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Bayern
Vorsicht, giftig: Ist der Ölkäfer auch in Bayern auf dem Vormarsch?
Das Gift des Schwarzblauen Ölkäfers reicht theoretisch aus, um einen Menschen zu töten. Die Zahl der Tiere ist nun wohl gestiegen. Wie groß die Gefahr wirklich ist.
Ölkäfer.jpeg       -  Ein Schwarzblauer Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) zählt zu den zehn giftigsten Tieren in Deutschland.
Foto: Frank Hammerschmidt, dpa | Ein Schwarzblauer Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) zählt zu den zehn giftigsten Tieren in Deutschland.
Sonja Dürr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:00 Uhr

Jetzt, wo es langsam Frühling wird und es mehr Menschen ins Freie zieht, schreckt diese Meldungen so manchen auf: Der giftige Ölkäfer ist wieder unterwegs. In Berlin hat man das Tier bereits gesichtet, in Sachsen wurden ebenfalls mehrere Funde gemeldet. Auch in Thüringen, heißt es, breitet sich der Ölkäfer aus. In Martinfeld im nördlichen Thüringen wurde zuletzt der Spielplatz des örtlichen Kindergartens gesperrt, auch in Schleswig-Holstein wusste sich eine Schule in Altenholz nicht anders zu helfen, als Teile des Schulhofs abzuriegeln, weil dort mehrere Ölkäfer krabbelten. Ähnliche Meldungen gibt es auch aus Nordrhein-Westfalen. Und auch in Baden-Württemberg wird bereits vor dem Insekt gewarnt.

Die milden und trockenen Winter kommen dem Ölkäfer entgegen

Und im Freistaat? Andreas Zahn, Artenschutzreferent beim Bund Naturschutz in Bayern, hat in diesem Frühling noch keine Meldungen bekommen, dass der Ölkäfer auch im Freistaat aufgetaucht wäre. "Aber es gibt immer wieder mal Funde", sagt er. Im vergangenen Jahr wurden ihm zwei dieser Fälle gemeldet – Zufallsbeobachtungen, wie Zahn sagt. Beim Landesamt für Umwelt (LfU) mit Sitz in Augsburg betont man, dass der Ölkäfer eine in Bayern heimische Art ist, die nicht erst seit kurzem bei uns anzutreffen ist. In den letzten Jahren allerdings trete er häufiger auf, was wahrscheinlich auf die milderen und trockeneren Winter zurückführen sei. 

Der schwarz glänzende Käfer, der bis zu drei Zentimeter lang werden kann, verdankt seinen Namen dem öligen Gift Cantharidin, das aus seinen Poren an den Kniegelenken austreten kann. Schon eine geringe Menge davon wirkt tödlich. Die Menge Gift in einem Käfer könne reichen, einen Erwachsenen zu töten. Allerdings sondert der Krabbler dieses Gift nicht gezielt ab. Das heißt: Wenn man den Käfer in Ruhe lässt, passiert auch nichts. Richtig gefährlich wird es allerdings, wenn jemand den Käfer verschluckt. Dann sollte man zeitnah Kontakt zum Giftnotruf aufnehmen, rät etwa die Deutsche Wildtier Stiftung. 

Wer sich für den Käfer interessiert, sollte es beim Beobachten belassen. Denn selbst wenn das Tier mit seinem langen glänzenden Körper interessant aussehen mag, sollte man es nicht anfassen. Auch dann können die Tiere Gift absondern. Ist man aus Versehen mit dem Tier in Berührung gekommen, sollte man sich gründlich die Hände waschen und die betroffene Stelle kühlen. Denn das Nervengift kann Hautrötungen und Blasen hervorrufen.

Beim Naturschutzbund (Nabu) Deutschland hält man die Aufregung um den Ölkäfer, der zu den zehn giftigsten Tieren in Deutschland gehört, ohnehin für völlig übertrieben. Ölkäfer, die Nosferatu-Spinne oder die Hornisse seien "keinesfalls angriffslustige Killer", die es auf den Menschen abgesehen hätten, teilte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller mit. "Wenn man diese Tiere in Ruhe lässt, entstehen auch keine gefährlichen Situationen – weder für den Menschen noch für die Tiere selbst." Die schwerfälligen Käfer krabbeln gemächlich vor sich hin und sind keineswegs aggressiv. Miller betont auch, dass der Schwarzblaue Ölkäfer, die häufigste Art, weder neu ist noch sich so stark ausbreitet, wie behauptet werde. "Im Gegenteil – er ist in seinem Bestand gefährdet und steht auf der Roten Liste." Auch an anderer Stelle gibt der Nabu Entwarnung: Tödliche Vergiftungen von Menschen oder Haustieren durch den Ölkäfer sind bisher nicht bekannt.

Im Augsburger Raum ist der Ölkäfer extrem selten

In der Region ist Klaus Kuhn vom Naturwissenschaftlichen Verein für Schwabender Käfer-Experte. In dem großen, glänzenden Ölkäfer sieht er keinerlei Gefahr. Kuhn sagt: "Wer würde denn einen Käfer von der Größe eines Maikäfers in den Mund nehmen?" Im Augsburger Raum sei der Schwarzblaue Ölkäfer extrem selten, "eine absolute Rarität", sagt Kuhn. Wenn, dann gebe es ihn nur in den Donau-Auen oder am Lechdamm. Kuhn hat bisher in seinem Leben fünf oder sechs Exemplare zu Gesicht bekommen. Auch bei ihm gingen in diesem Jahr noch keine Meldungen ein.

In diesen Tagen haben die Ölkäfer Hochsaison. Denn die fertigen Ölkäfer schlüpfen zwischen März und Mai. Dem voraus geht ein komplizierter und aus ökologischer Sicht höchst interessanter Entwicklungszyklus: Die Larven der Käfer klettern nämlich auf Blüten und warten dort auf bestimmte Wildbienen, die dort Futter sammeln wollen. Sie krallen sich an den Bienen fest, um von ihnen in deren Nester transportiert zu werden. Dort ernähren sich die Larven von den Bieneneiern und vom Pollenvorrat. Dann verlassen die Larven das Wildbienennest und überwintern im Boden. Weil dieser Prozess so störanfällig ist, sterben viele Larven. Experten schätzen, dass nur aus jeder tausendsten Larve tatsächlich ein Ölkäfer wird. Und: Der Ölkäfer, der im Jahr 2020 zum Insekt des Jahres gekürt wurde, lebt auch nur einen Monat lang.

 
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