher fünf Transplantationszentren in Bayern untersucht hatte. „Es sind Fehler passiert. Aber jetzt wissen wir, wie wir kontrollieren können“, so Mühlbacher.

Im letzten Jahr hatte es vor allem in den Transplantationszentren Regensburg und München – Rechts der Isar massive Probleme bei der Patientenauswahl bei Lebertransplantationen gegeben. Mühlbacher hatte in seinem im Mai vorgelegten Bericht in München gar drei Fälle mit „krimineller Potenz“ festgestellt. Konkret sollen Blutproben mit Urin manipuliert worden sein, um bestimmte Patienten zu bevorzugen. In Würzburg hatte Mühlbacher dagegen keinerlei Verstöße gegen die Richtlinien festgestellt. Als Konsequenz aus dem Bericht will die Staatsregierung den Zentren Rechts der Isar und Erlangen nun die Zulassung für Lebertransplantationen entziehen.

Auch Dr. Gerd Otto, der eine Prüfkommission, der Bundesärztekammer leitet, hat in Bayern 116 Richtlinienverstöße entdeckt – die meisten davon allerdings weniger schwerwiegend. In Rechts der Isar seien jedoch 37 Prozent der Transplantationen fehlerhaft gewesen. „Das ist schon sehr viel“, so der Mainzer Mediziner.

Die Experten plädieren aber nicht nur für eine organisatorische, sondern auch für eine inhaltliche Reform des Transplantationssystems in Bayern: So bemängelt Mühlbacher, dass bisher zu viele todkranke Patienten operiert werden. Dies sei der Grund, warum die Überlebensraten im Freistaat deutlich schlechter ausfielen, als im europäischen Schnitt: „Wenn man nur Todkranke operiert, kriegt man nur todkranke oder tote Patienten“, warnt der Österreicher. Bei der Auswahl der Patienten dürfe deshalb nicht die Schwere der Erkrankung oder der Platz auf der Warteliste entscheidend sein, sondern die Überlebenschance, fordert Mühlbacher.

Eine Neugewichtung in den Auswahlkriterien, denen die Gesundheitsexperten der Landtagsfraktionen durchaus folgen wollen. Angesichts des gravierenden Mangels an Spender-Organen stehe der verantwortliche Arzt allerdings allzu oft vor einem ethischen Dilemma, warnte die Grünen-Abgeordnete Theresa Schopper: Die Abwägung von Dringlichkeit und Überlebenschancen sei für ihn „dünnes Eis“.

Eine Problematik, die die Politik den Medizinern nicht abnehmen könne, glaubt der Ministerialbeamte Hans Neft aus dem Gesundheitsministerium: „Der ärztliche Beurteilungsspielraum muss bleiben“, fordert er. Das Auswahl-Dilemma lasse sich „nicht gesetzlich lösen“.

Immerhin hat sich der Bundestag kürzlich darauf geeinigt, kriminelle Manipulationen bei der Organvergabe mit Gefängnis zu bestrafen. Schonungslose Aufarbeitung der jüngsten Skandale sei auch in Bayern weiter nötig, findet das unterfränkische SPD-Landtagsmitglied Sabine Dittmar: „Die Menschen müssen merken, dass Verfehlungen Konsequenzen haben.“

Trotzdem werde sich die Spendenbereitschaft nicht einfach steigern lassen, befürchtet die SPD-Abgeordnete Kathrin Sonnenholzner: „Wir werden noch lange Vertrauen aufbauen müssen, um wieder dahin zu kommen, wo wir sein müssten.“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bundesärztekammer
Chirurgen
Deutscher Bundestag
Gesundheitsexperten
Lebertransplantationen
Organspenden
Sabine Dittmar
Transplantationsskandale
Transplantationszentren
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top