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München
Flugblatt-Affäre: Aiwanger schweigt und bleibt
Zwei Stunden lang wird im Münchner Landtag über Hubert Aiwangers Eignung zum Minister debattiert. Dabei wird der Hauptdarsteller der Affäre zum Statisten.
Christoph Frey
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:36 Uhr

Nach ziemlich genau zwei Stunden war es geschafft für Hubert Aiwanger. Der Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident nahm sein Mobiltelefon vom Tisch und schob es ein, klatschte kurz Beifall. Soeben war im Münchner Landtag die Sitzung des Zwischenausschusses zu Ende gegangen. Mit 32:19 Stimmen hatte das Gremium die von Grünen und SPD geforderte Abwahl Aiwangers als Minister infolge der Flugblatt-Affäre abgelehnt. 

Riesiger Medienandrang bei Hubert Aiwanger

Zahlreiche Kamerateams, eine Live-Übertragung im Fernsehen und fünf Mal so viele Journalisten wie üblich. Die Zwischenausschuss-Sitzung des Landtags war auch ein Medienspektakel, dessen Ausgang von vorneherein feststand. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte seinem Koalitionspartner und Vize Aiwanger (FW) schon am Sonntag Rückendeckung gegeben und eine Entlassung des Ministers abgelehnt. 

Die Freien Wähler hatten schon vor der Sitzung Gelassenheit demonstriert. Kultusminister Michael Piazolo trudelte am Morgen gemütlich auf dem Rad im Maximilianeum ein, Hubert Aiwanger fuhr im weißen BMW vor. „Die Luft ist raus", sagte ein Abgeordneter. Das Umfrage-Hoch nach der Flugblatt-Affäre bestärkte die FW-Parlamentarier in ihrer Überzeugung, dass sich ihre Loyalität zum Parteichef ausgezahlt habe. Offen war aus Sicht der FW am Vormittag nur noch, ob Aiwanger selbst sprechen würde. 

Söder und Aiwanger schweigen im Landtag zur Flugblatt-Affäre

Tat er am Ende nicht. Ebenso wie Ministerpräsident Markus Söder schwieg Aiwanger vor und nach der Sitzung. "Keine Statements mehr“, sagte er gegenüber unserer Redaktion, als er kurz nach zwei Uhr nachmittags den Senatssaal im Maximilianeum verließ. Beim Versuch der parlamentarischen Aufbereitung der Flugblatt-Affäre wurde deren Hauptdarsteller zum schweigenden Statisten. Meist regungslos, den Blick in den Saal gerichtet, verfolgte Aiwanger die Debatte. Söder schien auf seinem Platz oft etwas zu lesen. 

Vergeblich versuchten Grüne, SPD und FDP, Aiwanger und Söder im Ausschuss ins Kreuzverhör zu nehmen. Ihre Anträge auf eine Befragung scheiterten an CSU, FW und AfD. Söder und Aiwanger hätten zahlreiche Fragen offengelassen, insgesamt 14 Mal habe sich der FW-Chef bei seinen Antworten auf Söders 25 Fragen auf Erinnerungslücken berufen. Der Landtag und die Öffentlichkeit hätten ein Recht auf Antworten, so die Opposition. Das sahen die Vertreter der Regierungskoalition anders. Der Antrag sei nur ein Versuch, aus der Sitzung „eine Art Tribunal“ zu machen, sagte FW-Geschäftsführer Fabian Mehring. Vom Versuch einer „Show-Einlage“ sprach der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU, Tobias Reiß. 

Opposition fordert Aiwangers Ablösung nach Flugblatt-Affäre

Auch später griffen Söder und Aiwanger nicht in die Debatte ein. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hatte sie direkt dazu aufgefordert. „Ich erwarte von Ihnen beiden, dass Sie das Wort ergreifen. Nie wäre es nötiger als heute.“ Wenig später hatte Söder genügend gehört. Als die Auszählung zur Abstimmung lief, verließ der Ministerpräsident die Sitzung. Aiwanger blieb da noch sitzen.

Zuvor hatte er sich einiges anhören müssen wegen der Flugblatt-Affäre. Aiwanger hat zugegeben, dass vor gut 35 Jahren in seiner Schultasche eines oder mehrere Exemplare eines antisemitischen Flugblattes gefunden wurden. Wie es dort hinkam, wisse er nicht mehr. Verfasst hat das Flugblatt nach eigenem Eingeständnis Aiwangers Bruder Helmut. Der FW-Politiker wurde für seinen Umgang mit der Affäre scharf kritisiert. Unter anderem zeigte sich der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nicht von der Entschuldigung Aiwangers überzeugt.

Auch die CSU kritisiert Aiwangers Verhalten

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn warf Aiwanger vor, "er wiegelt Menschen auf und schlägt daraus politischen Profit. Das ist für mich ein Kennzeichen für Rechtspopulismus.“ Der Umgang mit der Hetzblatt-Affäre belege die Untauglichkeit Aiwangers für hohe Staatsämter. Als „untragbar“ bezeichnete Ludwig Hartmann (Grüne) Aiwanger und warf Regierungschef Söder und seinem Vize mangelnden Aufklärungswillen vor. Aiwangers Entschuldigungen seien nur dürftig. Martin Hagen (FDP) sagte in Richtung des Wirtschaftsministers, bei diesem stelle sich die Frage „nach Haltung und Kompetenz“. Für AfD-Fraktionschef Ulrich Singer dagegen liegt der Skandal nicht in dem Flugblatt und Aiwangers Verhalten. Der eigentliche Skandal sei, dass ein SPD-naher Lehrer mit Informationen aus Aiwangers Schulzeit eine Kampagne gegen diesen losgetreten habe.

Für die Freien Wähler betonte Fraktionschef Florian Streibl: „Wir distanzieren uns maximal von diesem Flugblatt.“ Gleichzeitig gebe es für die Fraktion keinen Zweifel an den Aussagen Aiwangers zu der Affäre. Allerdings mahnte auch Streibl: „Auch wir als Fraktion erwarten, dass Hubert Aiwanger alles tut, um verlorenes Vertrauen wieder herzustellen." Für die CSU sprach Fraktionsgeschäftsführer Tobias Reiß von „gravierenden Vorwürfen“, die Aiwangers Glaubwürdigkeit beschädigt hätten. Aber es gebe keinen Beweis dafür, dass Aiwanger das Hetzblatt verfasst und verbreitet habe. 

 
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