Bis März 2020 hatten Kaufbeurer die Möglichkeit, mit einer Lufthansa-Maschine, die den Namen ihrer Heimatstadt trug, zu fliegen. Der Airbus A 320 war 30 Jahre lang im Dienst, bevor er ausgemustert wurde. Ein Nachfolger mit dem Namen der Wertachstadt ist derzeit nicht in Sicht. Aber wer am Flughafen München mit Lufthansa CityLine in die Lüfte steigt, kann mit etwas Glück mit einem Kaufbeurer abheben. Für Johannes Uhl ging ein Kindheitstraum in Erfüllung. Der 25-Jährige ist seit Ende 2023 Pilot bei der Konzerntochter der Deutschen Lufthansa AG. Der Weg dorthin war nicht einfach, denn die Corona-Pandemie stoppte abrupt die Ausbildung des angehenden Piloten. Doch mit Ausdauer, Durchhaltevermögen und dem Rückhalt seiner Familie schaffte es der Kaufbeurer doch noch, in seinem Traumberuf durchzustarten.
Schon als Kind, so erzählt Johannes Uhl im Gespräch mit unserer Redaktion, faszinierten ihn Flugzeuge. Als Zweijähriger durfte er das erste Mal fliegen. Mit seinen Eltern Christine und Stefan Uhl ging es auf die Ferieninsel Mallorca. Offensichtlich beeindruckte den kleinen Johannes der Münchener Flughafen mit den vielen Menschen und Maschinen sehr. Immer wenn wieder eine Flugreise mit seiner Familie anstand, freute er sich mehr aufs Fliegen als auf den Urlaub, sagt er lachend. Dass er eines Tages selbst im Cockpit sitzen würde, war ihm da noch nicht bewusst. Aber als Johannes schließlich am Jakob-Brucker-Gymnasium auf dem Weg zum Abitur angelangt war, entwickelte sich aus dem Kindheitstraum ein fester Berufswunsch.
Test beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum nötig
Deshalb absolvierte er einen notwendigen Test beim Deutsches Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), der Voraussetzung für eine Bewerbung bei der European Flight Academy (EFA) - sozusagen der Pilotenschule der Lufthansa-Gruppe - ist. Um das DLR-Zertifikat zu erlangen, werden Merkfähigkeit, Raumvorstellung, Leistungs- und Persönlichkeitsanforderungen, Englisch, Technik, Mathematik, Aufmerksamkeit, Psychomotorik, Mehrfacharbeit und auch Teamarbeit geprüft und es müssen Fragebögen zur Persönlichkeit ausgefüllt werden. Johannes Uhl nahm diese Hürde und erfüllte auch die medizinischen Voraussetzungen für einen angehenden Piloten. Damit stand seiner Bewerbung bei der EFA nichts mehr im Weg. Dort wurden seine Fähigkeit zur Teamarbeit in dynamischen Situationen, sein Verhalten in Gruppen- und Einzelsituationen, seine psychomotorischen Fähigkeiten und seine Berufsmotivation geprüft.
Corona-Pandemie zwingt Kaufbeurer zur Pause
Johannes Uhl bestand erneut und startete Ende 2018 seine theoretische Ausbildung in Bremen, die er erfolgreich abschloss und ihn zum praktischen Teil führte. So war er Anfang 2020 in Phoenix/USA zum Fliegen, als die Corona-Pandemie zuschlug und das Leben auf der ganzen Welt mehr oder weniger zum Erliegen kam - so auch die Ausbildung der Piloten. Niemand wusste damals, wie es weitergehen würde. Johannes Uhl kehrte zu seiner Familie nach Kaufbeuren zurück. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten. Er nutzte die Zeit, um bei einer Firma in Mauerstetten zu jobben und ein wenig Geld zu verdienen.
Zwei Jahre lange Durststrecke auf dem Weg zum Piloten
Zwei Jahre lang dauerte die Durststrecke, bevor es im April 2022 mit der Ausbildung zum Piloten weiter ging. Seit 12.12.2023 ist Johannes Uhl Erster Offizier und damit Copilot bei der Lufthansa CityLine. Er sitzt somit direkt neben dem Kapitän und "beide müssen alles können. Bei jedem Flug wechseln wir uns ab", berichtet der Kaufbeurer. Sein erster Flug führte mit einem Airbus A319 von München nach Prag. "Es war ein unbeschreibliches Gefühl", sagt der 25-Jährige. Er war zum einen aufgeregt, zum anderen freute er sich "wahnsinnig".
"Es braucht einige Zeit, zu realisieren, dass mein großer Lebenstraum jetzt Realität ist und nicht mehr ein Traum", bekennt Uhl. Er freut sich noch auf jeden Flug, die verschiedenen Ziele in Europa und genießt es auch, in der schicken Uniform durch die Flughäfen zu laufen. Ab und zu bleibt auch etwas Zeit, um eine Stadt zu besichtigen. Über Europa hinaus kommt er zudem mit den Frachtflugzeugen der CityLine. Sie fliegen bis Israel, Marokko oder Tunesien.
Und eines Tages wird Johannes Uhl wahrscheinlich sogar Flugkapitän. "Die Dauer bis zur Ernennung vom Ersten Offizier zum Flugkapitän hängt von verschiedenen Faktoren, wie der Erfahrung und den Regularien der jeweiligen Fluggesellschaft ab. Die Spanne ist hier recht groß, daher lässt sich kaum ein Richtwert nennen. Es sind aber meist deutlich mehr als zehn Jahre", berichtet Pressesprecher Daniel Radandt. Bei dem Durchhaltevermögen, das Johannes Uhl bisher bewiesen hat, dürfte er auch diese Hürde eines Tages nehmen.