Muss das neue bayerische Landespflegegeld auf andere Sozialleistungen angerechnet werden? Ja, findet das SPD-geführte Bundessozialministerium. Nein, beteuert dagegen Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU). Ein politscher Streit, der Sozialverbände in Bayern auf die Palme bringt: „Das ist ein unerträgliches Durcheinander auf dem Rücken der Schwächsten“, schimpft etwa Georg Falterbaum, Caritas-Direktor der Erzdiözese München und Freising.
Am Dienstag hatte Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) mitgeteilt, dass das neue bayerische Landespflegegeld von tausend Euro im Jahr zwar nicht auf die Grundsicherung nach Hartz IV, sehr wohl aber auf die staatliche „Hilfe zur Pflege“ angerechnet werden müsse. Dabei handelt es sich um eine Sozialleistung für Pflegebedürftige, die den Pflegaufwand nicht selbst bezahlen können. „Hilfe zur Pflege“ und Landespflegegeld erfüllten den gleichen Zweck, deshalb sei eine Anrechnung zwingend, findet Heil.
CSU-Ministerin: Bayern entscheidet
Eine Auffassung, die Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) absolut nicht teilt: Anders als die „Hilfe zur Pflege“ sei das Landespflegegeld nicht zur Deckung des pflegerischen Bedarfs bestimmt. Es sei vielmehr dafür gedacht, „das Selbstbestimmungsrecht der pflegebedürftigen Menschen“ zu stärken – etwa in dem sie sich damit selbst oder pflegenden Angehörigen eine Freude machen.
Heils Rechtsauffassung spiele aber faktisch „keine Rolle“, findet Schreyer: Denn über die Anrechnung entscheide nicht der Bund, sondern die für die „Hilfe zur Pflege“ zuständigen bayerischen Bezirke. Und die hätte bereits klargestellt, dafür keine Notwendigkeit zu sehen. Trotz des „Störfeuers aus Berlin“ bleibe damit als Ergebnis „ein gänzlich anrechnungsfreies Landespflegegeld“, beteuert die Sozialministerin.
VdK warnt vor Rechtsunsicherheit
„Die Rechtsunsicherheit bleibt für die Betroffenen leider bestehen“, glaubt dagegen die VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher: Im schlimmsten Fall müssten Pflegegeld-Bezieher das erhaltene Geld nach jahrelangem Rechtsstreit zwischen Bund und Bayern zurückzahlen. Laut VdK sind bis zu 15 Prozent der bislang rund 230 000 Antragsteller für das Landespflegegeld von dem politischen Streit betroffen.
Einen Streit, den es laut Mascher überhaupt nicht geben dürfte, weil es für besonders Bedürftige einen Freibetrag geben müsse: Denn Landespflegegeld, Mütterrente oder Rentenerhöhungen dürften gerade für diese Menschen „nicht einfach verpuffen, indem dieses Geld verrechnet wird“, findet Mascher.
Caritas: An Bedürftige denken
Caritas-Mann Falterbaum kann zudem nicht verstehen, warum sich ein SPD-Bundessozialminister „nicht freut, wenn Pflegebedürftige, die es besonders nötig haben, tausend Euro im Jahr zusätzlich kriegen“. Ohnehin komme vom deutschen Wirtschaftsboom bei den Ärmsten der Armen „herzlich wenig an“, kritisiert Falterbaum: Wenn aber – wie nun beim bayerischen Pflege- oder Familiengeld – die Möglichkeit zur Unterstützung Bedürftiger bestehe, dann „sollte der Bund nicht gleich die restriktive Keule rausholen“.