Um deutlich zu machen, mit welcher Sorgfalt im Fall Mannichl ermittelt wurde, erzählen Kripobeamte gerne, dass selbst die Krankenschwestern befragt worden seien, ob der damalige Passauer Polizeichef nach dem Messer-Attentat auf ihn im Schlaf gesprochen habe.
Fünf Jahre später kann man die Befragung der Krankenschwestern auch als Akt der Verzweiflung deuten. Die Arbeit der zeitweilig 70 Ermittler umfassenden Sonderkommission „Fürstenzell“ hat keine Ergebnisse gebracht. Das Landeskriminalamt hat schon vor einem Jahr einen Abschlussbericht vorgelegt. Die Soko gibt es nicht mehr. Dennoch will Passaus Leitender Oberstaatsanwalt Helmut Walch die Akte nicht endgültig schließen. Das Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes läuft offiziell weiter.
Der Fall, der rasch lösbar schien, erweist sich als tiefer Stachel im Fleisch der erfolgsverwöhnten bayerischen Polizei. Die meisten Gewaltdelikte solcher Art werden aufgeklärt. Ausgerechnet dieser Fall – ein Angriff auf einen der ihren – bleibt ungelöst. Alle Spuren sind abgearbeitet. Da tröstet es nicht, dass Chefankläger Walch betont, dass neuen Hinweisen selbstverständlich nachgegangen werde. Seine Worte täuschen nicht darüber hinweg, dass die Ermittler von einer aktiven in eine passive Rolle gewechselt haben.
Denn im Fall Alois Mannichl gibt es Fragen und Merkwürdigkeiten, die bis heute einer Klärung harren. Das ist nicht unproblematisch, war doch die Attacke auf den ranghohen Polizisten eines der spektakulärsten Verbrechen in Bayern der vergangenen Jahrzehnte. Am Samstag, 13. Dezember 2008, gegen 17.30 Uhr wurde der Leitende Polizeidirektor vor seinem Haus in Fürstenzell bei Passau niedergestochen. Mannichl selbst lieferte die erste Spur: Der Täter sei ein etwa 1,90 Meter großer Unbekannter mit Glatze gewesen. Bevor er zustach, habe er noch gesagt „Du linkes Bullenschwein, du trampelst nicht mehr auf den Gräbern unserer Kameraden herum“.
Klarer Fall: ein Racheakt von Neonazis, gegen die Mannichl immer hart vorgegangen war. Dazu eine Zeugenaussage, dass der Täter mit einer grünen Schlange hinter dem Ohr tätowiert gewesen sei. Motiv klar, Täterbeschreibung gut – die Aufklärung schien eine Frage von Tagen. Aber sie blieb aus.
Die Ermittler müssen sich Fragen gefallen lassen. Warum wurde nicht sofort DNA-Material unter Mannichls Fingernägeln gesichert, obwohl er nach eigenen Worten mit dem Täter gerangelt hat? Warum ermittelten drei Wochen lang Kripobeamte von Mannichls eigener Dienststelle? Warum wurde zunächst nur in Bayern gefahndet, obwohl der Tatort nur 15 Autominuten von der österreichischen Grenze entfernt liegt und Mannichl gesagt hatte, der Messerstecher habe „mit österreichischer Einfärbung“ gesprochen? Wenn es ein geplanter Racheakt eines Neonazis war, warum benutzte er kein eigenes Messer, sondern eines aus Mannichls Haushalt, das zufällig auf dem Fensterbrett lag?
Die unbeantworteten Fragen mündeten in einen schlimmen Verdacht: Könnte die Tat ein Familiendrama gewesen sein? Die Ermittler mühten sich, jedem noch so vagen Gerücht über eine mögliche enttäuschte Geliebte des Polizeichefs nachzugehen. Und sie mühten sich bis heute, diesen Verdacht zu zerstreuen: „Es gibt keine vernünftigen Anhaltspunkte dafür“, so Oberstaatsanwalt Walch.
Mannichl selbst hatte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wie ein gebrochener Mann gewirkt. Jetzt sagt er, seiner Familie und ihm gehe es inzwischen wieder gut. Das heißt auch, dass es anders war. Der 55-Jährige ist heute Leiter der Verbrechensbekämpfung in Niederbayern. Er ist sicher, dass die Täter gefasst werden: „Irgendwann begeht jeder einen Fehler.“