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Augsburg/München
"Die Betriebe machen einfach zu. Das ist ein leises Betriebssterben"
Bis Ende 2023 entlastete die Regierung Gastronomiebetriebe mit einer geringeren Mehrwertsteuer. Nun ist sie wieder gestiegen. Das hat Folgen für Wirte und Gäste.
444877480.jpg       -  Seit 1. Januar gilt auf Speisen in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent.
Foto: Arno Burgi, dpa (Symbolbild) | Seit 1. Januar gilt auf Speisen in der Gastronomie wieder der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent.
Bianca Dimarsico
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:09 Uhr

Schnitzel mit Pommes für 19 Euro? Mit der Anpassung der Mehrwertsteuer zu Beginn des Jahres könnte dieser Preis bei einigen Lokalen auf der Speisekarte stehen. Zuvor hatte die Regierung den Steuersatz gesenkt, um Betriebe während der Coronapandemie zu entlasten. Dass die Steuer nun erneut auf 19 Prozent ansteigt, bereitet einigen Gastronomie-Betrieben Sorge. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA etwa warnt vor einer Pleitewelle in der Branche. Bayerische Wirte und Branchenkenner ziehen eine erste Bilanz.

Der Verein Münchner Innenstadtwirte besteht aus 37 Gasthausbetrieben. Gregor Lemke, Vereinssprecher und Betreiber vom Augustiner Klosterwirt, sagt, es sei noch zu früh, um die Entwicklung in der Branche einschätzen zu können. Allerdings beobachte er schon jetzt eine Anpassung der Gäste. "Die Leute teilen sich mal ein Essen oder tendieren zu den günstigeren Gerichten. Sie scheinen bedachter zu bestellen", sagt Lemke. Mit dem neuen Jahr hat der Wirt seine Essenspreise erhöht. So kostet der Schweinsbraten bei ihm jetzt 17,90 Euro – zwei Euro mehr als zuvor. "Ein Teil der Kosten bleibt aber an mir hängen", sagt der Münchner Wirt. 

DEHOGA-Umfrage: Ein Viertel aller Betriebe plant, Mitarbeiter zu entlassen

Er hofft auf Verständnis vonseiten der Gäste für die höheren Preise. "Manche fragen sich, wieso diese 19 Prozent, die es schon vor der Pandemie gab, denn so schlimm sind. Aber die Situation ist eine ganz andere als vor einigen Jahren", meint Lemke. Neben der Mehrwertsteuer gebe es höhere Energie- und Personalkosten sowie gestiegene Wareneinsätze. 

Diese gesamten Kostensteigerungen sieht auch Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des DEHOGA Bayern, als Problem. Er sagt: "Die Lage ist sehr ernst." Geppert glaubt, dass die Dimension der Auswirkungen auf die Gastronomiebranche vielen Politikerinnen und Politikern nicht bewusst ist. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer könne laut Geppert nicht eins zu eins auf die Gäste umgelegt werden, da diese zunehmend zurückhaltend konsumieren. Laut einer Umfrage des DEHOGA haben knapp 80 Prozent der bayerischen Gastronomiebetriebe ihre Preise bereits an die Steuererhöhung angepasst, jeder vierte Betrieb spürt demnach einen Gästerückgang. Ein Viertel der Lokale plane, Mitarbeitende zu entlassen. 

Nicht alle Lokale haben ihre Preise an die höhere Mehrwertsteuer angepasst

Der DEHOGA fürchtet, dass mehrere Tausend Betriebe aufgrund der gestiegenen Kosten dichtmachen müssen. "Das lässt sich nicht an Insolvenzstatistiken ablesen, denn oft melden die Betriebe keine Insolvenz an, sondern machen einfach zu. Das ist ein leises Betriebssterben", sagt Geppert. Der Verband fordert eine steuerliche Gleichbehandlung von Essen im Restaurant und Essen, das mitgenommen oder geliefert wird. Denn bei Letzterem beträgt die Mehrwertsteuer weiterhin sieben Prozent – nur Essen im Lokal wird mit 19 Prozent besteuert. "Wir wollen nicht, dass Essengehen zum Luxus wird", sagt Geppert. 

Im europäischen Vergleich fällt die deutsche Mehrwertsteuer in Gastronomien eher hoch aus: So liegt die Mehrwertsteuer etwa in Ungarn bei fünf Prozent und in Italien bei zehn Prozent. Einen höheren Steuersatz gibt es in Lettland mit 21 Prozent oder Dänemark mit 25 Prozent. Viele europäische Länder unterscheiden außerdem nicht zwischen Verzehr im Lokal und To-go-Angeboten. 

Das Café Dreizehn in der Augsburger Kresslesmühle hat seine Preise mit Blick auf den höheren Mindestlohn und die angepasste Mehrwertsteuer bereits im vergangenen Jahr erhöht. Wie Inhaberin Stefanie Rajkay erklärt, wolle man weitere Preissteigerungen in diesem Jahr erst mal vermeiden. "Früher oder später wird es aber wahrscheinlich nötig sein. Wie das beim Kunden ankommt, weiß man nie", sagt Rajkay. Trotz der erhöhten Mehrwertsteuer laufe es in dem veganen Lokal gut. Die Gastrobranche als Ganzes stehe laut Rajkay jedoch unter Druck. 

Staatsministerin Michaela Kaniber sprach am Donnerstag in einer Pressekonferenz von einer "unsinnigen Entscheidung" der Bundesregierung bezüglich der Mehrwertsteuer. "Die Verbraucherinnen und Verbrauchen werden aktuell gehemmt", sagte Kaniber. Für sie sei die Situation der Gastronomen "in höchstem Maße besorgniserregend". Neben der Mehrwertsteuer spiele die Verteuerung aller Waren eine Rolle.

Peter Wieser, Wirt des Ratskellers in München, hat mit dem neuen Jahr seine Essenspreise erhöht. Im Ratskeller kostete das Mittagsmenü aus vier Gängen zuvor 28 Euro, jetzt sind es 32 Euro. Er sagt: "Die Menschen gehen mit Vorbehalten in die Gastronomie. Bei uns bleibt der ein oder andere Stammgast erst mal weg." Wieser wünscht sich einen Rückgang der Mehrwertsteuer auf zehn oder zwölf Prozent. Für solch einen Kompromiss bräuchte es jedoch eine Reform der Mehrwertsteuer. Die ist bislang nicht in Sicht. 

 
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