Um die „Schwimmnation“ Deutschland ist es schlecht bestellt, besonders im Freistaat Bayern. Nirgendwo gab es in den vergangenen beiden Jahren so viele Ertrunkene, 2021 starben 60 Menschen, 2022 69 Menschen in bayerischen Gewässern. „Die Schwimmfähigkeit ist in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen“, sagt Manuel Friedrich, Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Bayern, unserer Redaktion. Das liege auch am Zustand der Schwimmbäder – weshalb Friedrich bei deren Sanierung schnelle und massive Änderungen von Kommunen und Freistaat fordert.
867 Schwimmbäder gibt es, Stand April 2022, in Bayern. Bei einer Abfrage des Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr ordneten die Kommunen 229 Frei- und Hallenbäder als sanierungsbedürftig, zusätzlich 223 Bäder sogar als dringend sanierungsbedürftig ein. Eine Instandsetzung dieser Bäder würde Schätzungen der Kommunen zufolge 1,78 Milliarden Euro kosten, rund zwei Drittel davon entfallen auf Hallenbäder.
Viele Kinder in Bayern können am Ende der Grundschulzeit nicht sicher schwimmen
„In den vergangenen drei Jahren hat sich die Anzahl der Kinder, die am Ende der Grundschulzeit keine sicheren Schwimmer sind, verdoppelt“, sagt Friedrich. In diesem Alter würden zwischen 30 und 40 Prozent der Kinder den Freischwimmer nicht bestehen. Dass einige dieser Bäder dann auch schließen, helfe nicht. In der Region wurde unlängst etwa der Betrieb des Hallenbades in Bobingen eingestellt, in Memmingen gibt es seit Sommer vergangenen Jahres kein Freibad mehr. Dort soll allerdings ungefähr Mitte 2026 ein Kombinationsbau eröffnet werden, bis dahin müssen Schwimmbegeisterte ganzjährig auf das örtliche Hallenbad ausweichen. Neubauten wie der des Hallenbades in Nördlingen bilden absolute Ausnahmen.
Generell obliegt der Bau beziehungsweise die Instandhaltung öffentlicher Bäder den Kommunen, der Freistaat unterstützt diese aber mit Fördermitteln. Deshalb nimmt Friedrich die Politik klar in die Pflicht: „Bürgermeister müssen sich verantworten, wenn die Zahl der toten Kinder steigt. Viele Schwimmbäder werden geschlossen, weil Bürgermeister einsparen wollen.“ Er legt Bürgerinnen und Bürgern nahe, ein Bürgerbegehren zu starten, sollten in ihren Kommunen Bäder geschlossen werden: „Der Staat muss aber auch Förderprogramme auflegen, die attraktiv genug sind, dass sie sich für Gemeinden lohnen.“
Seit 2019 besteht in Bayern das Sonderprogramm Schwimmbadförderung (SPSF). Darüber sollen bis 2024 bayerische Kommunen mit insgesamt 120 Millionen Euro bei der Sanierung von öffentlichen Schwimmbädern unterstützt werden. Das jährliche Volumen wurde bislang allerdings nicht annähernd ausgeschöpft, die bewilligten Mittel rangierten zwischen 4,2 Millionen Euro (2021) und 8,3 Millionen Euro (2020). Das geht aus einer Anfrage der Landtagsfraktion der Grünen aus dem April 2023 hervor, die Ursache sieht die Oppositionspartei unter anderem in dem „Förderdschungel“, der mit dem SPSF einhergehe. Vonseiten des Bauministeriums heißt es auf Anfrage: „Die Schaffung und der Erhalt von Schwimmbädern obliegt den Städten und Gemeinden in kommunaler Selbstverwaltung.“
Gemeindetag-Präsident Brandl: Förderprogramm ist „ein Tropfen auf den heißen Stein“
Die Verantwortung einzig auf die Kommunen abzuwälzen, lässt Uwe Brandl nicht gelten. Der Präsident des Bayerischen Gemeindetages sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ein Blick in die Bayerische Verfassung zeigt, dass die Volksgesundheit staatliche Aufgabe ist.“ Deshalb könne der Staat sichnicht so einfach aus der Mitverantwortung ziehen. Das SPSF und seinen Umfang sieht Brandl als einen „Tropfen auf den heißen Stein: Die Sanierung eines mittleren Schwimmbads kostet allein zwischen drei und fünf Millionen Euro.“ Abseits der Förderprogramme fordert Brandl auch eine Senkung der Betriebsstandards für die Bäder: „Der Markt gibt es einfach nicht her, für eine 50-Meter-Bahn zeitgleich zwei Bademeister zu stellen.“
Solche Bahnen gibt es im Regierungsbezirk Schwaben ausschließlich in Freibädern. Das wirkt sich auch auf den Leistungssport aus: Nur fünf von 120 Kaderschwimmern kommen aus Schwaben, sagt Rolando Peceros, Vorsitzender der Schwimmer des Bezirks Schwabens. Der Grund dafür liege aber nicht nur an den 50-Meter-Becken, sondern auch am Trainer- und Bädermangel – und eben am Zustand der bestehenden Wasserflächen.