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Neuschwanstein-Prozess
So verlief der Tag der tödlichen Attacke bei Neuschwanstein
Forensiker zeichnen den Tag nach, an dem sich bei Schloss Neuschwanstein ein Todesdrama abspielte. 250 Stunden lang haben sie dafür Daten ausgewertet.
Benedikt Siegert
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:02 Uhr

Der zweite Tag im Prozess gegen den mutmaßlichen „Neuschwanstein-Mörder“ Troy B. hat neue erschütternde Details zu Tage gefördert. Demnach hatte der 31-Jährige kurz nach der Tat sogar behauptet, er selbst sei von den beiden Frauen angegriffen worden.

Das sagte der Ermittlungsrichter aus, vor dem der US-Amerikaner im Juni 2023 kurz nach der Tat erschien. Troy B. habe dabei völlig unauffällig gewirkt, nicht einmal aufgeregt sei er gewesen. Dabei war er es, der seine beiden Opfer, 21 und 22 Jahre alt, nur wenige Stunden zuvor oberhalb der Marienbrücke bei Schloss Neuschwanstein überfallen hatte. Die jüngere der beiden starb später an den Folgen einer Strangulation. Ihre Begleiterin überlebte die Attacke. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Troy B. dies in einer schriftlichen Erklärung vor dem Landgericht Kempten gestanden.

Selbst sprechen will der Angeklagte nicht

Selbst sprechen will der Angeklagte auch weiterhin nicht. Er verneint lediglich kopfschüttelnd, wenn es darum geht, ob er zu Zeugenaussagen noch Fragen habe. Troy B. verfolgt ansonsten alles in gebeugter Haltung. Er trägt einen Kopfhörer, über diesen wird ihm das Prozessgeschehen simultan übersetzt. Die Hände hat er zwischen seinen Knien verschränkt. Sein Blick ist starr und richtet sich zu Boden. Selbst als intimste Details zur Sprache kommen, die ihn betreffen, verzieht er keine Miene.

Denn an diesem zweiten Prozesstag nimmt die Aussage eines Datenforensikers den meisten Raum ein. Er hat gemeinsam mit Kollegen über 250 Stunden lang den verschlüsselten Computer und Handys des Angeklagten durchforstet. Dabei analysierte er Chatverläufe, sichtete hunderte Videos und erstellte ein Bewegungsprofil von Troy B. im Zeitraum seines Deutschland-Aufenthalts.

Der Tathergang wurde durch Forensiker minutiös rekonstruiert

Nahezu lückenlos kann so der Tag der Tat aus Sicht des Angeklagten rekonstruiert werden. Der 31-Jährige kam demnach am 8. Juni 2023 nach Hamburg. Nach Zwischenstopps in Soltau und Düsseldorf quartierte er sich schließlich in einer Ferienwohnung in Oberstdorf ein. Der Tag der Tat am 14. Juni 2023 lässt sich so nachzeichnen:

  • 8.12 Uhr: Troy B. startet mit einem Leihwagen an seiner Unterkunft in Oberstdorf.
  • 8.41 Uhr: Der 31-Jährige erreicht einen Ausflugsparkplatz nahe Fischen (Kreis Oberallgäu).
  • 10.25 Uhr: Er wandert zur Schöllanger Burgkirche, die auf einer Anhöhe thront.
  • 11.10 Uhr: Nachdem er noch am Auwaldsee bei Fischen war, macht sich Troy B. mit dem Auto auf zum Schloss Neuschwanstein und navigiert zum großen Touristen-Parkplatz an der Colomanstraße.
  • 13.05 Uhr: Der US-Amerikaner steht vor Schloss Neuschwanstein.
  • 13.34 Uhr: Auf der Marienbrücke beschließt er, den Wanderweg einzuschlagen, der östlich in Richtung Tegelberg hinauf führt.
  • 13.54 Uhr: Troy B. fotografiert zwei Männer an einem Aussichtspunkt mit Schloss Neuschwanstein im Hintergrund. Das Bild verschickt er an eine Chatpartnerin in Thailand.
  • 14.04 Uhr: An einem steilen Abhang uriniert der jetzige Angeklagte und filmt sich dabei selbst. Anschließend verschlüsselt er das Video.
  • 14.22 Uhr: Troy B. trifft erstmals auf seine späteren Opfer und macht zwei Fotos, die die beiden Frauen beim Spaziergang zeigen. Nur wenig später kommen alle drei an einer steilen Wegpassage ins Rutschen und beschließen, den Rückweg anzutreten. Der 31-Jährige lockt die beiden Amerikanerinnen unter einem Vorwand weg vom eigentlichen Pfad. Dann attackiert er sein 21-jähriges Opfer von hinten.

Prozess um mutmaßlichen Mord an Schloss Neuschwanstein: Fortsetzung am Mittwoch

  • Gegen 14.30 Uhr: Die Freundin kommt ihrer Begleiterin zu Hilfe. Sie tritt, kratzt und beißt Troy B. Alle drei rangeln kurze Zeit später am Boden. Die Überlebende sagt später aus: „Er konnte uns nicht beide erwürgen, deswegen hat er mich den Abhang hinunter gestoßen.“ Die 22-Jährige bleibt an einem Baumstumpf im Steilhang liegen.
  • 14.34 Uhr: Ein Video zeigt Troy B., wie er über dem bereits bewusstlosen Opfer kniet. Der Kopf der jungen Frau ist nach links geneigt und weist Blutspuren auf. Das Oberteil ist nach oben geschoben.
  • 14.38 Uhr: Troy B. filmt die Vergewaltigung.
  • 14.44 Uhr: Nach der Tat versteckt der US-Amerikaner die drei Foto- und Filmaufnahmen mittels Software auf seinem Handy.
  • 15.05 Uhr: Der Notarzt trifft bei den beiden Opfern ein, die inzwischen nebeneinander im Steilhang liegen.
  • 15.20 Uhr: Troy B. lässt sich widerstandslos festnehmen.
  • Gegen 23 Uhr: Das Opfer stirbt. Der Prozess wird am Mittwoch vor dem Kemptener Landgericht fortgesetzt.
 
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