Wenn man in München nach Schauplätzen der Geschichte sucht, fallen einem spontan eine Menge Orte ein: der Mathäser-Bräu beispielsweise, dem einst größten Bierausschank der Welt, in dem 1918 der Freistaat Bayern gegründet wurde. Oder die Feldherrnhalle, die unter anderem durch den gescheiterten Putschversuch von Hitler und Ludendorff im November 1923 Berühmtheit erlangte. Oder das Olympiagelände – 1972 Zeuge sportlicher Höchstleistungen sowie palästinensischen Terrors.
Allerdings gibt es vermutlich nur einen Ort, an dem so viele verschiedene Charaktere und Exzentriker friedlich ihre Zeit verbrachten: den Schelling-Salon. Die Gaststätte, die wegen der Nähe zur Künstler-Boheme gerne Schwabing zugeordnet wird, tatsächlich aber in der Maxvorstadt liegt, ist seit inzwischen 150 Jahren eine Institution.
Hitler bekam wohl Hausverbot im Schelling-Salon
Gegessen, getrunken, geratscht, Schach oder Billard gespielt haben in der Gaststätte in der gleichnamigen Schellingstraße bereits ziemlich bekannte Zeitgenossen. Unter anderem verkehrte hier ein gewisser „Herr Meyer“ vor 122 Jahren und nahm täglich seinen Frühstückskaffee zu sich. Dahinter verbarg sich niemand anders als Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt unter seinem Kampfnamen Lenin. Im Sommer 1900 hat er während seines politischen Exils einige Zeit inkognito in München gelebt. Ebenfalls noch als namenloser Möchtegern-Künstler und politischer Agitator war Adolf Hitler hier mit Gesinnungsgenossen, um beim Biertrinken mit Hassreden aufzufallen. Er war aber damals schon auf Krawall gebürstet und erhielt im Schelling-Salon schließlich Hausverbot, auch weil er Rechnungen nicht bezahlte.
Die Liste der mehr oder minder bekannten Menschen lässt sich fast beliebig fortsetzen. Auch bei Künstlern war der Schelling-Salon nämlich beliebt: Ob Bertolt Brecht, Wassily Kandinsky, Henrik Ibsen, Franz Marc, Joachim Ringelnatz, Rainer Maria Rilke und Ödön von Horváth – alle haben sie in dem Traditionsgasthaus gechillt, wie man heute sagen würde. Der Terrorist Andreas Baader war da und auch Gerhard Polt, der sich mit Schachspielen ein paar Mark dazu- verdient hat. Und noch einen sollte man nennen: Franz Josef Strauß, dessen Eltern schräg gegenüber eine Metzgerei betrieben.
Im Hinterhof des Lokals gibt es ein kleines Museum
Viele Geschichten und Anekdoten ranken sich um das Lokal, das Künstler noch immer anzieht. Bis heute ist die Gaststätte, in der auch der Autor vor über 30 Jahren schon Billard spielte, in Familienhand. Evelyn Mehr, deren Urgroßvater den Schelling-Salon 1872 gegründet hat, führt es. Und es wirkt nach wie vor authentisch, offen und gesellig. Hier treffen sich keine lärmenden Touristenhorden und schon gar keine Schicki-Mickis. Nach wie vor kommen Menschen unterschiedlichen Alters und aller Gesellschaftsschichten zusammen und ratschen, essen und trinken, spielen Billard. So ist die einzigartige Atmosphäre dieses Gastrodenkmals erhalten geblieben. Sogar ein kleines Museum gibt es im Hinterhof. Hier kann man alte Speisekarten, Fotografien oder Billardkugeln anschauen.