Am Dienstag dürfte die Berufung des Leitenden Oberstaatsanwalts Clemens Lückemann zum Generalstaatsanwalt perfekt sein. Bereits unter der Regierung Günter Beckstein galt der Leiter der Staatsanwaltschaft Würzburg als einsamer Favorit für den Spitzenposten in Bamberg, wo einer von den drei Generalstaatsanwälten Bayerns Dienst tut. Lückemann sei glänzender Jurist, hieß es, habe seine Behörde im Griff, sei in der richtigen Partei und habe beste Beziehungen.
Doch dann kam 2008 die FDP als Juniorpartner in die Staatsregierung. Die lehnte Lückemann ab, brachte einen eigenen Kandidaten ins Gespräch, den „Leitenden“ aus Bayreuth – dann stritten sich die Koalitionäre. Zuletzt hieß es, der Ministerpräsident höchstpersönlich habe die Personalakten der Kandidaten studiert und sei der Meinung, wegen seiner Beurteilungen käme nur einer in Betracht: Lückemann.
Die Neubesetzung ist überfällig. Seit Januar ist der bisherige „General“ Heinz-Bernd Wabnitz im Ruhestand. Am Dienstag soll das Kabinett entscheiden, und Bayerns FDP steht unter Druck. Können die Liberalen noch einmal „Njet“ sagen zum Kandidaten aus Würzburg?
Aus der Sicht eines liberalen Rechtspolitikers spricht einiges gegen Lückemann. Dass der gebürtige Berliner seit frühesten Würzburger Tagen lückenlos CSU-Mitglied ist und Vorsitzender des Schiedsgerichts der Partei, wiegt weniger schwer. Gewichtiger ist, dass er ohne Wenn und Aber für die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte eintritt, was sie faktisch zum verlängerten Arm der Politik macht.
Politisierung der Justiz
„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben dem dienstlichen Auftrag ihrer Vorgesetzten nachzukommen.“ Der seit 130 Jahren geltende Paragraph 146 des Gerichtsverfassungsgesetzes hat der Politisierung der Justiz Vorschub geleistet – und allen Reformbemühungen getrotzt. Das Bild der Staatsanwaltschaft als „Kavallerie der Justiz“ beschreibt die Gesetzeslage so schlecht nicht: Pferde liegen am Zügel – wie Staatsanwälte.
Dass die Politik in Bayern auf Strafverfolger Druck ausübt, ist spätestens seit den Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft in der CDU-Spendenaffäre bekannt. Wie oft und exzessiv dies geschieht, kann nur vermutet werden, denn Staatsanwälte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, „Generäle“ und „Leitende“ ohnehin handverlesen.
Die Abhängigkeit der Strafverfolger von der Regierungspolitik ist ihr Elend. Denn hier liegt der Ursprung allen Misstrauens, Justitia sei auf beiden Augen blind, wenn es gelte, Wichtige und Mächtige oder deren Freunde und Gönner vor Strafe zu schützen. Funktionierende Gewaltenteilung setzt voraus, dass Staatsanwälte ihre Aufgaben ohne Einmischung von außen erfüllen können. Das fordert das „Dresdner Plädoyer für eine unabhängige Staatsanwaltschaft“ vom September 2003.
Will auch die FDP den Einfluss der Politik zurückdrängen? In ihren Programmen liest man Bekenntnisse zur Gewaltenteilung. Im Machtkampf um den „General“ von Bamberg aber machten die Liberalen solche Argumente nie publik. Ein Kardinalfehler, denn so entstand der Eindruck, die FDP wolle lediglich Ämterpatronage in eigener Sache und dadurch mehr Einfluss im Staatsapparat. Ihr Kandidat Thomas Janovsky ist gut bekannt mit dem ebenfalls aus Bayreuth stammenden FDP-Fraktionschef im Landtag, Thomas Hacker.
Kein „Gruß-August“
Und Lückemann? Seit Horst Seehofer für ihn Partei ergriffen hat, kann er warten, bis die Würfel fallen. Im Kandidatenkarussell waren andere hochrangige Posten als Trostpflaster für den 54-Jährigen im Gespräch, der Job des Würzburger Landgerichtspräsidenten ist vakant. Lückemann habe dankend abgewinkt, heißt es. Er wolle gestalten, kein „Gruß-August“ sein.
Offenbar ist das Feuer noch nicht erloschen, das in den 70er Jahren im Würzburger Jurastudenten Lückemann brannte. Damals gründete er – unter Beifall des damaligen Parteichefs Franz Josef Strauß – die Hochschulunion (HSU), weil ihm der Ring Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) zu lasch und linkslastig agierte. Lückemann etablierte die HSU, wurde ihr Vorsitzender. Später begeisterte er auch die Junge Union Würzburgs für seine „offensive Politik“. Diese Zeitung berichtete, wie er sich und seine Bataillone sah: als „kleine, harte CSU-Kämpfer“.