Völlig überraschend haben Rechtsanwalt Gerhard Strate und sein Kollege Johannes Rauwald das Mandat für den prominenten Angeklagten Gustl Mollath niedergelegt: Offensichtlich gibt es gravierende Meinungsverschiedenheiten zwischen Mollath und Anwalt Strate, der für den eigenwilligen Nürnberger die Wiederaufnahme seines Verfahrens durchgeboxt hatte. Dies hatte sich bereits am ersten Prozesstag angedeutet und soll sich inzwischen vertieft haben.
Der Nürnberger Mollath galt bis zur Entlassung aus der geschlossenen Psychiatrie in Bayreuth vor einem Jahr als Deutschlands bekanntester Zwangseingewiesener. Er war mehr als sieben Jahre gegen seinen Willen dort untergebracht. Das Landgericht Nürnberg hatte Mollath 2006 in einem Verfahren unter anderem wegen schwerer Körperverletzung an seiner Frau für schuldunfähig erklärt und in die Psychiatrie einweisen lassen. Seit 7. Juli läuft das Wiederaufnahmeverfahren am Landgericht Regensburg.
Offener Streit
Am elften Verhandlungstag war gegen Mittag der Streit im Gerichtssaal offen zutage getreten, obwohl sich der Fall durchaus zu Mollaths Gunsten entwickelt. Die Reifenstechereien – die Teil der Anklage sind – lassen sich nach Angaben eines Sachverständigen nicht nachweisen, weil die Reifen nicht mehr da sind. Was in Regensburg nach wie vor im Raum steht, ist der Vorwurf, Mollath habe seine Frau geschlagen und eingesperrt, um sie am Verlassen der Wohnung zu hindern.
Sein Verteidiger hatte zu Prozessbeginn die Ladung weiterer Zeugen aus dem Umfeld von Mollaths Ex-Frau gefordert. Sie sollen zu Schwarzgeldvorwürfen aussagen, die Mollath schließlich in die Psychiatrie brachten. Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl lehnte das als irrelevant ab. Mollath schimpfte: „Wenn man mir die Möglichkeit zur objektiven wahrheitsgemäßen Darstellung nimmt, spricht das für sich.“
„Mein Mandat ist beendet“
Diese Unterstellung war nicht nur der Vorsitzenden Elke Escher zu viel. Auch den Verteidigern riss der Geduldsfaden. Es gab Wortwechsel zwischen Mollath und Strate. Zur Mittagspause gingen sie in unterschiedliche Richtungen davon. „Die Verteidiger nehmen Abschied“, erklärte der 64-Jährige nach der Pause. „Mein Mandat ist beendet.“ Strate erklärte, er habe Probleme damit, wie sich Mollath gegenüber dem Gericht verhalte. Er habe lange Erfahrung – aber selten ein Gericht erlebt, das die Aufklärung so sorgfältig versuche. Dass der Angeklagte entsetzt sei über „mangelnden Aufklärungswillen, kann ich nicht nachvollziehen“.
Den Schritt dürfte sich einer der renommiertesten Strafverteidiger in Deutschland wohl überlegt haben. Er gilt als letzte Hoffnung für hoffnungslose Fälle – und Mandanten, die nicht einfach zu handhaben sind. Seit er 1995 für die zweifache Kindsmörderin Monika Böttcher die Wiederaufnahme schaffte, ist sein Ruf stetig gewachsen. Zu seinen Mandanten gehörten der Millionenbetrüger Jürgen Harksen, der Stadtplan-Erbe Alexander Falk und der islamistische Terrorhelfer der Todespiloten vom 11. September 2001, Mounir el Motassadeq.
Nur mit Mandanten aus Franken scheint der Hanseat kein Glück zu haben: Er verteidigte 2008 in Würzburg Burim Osmani, eine Hamburger Rotlichtgröße – die trotz seiner Kunst ins Gefängnis musste. Strate schaffte die kniffelige Wiederaufnahme im Fall eines Landwirtes aus dem Raum Würzburg, der seine Frau mit einem gefrorenen Stück Rindfleisch geschlagen hatte. Aber statt auf Strates Strategie der Verminderung der Strafe zu setzen, wollte der Mandant 2011 unbedingt einen Freispruch – und unterlag. Und nun hat Strate auch mit Mollath Probleme.
Schon als er am ersten Prozesstag gefragt wurde, ob sein Mandant zu den Vorwürfen schweigen werde, war die Reaktion bezeichnend: „Das kann ich nie sicher sagen,“ sagte Strate lächelnd. „Mollath ist ein Franke und hat einen eigenständigen Charakter. Das ist für die Verteidigung nicht immer ganz einfach – was nicht bedeutet, dass wir divergieren, sondern dass wir uns manchmal zusammenraufen müssen. Aber Sie können sicher sein, dass zwischen Mollath und seine Verteidiger kein Blatt Papier passt.“
Die Niederlegung des Mandats erwischte Mollath auf dem falschen Fuß. „Ich bin total überrascht und am Boden zerstört. Ich kann den Grund nicht verstehen. Ich habe Vertrauen in meine Anwälte.“
Doch das Landgericht ließ Strate und seinen Kollegen nicht aus der Verantwortung: Sie wurden als Pflichtverteidiger beauftragt, um den Prozess fortsetzen zu können. Strate erklärte: „Wir werden unsere Arbeit natürlich ohne Abstriche fortsetzen.“ Mit Informationen von dpa