zurück
Kempten
Bundeswehr kommt an die Schulen: Der Offizier im Klassenzimmer
Die Bundeswehr darf sich künftig gezielt an Schulen vorstellen. Das hat auch mit Putin zu tun. Was Schülerinnen und Schüler beim Besuch des Militärs erfahren.
Vorstellung des Jahresberichtes 2023 mit der Wehrbeauftragten.jpeg       -  Die Wehrbeauftragte Eva Högl hat ihren Jahresbericht 2023 veröffentlicht.
Foto: Carsten Koall, dpa | Die Wehrbeauftragte Eva Högl hat ihren Jahresbericht 2023 veröffentlicht.
Marina Kraut, Sarah Ritschel
 |  aktualisiert: 26.03.2024 02:55 Uhr

Vorn am Lehrerpult steht ein Mann in Uniform, ein Soldat. Nach 90 Minuten Vortrag über den Nahostkonflikt schnauft er kurz durch, blickt in die Klasse und sagt: "Wer hat Fragen?" Betretenes Schweigen, ein paar Schülerinnen kichern. Dann geht doch eine Hand nach oben. "Müssen wir Angst haben, dass der Dritte Weltkrieg kommt?" Das könne wohl niemand beantworten, sagt Fabian von Skrbensky, der Hauptmann am Pult. Die Regierung und die Nato würden alles versuchen, um das zu verhindern. Die Bundeswehr bereite sich trotzdem auf alles vor.

Von Skrbensky steht an diesem Vormittag vor drei Klassen an der Berufsschule II in Kempten. Der 36-Jährige ist Jugendoffizier. Seine Aufgabe ist es, zur politischen Bildung beizutragen und über Sicherheitspolitik zu sprechen. Das tut er an allen Schularten ab der 9. Klasse. An diesem Tag spricht er vor angehenden Zahnmedizinischen Fachangestellten. Auch Schülerinnen und Schüler im Rest Bayerns bekommen künftig Besuch von der Truppe. 

Krieg in der Ukraine ist ein Grund für Auftritte der Bundeswehr an Schulen

Denn das Militär soll an Schulen jetzt gezielt auf sich aufmerksam machen. Das ist Teil eines "Gesetzes zur Förderung der Bundeswehr", das der bayerische Ministerrat Ende Januar auf den Weg gebracht hat. "Der Krieg Russlands in der Ukraine und die Drohungen Putins gegen den Westen machen deutlich: Deutschland braucht wieder eine starke Bundeswehr, die fähig ist, unser Land zu verteidigen", sagt eine Sprecherin der Staatskanzlei unserer Redaktion. Um die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen, seien Änderungen in vielen Bereichen staatlichen Handelns notwendig. Unter anderem müsse die Bundeswehr im schulischen Bereich wieder stärker sichtbar werden. 

Die Vermittlung sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen und deren politischer Konsequenzen sind laut Staatskanzlei "wichtige Kenntnisse, um als mündiger Bürger politische Entscheidungen bewerten oder selbst fällen zu können". Enthalte man Schülern diese Wissensquelle vor, bestehe das Risiko, "dass sich junge Menschen ihre Meinung auf Grundlage von Falschinformationen, zum Beispiel in Social-Media-Kanälen, bilden". An dieser Stelle kommen Referenten wie Fabian von Skrbensky ins Spiel.

Im Klassenzimmer in Kempten meldet sich eine Schülerin. Sie fragt nach der Deutsch-Israelin Shani Louk. Die Frau wurde im Oktober 2023 beim Überfall der Hamas auf Israel bei einem Musikfestival getötet. Ihr Foto war Teil des Vortrags. Die Schülerin: "Das Video hab ich auch gesehen. Ich dachte, sie ist im Krankenhaus gestorben." Von Skrbensky erklärt, dass man wohl davon ausgehen müsse, dass die Frau schon auf dem Musikfestival getötet worden sei. Der Jugendoffizier muss Fragen beantworten, die weit über die Arbeit der Armee hinausgehen. Doch deren Zustand ist auch ein Grund für die Aufklärungsarbeit an Schulen. 

"Die Truppe altert und schrumpft." Das ist einer der eindringlichsten Sätze aus dem neuesten Bericht der deutschen Wehrbeauftragten Eva Högl. Bewerbungen und Einstellungen stagnierten, die Abbruchquote bei Neueinsteigern sei mit 20 Prozent deutlich zu hoch, schreibt Högl. 20.000 Stellen beim Militär seien unbesetzt. Der bayerische Gesetzentwurf beinhaltet daher auch, dass Karriereberater der Bundeswehr an der schulischen Berufsorientierung teilnehmen. So sollen Schülerinnen und Schüler informiert werden, wie sie auch ohne Wehrpflicht freiwillig bei der Bundeswehr arbeiten können.

20.000 Stellen bei der Bundeswehr sind offen

Eines betont die Staatskanzlei: "Während die Jugendoffiziere sicherheitspolitische Bildung vermitteln, dürfen nur die Karriereberater der Bundeswehr ihren Beruf vorstellen und Nachwuchs anwerben. Eine Vermischung aus politischer Bildung und Anwerbung für den Dienst wird es in Bayern nicht geben."

Die Bundeswehr dürfte es gut finden, dass sie sich künftig an bayerischen Schulen gezielt vorstellen darf. Sie gehört mit rund 1000 Berufsbildern im zivilen und militärischen Bereich zu den größten Arbeitgebern Deutschlands – und wirbt auf allen Kanälen um Nachwuchs. "Wir sprechen unsere Zielgruppe gezielt an, vor allem im Netz", erklärt eine Sprecherin in Köln. Etwa mit dem Youtube-Kanal "Bundeswehr Exklusive".

Fabian von Skrbensky sagt, seine Vorträge hätten sich seit dem Krieg in Israel verändert. Die Stimmung im Klassenzimmer sei sensibler geworden. Auch in Bezug auf den Ukraine-Krieg. Er versuche, Mythen aufzudecken und Vorurteile etwa gegenüber jüdischen Menschen auszuräumen. Die Schulleitung in Kempten hat den Soldaten schon weit vor dem neuen bayerischen Gesetzesentwurf eingeladen. Ihr sei es ein Anliegen, im Fach "Politik und Gesellschaft" aktuelles politisches Geschehen einzubeziehen, heißt es aus dem Rektorat. Und wie finden das die Schülerinnen? Zustimmendes Nicken, ein Lächeln. "Viel Info, aber sehr gut."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Berufsschulen
Bundeswehr
Eva Högl
Hamas
Nato
Offiziere
Schulleitungen
Schülerinnen und Schüler
Wladimir Wladimirowitsch Putin
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen