In dem Zimmer, in dem Benedikt XVI. vor 95 Jahren zur Welt kam, brennt eine Kerze. Eine Rose soll als Zeichen dienen, dass die Menschen in seinem oberbayerischen Heimatort in Gedanken bei ihm sind. „Wir beten jetzt für Benedikt und werden das auch über sein irdisches Leben hinaus tun“, sagt Franz Haringer, theologischer Leiter des Geburtshauses von Benedikt XVI. in Marktl am Inn (Kreis Altötting). Er spricht wohl für die gesamte katholische Kirchenwelt, wenn er „die Nachrichten aus Rom, verbunden mit dem Gebetsaufruf von Papst Franziskus“, als „sehr besorgniserregend“ bezeichnet.
Franziskus hatte am Mittwoch dazu aufgerufen, für seinen Vorgänger als Kirchenoberhaupt zu beten. Er sei „sehr krank“. Offenbar lässt die Herzfunktion des 95-Jährigen nach, auch das Atmen fällt ihm immer schwerer. Ein wenig Entwarnung gab es dann am Donnerstag: "Der emeritierte Papst konnte sich letzte Nacht gut erholen, er ist absolut klar und wach, und heute ist sein Zustand zwar weiterhin ernst, aber stabil", so Matteo Bruni, Sprecher des Heiligen Stuhls.
Am Taufstein von Benedikt XVI. zünden Gläubige Kerzen an
Auch in Marktl, das Benedikt im Jahr 2006 zum letzten Mal besucht hatte, folgen viele Menschen Franziskus’ Aufruf zum Gebet. Am Mittwoch war Franz Haringer, der selbst Priester im Bistum Passau ist, in der Kirche St. Oswald, in der Joseph Ratzinger einst getauft wurde. „Ich habe Einheimische gesehen und Fremde, am Fuß des Taufsteins zündeten sie Kerzen an“, erzählt er. Für eine Jugendgruppe aus Frankreich, ebenfalls besorgt von den Nachrichten aus dem Vatikan, habe er kurzfristig das Geburtshaus aufgeschlossen, ihnen ein paar Minuten zum Gebet ermöglicht.
Franz Haringer hatte Benedikt, der im Februar 2013 nach acht Jahren als Pontifex zurückgetreten war, noch im Mai in Rom getroffen. „Der Besuch war sehr bewegend, er war uns ganz herzlich zugewandt, hörte interessiert zu, zeigte Humor – auch wenn ihm das Sprechen schwerfiel und er körperlich geschwächt war.“
Für den Theologen fühlt es sich falsch an, darüber zu sprechen, was im Fall von Benedikts Tod in Marktl geplant ist. Auch aus dem Rathaus ist nichts zu erfahren. Die Gemeindeverwaltung bleibt zwischen den Jahren geschlossen, Bürgermeister Benedikt Dittmann (CSU) ist im Urlaub.
Welches Protokoll in Kirchenkreisen geplant ist, sollte Benedikt sterben, ist öffentlich ebenfalls nicht bekannt – kein Wunder, schließlich trat mehr als 700 Jahre lang kein Papst freiwillig zurück. Wie aus dem Vatikan zu hören ist, hat Papst Franziskus den Ablauf nach dem Tod seines Vorgängers im Geheimen geregelt und mit dem Zeremonienmeister abgesprochen. Stirbt ein amtierendes Kirchenoberhaupt, organisieren die Kardinäle nach dem Tod Trauerfeierlichkeiten für neun Tage – dass dies auch bei Benedikt so lang sein wird, ist unwahrscheinlich. Ziemlich sicher soll der gebürtige Bayer aber eine Beisetzung als Papst im Petersdom ähnlich wie seine Vorgänger bekommen. Den Trauergottesdienst dürfte Franziskus selbst zelebrieren.
Benedikt XVI. will nach seinem Tod im Petersdom beigesetzt werden
Wie die Nachrichtenagentur Adnkronos berichtete, hatte Benedikt schon 2020 angegeben, dass er in der Krypta des Petersdoms beigesetzt werden will. Als genauen Platz wählte er die erste Grabstelle von Johannes Paul II. in der Papstgruft; dort lag der beliebte Pole, bis die sterblichen Überreste nach seiner Seligsprechung 2011 in eine Kapelle im rechten Seitenschiff der Peters-Basilika gebracht wurden. Seinen Lebensabend verbringt Benedikt zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten. Ärzte sind bei ihm.
Franz Haringer, der Leiter des päpstlichen Geburtshauses in Oberbayern, ist überzeugt davon, dass Benedikt XVI. auf den Tod vorbereitet ist: „Benedikt hat als Theologe viel geforscht zu den Themen Tod und Auferstehung, er ist bereit, seinem Richter entgegenzutreten, wie er selbst immer sagt.“
In den vergangenen Jahren hat seine Rolle bei den Missbrauchsskandalen der Katholischen Kirche das Lebenswerk des früheren Kardinals Joseph Ratzinger überschattet. Er selbst weist die Vorwürfe bis heute zurück, in seiner Zeit als Erzbischof in München und Freising Missbrauch vertuscht zu haben.
Theologe Haringer in seinem Heimatort ist sich sicher, dass Benedikt „mit Herzenswärme auf ein Leben zurückblicken kann, das ganz anders verlief als er, der Theologieprofessor, es sich dachte. Benedikt spürt, dass ihn der Herrgott geführt hat.“